John Katzenbach - Der Täter

  • Der Autor: John Katzenbach arbeitete als Gerichtsreporter bevor er sich ganz dem Schreiben von Kriminal- und Spannungsromanen widmete. Die Filme "Im Sumpf des Verbrechens" mit Sean Connery und "Das Tribunal" mit Bruce Willis und Colin Farrell basieren auf seine Romanen, weitere Verfilmungen seiner Bücher sind in Planung.


    Das Buch: Der pensionierte Detective Simon Winter ist des Lebens überdrüssig und müde, doch der Hilferuf seiner alten Nachbarin reißt ihn aus seiner Lethargie und zwingt ihn sich noch einmal dem Rest der Welt zu stellen. Seine Nachbarin, eine Holocaustüberlebende, glaubt denjenigen gesehen zu haben, der sie und viele andere damals an die Gestapo verraten und dem vermeintlich sicheren Tot ausgeliefert hat.
    Am nächsten Morgen ist die alte Dame nicht mehr am Leben - sie wurde erdrosselt. Ein Augenzeuge hat allerdings den Täter gesehen, einen jungen Schwarzen.


    Detective Robinson glaubt zunächst einen normalen Raubmord zu untersuchen, doch als er tiefer in den Fall eintaucht muss er erkennen, das es hier um sehr viel mehr geht, und das die Vergangenheit, die viele hinter sich gelassen glaubten, ihre Finger in die Gegenwart ausstreckt.


    Vor so vielen Jahren war er ein Werkzeug des Bösen, einer ihrer effizientesten Vollstrecker. Er war wie sie, und er war Teil der Anderen..


    Und in der Dunkelheit, der er seinen Namen verdankte, wartet der Schattenmann auf eine Gelegenheit, seine Arbeit zu vollenden.


    Meine Rezension: Die Qualität der Katzenbachschen Romane geht weit auseinander. Meisterwerke wie "Der Patient" und vor allem "Die Anstalt" stehen uninspirierten Langeweilern wie "Die Rache" gegenüber.


    Sein Roman "Der Täter" ist das bisher außergewöhnlichste Buch das ich von Katzenbach kenne. Alle seine Romane setzten sich auf unterschiedliche Art mit den verschiedenen Erscheinungsformen des Bösen an sich auseinander und sie untersuchen außerdem dessen Wirkung auf die Umgebung und die Menschen, die mit ihm in Berührung kommen. Im vorliegenden Roman geht er einen Schritt weiter und bettet seinen Bösen in ein historisches Umfeld - ein Umfeld was für sich die vielen Gesichter der Bösartigkeit trägt. Hintergrund dieser Geschichte ist der Holocaust, die Opfer sind Juden, welche denselben überlebt haben und nun in Florida ihren Lebensabend verbringen.


    Für mich stellt sich in einem solchen Fall immer die Frage, ob jemand überhaupt diese Geschichte für einen Spannungsroman verwenden darf, und wenn ja, wie man mit der Geschichte umgehen soll.


    Katzenbach versucht in seinem Roman nicht Erklärungsansätze zu finden noch schlachtet er nach meinem Empfinden das Grauen der Nazizeit nur für den zusätzlichen Nervenkitzel in einem Krimi aus. Vielmehr stellt er hier viel konsequenter als in seinen anderen Büchern das Böse an sich in den Mittelpunkt seines Romans, um seine Protagonisten um dieses schwarze Loch zu versammeln und ihre Reaktionen darauf zu beschreiben.
    Damit ist ihm in meinen Augen ein unglaublich spannender und durchaus vielschichtiger Thriller gelungen, in welchem er nach meinem Empfinden das schwierige Grundthema nie für billigen Grusel missbraucht hat.
    Über einige Schwachpunkte der Handlung, von denen es den ein oder anderen durchaus gibt, konnte ich wohlwollend hinwegsehen, denn die spannend erzählte Geschichte ließ mich keinen Moment innehalten, zu rasant war das Tempo und zu spannend war es, den Ereignissen zu folgen. Dabei gestattet es sich Katzenbach durchaus seine Erzählung mit Beschreibungen der Umgebung und der handelnden Personen zu versehen, trotz der atemlosen Spannung die er erzeugt bringt er durchaus eine gewisse Ruhe in seinen Roman, ohne mich jedoch zu langweilen.


    Den Großteil dieses Buches habe ich am soeben vergangenen Sonntag gelesen, ohne dabei die verstreichende Zeit zu bemerken.
    "Der Täter" ist sicherlich kein einfaches Buch, wenn man über die Handlung hinaus über das Thema nachdenkt, ich meine aber das Katzenbach diesem im Rahmen seines Romans innerhalb der von ihm gesteckten Grenzen durchaus gerecht wird und das auch das Setzen dieser Grenzen gerechtfertigt ist.
    Für mich war es auf jeden Fall ein gut erzählter unglaublich spannender Thriller - ein Buch wie ich es von John Katzenbach erwarte.

  • Danke für die tolle Rezi.. das Buch wandert gleich auf meine Wunschliste, Der Patient und die Anstalt haben mir schon super gefallen. War bisher nur immer von den zum größten Teil schlechten Rezensionen der anderen Bücher abgeschreckt.

  • Klingt gut, für mich gerade interessant eben duch die Hintergrundgeschichte. Das Thema interessiert mich immer.


    Ich seh schon, ich werde keine Chance haben, heute einfach an der Bücherhalle vorbeizugehen - nein, ich werde hineingehen müssen und sofort gucken, ob die das da stehen haben. :grin

  • :help Ich wollte doch von diesem Autor nichts mehr lesen. Und nun führst Du mich so in Versuchung.


    Danke, Bodo, für die ausführliche Rezi. Ich setzte es dann mal auf meine WL *seufz*.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zitat

    Original von Sigrid2110
    Der letzte Roman ("Der Fotograf"), den ich von ihm las, fand ich sehr mäßig.


    Aber das Thema klingt so verführerisch.


    Ich wollte von diesem Autor kein Buch mehr lesen, und dabei werde ich wohl auch bleiben. Mir hat "Der Fotograf" einfach den Rest gegeben. Hinzukommt, dass ich die Grundthematik dieses Thrillers für mich nicht "interessant" ist. Oder anders ausgedrückt: Es macht mich einfach nicht neugierig genug, um das Buch zu kaufen und zu lesen.

  • Zitat

    Original von Johanna
    Klingt gut, für mich gerade interessant eben duch die Hintergrundgeschichte. Das Thema interessiert mich immer.


    Ich seh schon, ich werde keine Chance haben, heute einfach an der Bücherhalle vorbeizugehen - nein, ich werde hineingehen müssen und sofort gucken, ob die das da stehen haben. :grin


    :cry
    Ich hab zwar wieder 2 große Taschen voll aus der BüHa abgeschleppt, aber das Buch stand nicht da :-(


    Ok, nächste Woche, nächster Versuch :grin

  • Zitat

    Original von Sigrid2110
    Der letzte Roman ("Der Fotograf"), den ich von ihm las, fand ich sehr mäßig.


    Aber das Thema klingt so verführerisch.


    Die Romane von Katzenbach sind von ganz unterschiedlicher Qualität - einige sind wirklich sehr gut, andere hingegen wirklich erstaunlich schlecht. Aber auch wenn ich immer mal wieder enttäuscht werde, ein neuer Katzenbach ist für mich Pflicht!

  • Zitat

    Original von Bodo


    Sorry, aber das ist nun mal mein Job - rund um die Uhr und überall! :wave
    :chen


    Ja nu, Du nimmst das aber sehr Ernst mit Deinem Job (kriegst Du Prozente?) :chen.

    Liebe Grüße, Sigrid

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  • Ich habe gerade eine Lesprobe von diesem Buch gelesen, und da mich das Thema im Allgemeinen auch interessiert, denke ich, dass ich das Buch lesen werde. Die Frage ist nur wann? :grin


    EDIT: Und deine Rezi Bodo hat mich noch mehr überzeugt. :-) Ich kenne bis jetzt nur vom Hören und Sagen die Bücher von Katzenbach, aber gelesen habe ich noch keines....

  • Letzte Woche gelesen, hat leider nicht lang angehalten, auch sein 7. Buch hat bei mir bestanden.


    Eins muss ich aber mal bemerken, irgendwie finden alle die Anstalt mit am besten vom Katzenbach.
    Mir müsste mal jemand erklären, warum.
    Geschmäcker halt. ;)


    Zurück zum Täter, auch wenn das Thema nicht zwingend eines derer ist, die mich übermässig interessieren, da es doch ziemlich ausgelutscht ist, wurde es gut geschrieben, und aus einer anderen Sicht.


    Und ich habe mal wieder gemerkt, dass ich insgeheim doch ein Happy-End-Fanatiker bin.



    Ich bin gespannt, wann Katzenbach wieder etwas auf den Markt wirft, dieses ist doch recht überraschend erschienen, finde ich.
    Und nach zuletzt doch etwas flacheren Büchern gibt es ja nun wieder Auftrieb.


    Mfg


    J.

  • Um es gleich vorweg zu nehmen: Meiner Meinung nach ist es Katzenbach sehr gut gelungen, dieses nicht einfach zu behandelnde Thema in einen seiner Spannungsromane, der in den Staaten bereits 1995 veröffentlicht wurde, einzubauen. Auf die von den Nazis verübten Greueltaten geht er nur andeutungsweise ein, anstatt diese detailliert zu schildern.


    Vielmehr richtet der Autor seinen Blick auf die sogenannten "Greifer"; das waren Juden, die im Auftrag der Nazis jüdische Bürger aufgespürt und an die Nazis ausgeliefert haben, in der Hoffnung, dem eigenen Tod dadurch entkommen oder diesen wenigstens hinauszögern zu können. Und ebendieser Gruppierung gehörte auch Der Schattenmann" an, der es sich zum Auftrag gemacht hat, auch Jahre später Zeitzeugen, die ihn als Greifer entlarven könnten, auszulöschen.


    Mir persönlich hat auch dieser Katzenbach-Roman erneut sehr gut gefallen; ich mag dessen Schreibstil einfach ungemein. Knapp 600 Seiten umfasst das Werk, das ich innerhalb eines Tages regelrecht verschlungen habe. Die Handlung ist vielschichtig angelegt und darauf basierend gestalten sich die von Katzenbach spannend geschilderten Ermittlungsarbeiten sehr umfangreich.


    Darüber hinaus kommen auch in diesem Roman die Charakterzeichnungen und die Umgebung, in der Katzenbach sein Story ansiedelt, nicht zu kurz. Führt diese Eigenschaft häufig dazu, dass dessen Bücher aufgrund dieser - angeblichen - Langatmigkeit kritisiert werden, erkenne ich hier einen großen Pluspunkt, denn im Gegensatz zu vielen anderen Autoren, deren Romane sich im Bereich der Spannungsliteratur ansiedeln, wirken Katzenbachs Charaktere lebendig und zudem besitzen dessen Bücher etwas, was vielen anderen fehlt: Atmosphäre.


    Jedoch gibt es einen Aspekt, der mir überhaupt nicht gefallen hat: Die Befürwortung der Todesstrafe. Ganz egal ob Ermittler oder Staatsanwältin - für sie alle kommt, wenn eine bestimmte Verbrechensgrenze überschritten wurde, nur eine gerechte Strafe infrage. Und das ist die Todesstrafe. Zudem erhalten überführte Verbrecher im Vorbeigehen ein paar Tritte und wenn sich ein Jugendstraftäter während einer Vernehmung oppositionell verhält, wird diesem mal eben die Nase gebrochen. Gut möglich, dass Katzenbach dem Leser dadurch einen ungeschminkten Blick auf den Polizeialltag und den dort vorherrschenden Moralvorstellungen bieten wollte - Sympathiepunkte haben seine Protagonisten in diesem Zusammenhang jedoch nicht gesammelt.

  • Hab das Buch gestern erst zu Ende gelesen und hätte vor allem zu Beginn nicht gedacht, dass ich am Ende doch noch etwas Positives darüber schreiben werde. Der Anfang war zwar nett gemacht, aber für meinen Geschmack passierte nach dem Mord an Sophie Millstein einfach zu wenig und die Idee des Schattenmanns war für mich eher ein Hirngespinst. Zum Glück hat es der Autor dann doch noch geschafft, Spannung aufzubauen und das Böse Schritt für Schritt zu personifizieren. Ganz langsam schleicht sich das Gefühl des "Verfolgt-Werdens" immer mehr in die Handlung ein und hat auch bei mir die ein oder andere Spur hinterlassen.


    Die Art, mit der er dieses schwierige Thema aufgreift, fand ich bemerkenswert. Er versucht nicht, uns die grausame Vergangenheit durch exakte Beschreibungen der schrecklichen Taten vor Augen zu halten, sondern durch die Lebensgeschichte der Überlebenden. Zu erfahren, wie sich das alles auf deren komplettes Lebens auswirkt und wie sehr diese auch 60 Jahre später noch damit zu kämpfen haben, hat mich umso mehr berührt.

  • Hallo,


    ein tolles Buch. Ich habe nun insgesamt 7 Bücher Katzenbachs gelesen und fand dies am bemerkenswertesten.
    Wer sich ein bischen mit der Nazizeit auskennt, weiß, dass es wohl "Schattenmänner" gab. Man kennt sie nur unter dem Begriff "Denunziant". Es wurden Juden aufgespürt, denunziert und dann in ein KZ verschleppt.
    Daher ist für mich nicht nur die Idee vom "Der Täter" faszinierend, sondern auch die Umsetzung und Ausgestaltung der Geschichte. Ich muss zugeben, das Buch fand ich von der ersten Seite spannen und es regte mich an vielen Stellen zum Nachdenken an. Ich war nach dem Ende vom Buch noch immer ergriffen, besonders als ich mir die realen Schicksale dieser verfolgten Menschen damals in´s Gedächtnis rief.


    Ein Thriller, sprachlich brilliant mit realem Hintergrund: 10 von 10 Punkten.


    René