Titel: Der Tod des Märchenprinzen
Autorin: Svende Merian
Verlag: Hamburger Abendblatt Bibliothek Band 19
Erschienen: Januar 2010
Seitenzahl: 404
ISBN-10: 3939716782
ISBN-13: 978-3939716785
Preis: 9.95 EUR
Svende sucht ihren Märchenprinzen über eine Anzeige im OXMOX, einem der ersten Hamburger Stadtmagazine:
„Linke Frau, 24, möchte gern unmännliche Männer, gerne jünger, kennenlernen“.
Auf diese Anzeige hin schreibt ihr Arne und „bewirbt“ sich um die Stelle als Märchenprinz. Die Beziehung der beiden startet rasant, aber schnell geht ihr (der Beziehung) der Sprit aus. Das ist in sehr kurzen Worten die Handlung dieses Buches, das bereits Anfang der Achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erschien und ein vielgelesenes Buch wurde. Ob es nun, wie vielfach gesagt ein „Kultbuch“ ist, mag dahin gestellt bleiben.
Das Buch behandelt die Zeit um 1979/1980. Die Grünen begannen gerade ihre ersten Schritte auf dem politischen Kriegspfad zu machen, in Hamburg (wo diese Geschichte spielt) wurde eine „Bunte Liste“ aufgestellt (Vorgängerliste der GAL), Frauenläden entstanden an jeder Ecke, Beziehungsdiskussionen gingen oftmals über mehrere Nächte. Es war die Zeit des ARBEITERKAMPF, des KB und des KBW, die Zeit der Antifa-Bewegung und die Zeit der Anti-AKW-Demonstrationen. Anti-Strauß-Kampagnen waren an der Tagesordnung. Die Hamburger Frauenwoche wurde zu einer festen Institution (übrigens als Bildungsurlaubsveranstaltung nach dem Hamburger Bildungsurlaubsgesetz anerkannt). Frauenpower und linke Kritik an Alice Schwarzer schlossen sich nicht aus. Es war die Zeit des verkrampft-lockeren Revolutionsgeredes. Alles in allem eine schöne und interessante Zeit. Eine Zeit des versuchten Aufbruchs.
Svende Merian hat dieses Buch mit einer zum Teil verblüffenden Selbstironie geschrieben, schafft es aber gerade dadurch, die Probleme (die es sicher auch heute noch gibt) so in den Fokus zu rücken, dass man auch nach rund 30 Jahren wirklich zum Nachdenken angeregt wird. Es wird eine Generation von jungen Menschen beschrieben, die versuchten bewusster zu leben, die neue Formen des Lebens und des Zusammenlebens suchten, die wirren linksrevolutionären Träumen anhingen, die alles sein wollten nur eben nicht oberflächlich, die sich zu allem und jedem Gedanken machten, die alles und jedes meinten ausdiskutieren zu müssen und die wohl heute auch vielerorts das Scheitern ihrer Träume und Visionen erleben mussten. Heute sind die, um die es hier geht, schon Mitte der Fünfzig und haben zu einem ganz großen Teil eben auch resigniert und haben nicht mehr die Kraft sich gegen dieses Scheitern ihrer Lebensträume zu stemmen.
Insofern ist es sehr interessant, dieses Buch nach nunmehr fast 30 Jahren, ein weiteres Mal zu lesen und zu schauen was aus dem Leben, was vor allen Dingen auch aus dem eigenen Leben, geworden ist. Was ist aus den eigenen Aufbruchsversuchen geworden?
Svende Merian bedient sich einer Sprache, die wie gesagt durchaus selbstironisch und sich selbst auf den Arm nehmend ist, die sehr gut das Verbissene, das fast humorlose Denken der damaligen Zeit, der damaligen jungen Menschen widerspiegelt. Die jungen Menschen wollten etwas verändern, wollten ernstgenommen werden – und wurden es zumeist nicht. „Fun um jeden Preis“ war nicht die Devise nach der man damals lebte. Im Vergleich mit der heutigen Zeit hat sich da wohl einiges verändert.
Es mag sein, dass sich jüngere Menschen bei der Lektüre dieses Buches langweilen, dass sie es vielleicht sogar schlichtweg nicht verstehen, dass sie vielleicht auch an den Problemen der damaligen Zeit nicht interessiert – einer Zeit ohne Internet, ohne Handy, ohne Privatfernsehen – einer Zeit aber, in der die Jugendlichen politisch bewusster waren als sie es heute sind.
Svende Merian wurde 1955 in Hamburg geboren, studierte Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Seit 1980 lebt sie als freie Schriftstellerin.
„Der Tod des Märchenprinzen“ ist und war ein bemerkenswertes Buch, vielleicht nicht das literarische Highlight, aber eine sehr gute Situationsbeschreibung der Zeit vor 30 Jahren, eine Beschreibung darüber wie die damalige junge Generation gelebt und gedacht hat und eben auch ein Buch, dass man nun – in die Jahre gekommen – sicher mit ein klein wenig Wehmut (wieder) liest. Aber, die Jungen von heute sind die Alten von morgen.
Ein sehr lesenswertes Buch.
Vielleicht noch eine letzte Bemerkung: Die Vorbemerkung zu diesem Buch durch den Literaturschwätzer Helmuth Karasek zeugt eigentlich davon, dass dieser Mensch wohl – mal wieder – nichts begriffen hat.