Lustige Szenen aus dem Buchladen

  • Hab ich heute gelesen und fand es köstlich:


    Die Buchhandlung als Ort des Orakels und der Erkenntnis


    Tag für Tag stellen sich metaphysisch begabte BuchhändlerInnen der philosophischen Grundproblematik: Was ist das Seiende?
    Wenn das Wesentliche von Buchtiteln nicht hinreichend erkennbar und es Aufgabe der BuchhändlerInnen ist, in der jenseitigen Ideenwelt des Kunden dem wahren Titel auf die Spur zu kommen, müssen labyrinthische Aussagen wie: "Ich habe letzte Woche das Buch Reklam bestellt, irgendwas mit Bär", als Hinweis auf Goethes Götz erkannt werden.


    Bekanntlich verknüpft der Verstand nach ihm eigenen Normen, und die Entschlüsselung verlangt von BuchhändlerInnen immer wieder neue Transformationsprozesse. Der fröhliche Zuruf im Laden: "Meisterkarten?" muss übersetzt werden als: Guten Tag. Führen Sie Glückwunschkarten zur Meisterprüfung?"
    "Aufgelesene Bücher" sind als "Hörbücher" zu verstehen und nicht etwa beim letzten Flohmarkt liegen geblieben. Empirische Fertigkeiten sind auch gefragt, um von der etwas zwielichtigen Aussage einer Kundin: "Ich brauche für meine Tochter schlaffe Bücher!" mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Roman von Robert Schneider schließen zu können.


    Eine besondere Herausforderung ist es, wenn der Kundenwunsch rein auf Wille und Vorstellung beruht. Da sind dann Harry Potter 5 und 6 in Amerika bereits erschienen - und zwar schon vor Wochen! Oder es wird empört auf die Buchhandlung im Nachbarort hingewiesen, die führe das Buch "Unterm Fahrrad" von Hesse, man habe es schließlich dort gesehen!
    Ja, Erkenntnis ist bekanntermaßen auch vom Interesse abhängig, was sich offenbart, wenn die männliche Kundschaft den Bestseller von Pease ("Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können") grundsätzlich mit dem Satz "Da soll es so ein Buch geben, warum Frauen nicht Auto fahren können..." bestellt.
    Und so ist es auch zu erklären, dass die Weissagung, der gewünschte Titel erscheine erst im übernächsten Quartal, ganz zuversichtlich mit "Ja, ich hole es dann aber erst nächste Woche" beantwortet wird. Hier kann ein echter philosophischer Diskurs entstehen."


    :chen :chen :chen


    (Quelle: Zeitschrift "Eselsohr", Ausgabe 8/2002)

    Neue Bücher riechen so gut - man kann am Geruch förmlich merken, wie schön es sein wird, sie zu lesen.
    [Astrid Lindgren: "Die Kinder aus Bullerbü"]


  • Zitat

    Original von Capesider
    Ja, Erkenntnis ist bekanntermaßen auch vom Interesse abhängig, was sich offenbart, wenn die männliche Kundschaft den Bestseller von Pease ("Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können") grundsätzlich mit dem Satz "Da soll es so ein Buch geben, warum Frauen nicht Auto fahren können..." bestellt.


    Zielgruppe anvisiert und -- Blattschuß!