Autorenlesung, 170 min
Erscheinungsjahr der Buchausgabe: 1990
Inhalt
"Ein Berg gekochter Muscheln auf dem Tisch, davor ausharrend Mutter, Tochter und Sohn, wie hypnotisiert vom Schatten des Abwesenden: Der Vater wird von einer Dienstreise zurückerwartet, die 'der letzte Meilenstein auf dem Weg zur Beförderung' sein soll...
Erst am Ende, als die Mutter sich abrupt zu ihrer Bewunderung für Medea, die Kindstöterin der antiken Mythologie bekennt, fällt Licht in die Kerker der Harmonierituale: 'Wir haben es meiner Mutter aber nicht übel genommen, daß sie uns alle vergiften wollte, sondern haben uns nur gefreut, daß das Versöhnliche, worunter wir sehr gelitten hatten, endlich einmal verschwunden war."
Die Autorin
Die Autorin und Sprecherin Birgit Vanderbeke, 1956 im brandenburgischen Dahme geboren, lebt in Südfrankreich. Ihre Erzählung „Das Muschelessen" wurde 1990 mit dem Ingeborg- Bachmann-Preis ausgezeichnet. Seitdem hat sie mehrere von der Kritik vielgelobte Bücher geschrieben. Das letzte davon, „Ich sehe was, was Du nicht siehst", wurde ein Bestseller. 1997 erhielt sie für ihr Gesamtwerk den Kranichsteiner Literaturpreis.
Meinung
Das Hörbuch ist grandios. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Geschichte, und sei der Umfang noch so gering, nicht gelesen hätte, hätte ich sie in Buchform gehabt. Das Besondere beim Hören war die Stimme der Autorin, aus deren Federn sie stammt. Sich selbst die ungewöhnlich langen und durch Wiederholungen ermüdenden Sätze in der Form vorzulesen, dass sie die leise Spannung hervorheben, die mit schleichenden Schritten zum Höhepunkt, zum Zerfall der Familie führt, das wäre mir nicht gelungen. Teilweise ist es ein wirres Satzgerangel, welches aber durch das Lesen der Autorin einen ganz eigenen Reiz entwickelt. Meine Autofahrten zur Arbeit jedenfalls, erschienen mir fast schon zu kurz.
Zur Thematik schrieb der Spiegel
ZitatAm Ende wandert mit den ungegessenen Muscheln ein ideologischer Grundpfeiler des Bürgertums auf den Müll: die Idee der Familie.
Was diese Familie angeht: da gehört sie auch hin. Ansonsten trifft diese Aussage den Kerngedanken der Geschichte, das Gehabe um die Fassadenerhaltung der Familie - nach außen schein, nach innen sein -, sehr gut.
Fazit: Ich habe dieses Hörbuch mit großem Vergnügen gehört. Es regt an und hinterlässt sowohl auf sprachlicher Ebene als auch auf literarischer Ebene einen bleibenden Eindruck.
Und eines steht fest: den Unterschied zwischen notwendig und hinreichend dürfte jeder nach der Lektüre bzw. nach dem Hören verstanden haben.