Zu Beginn des Jahres 1543 scheint die Welt für Anwalt Matthew Shardlake in bester Ordnung zu sein. Er erfreut sich bester Gesundheit und ist mit seinen Fällen gut ausgelastet. Doch die Situation kehrt sich bereits am Ostermorgen ins Gegenteil, als er seinen Kollegen und besten Freund ermordet im Brunnen vor der Anwaltsgilde auffindet. Die Verletzungen lassen erahnen, dass dem Opfer aufgelauert wurde. Für Shardlake und seinem Gehilfen Jack Barak steht fest, dass der Mörder so schnell wie möglich ermittelt werden muss. Doch der zuständige Richter vertagt die Ermittlungen. Es wurde noch ein weiterer Mord verübt, der vermutlich politische Hintergründe hat. Shardlake wird erneut in das Umfeld Cromwells beordert, um mit seiner analytischen Vorgehensweise die Mordserie zu beenden. Da die Morde immer eine Szene aus der Offenbarung des Johannes darstellen, suchen sie bald unter den Anhängern des alten Glaubens. Verdächtige gibt es im Umfeld der ehemaligen Klöster viele. Erst ein anonymer Hinweis führt Shardlake und seine Helfer auf eine Spur, bevor Täter und Verfolger in einem gewaltigen Showdown aufeinandertreffen.
Der Historiker Christopher J. Sansom lässt in diesem vierten Teil der Serie um den buckligen Advokaten Matthew Shardlake erneut das historische England lebendig werden. Detailreich beschreibt er die Häuser und Straßen mit ihren Bewohnern. Seine Charaktere bekommen Ecken und Kanten, sodass sie auch nach 650 Seiten immer noch überraschen. Wie gewohnt werden religiöse und politische Aspekte mit gesellschaftlichen Gepflogenheiten verbunden, um daraus Intrigen und Machtkämpfe rund um die Zeit Königs Heinrich VIII. zu kreieren. Der Umbruch in der Religion war Mitte des 16. Jahrhunderts wie ein Pulverfass, das vielen das Leben kostete. Nicht einmal der König selbst verfolge eine gerade Linie. Dieser Roman ist in der Zeit des Werbens um Catherine Parr angesiedelt, die als Witwe eines Reformers dem neuen Glauben zugewandt war. Dem gegenüber standen die mittellosen Mönche, deren Klöster vor kurzem aufgelöst wurden. Allein hier bietet sich eine Menge Potential, um einen Kriminalfall einzubetten. Der Autor überzeugt dabei durch seine durchdachte Handlungsführung und dem sachkundigen Wissen der damaligen Lebensumstände.
In diesem Band wird der Blick auch mehr auf die fiktive Figur des Anwalts gerichtet, der bisher hauptsächlich Aufträge von Thomas Cromwell annahm, um die Belange des Königs zu schützen. Nach all den politischen Fallstricken würde er sich jetzt lieber in seine Kanzlei zurückziehen. Derzeitig kümmert er sich um einen Mandanten, der im Tollhaus Bedlam eingesperrt ist. Mittels der beschriebenen Besuche bekommt der Leser einen Eindruck von den vorherrschenden Zuständen. Im Nachwort werden die Veränderungen der Behandlungsweisen unter den verschiedenen Monarchien erläutert. Das beginnende Interesse und vereinzelte Versuche an der menschlichen Psyche ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Dazu passt das medizinische Wissen, das Shardlakes Freund Guy stets einbringt. Auch die privaten Beziehungen gewinnen mehr Raum und lassen ahnen, dass es in Clifford’s Inn ein Privatleben gibt. Das junge Ehepaar Tamasin und Jack Barak hat seine eigenen Probleme, genauso wie der Sergeant mit seinen aufkeimenden Gefühlen für eine längst verloren geglaubte Herzdame kämpfen muss. Widersacher Bealknap sorgt einmal mehr für Unmut. Die Figuren wirken dadurch glaubhafter und ermöglichen etwas Entspannung auf der Suche nach dem Mörder. Wer die vorherigen drei Bände um gelesen hat, wird mühelos in die Geschichte einfinden. Geschichtsinteressierte erhalten hier eine Beschreibung der Tudorzeit, die fast an einen Augenzeugenbericht heranreicht. Von der Entwicklung des Protagonisten ist es ratsam, die chronologische Reihenfolge einzuhalten. Da die Fälle an sich aber immer abgeschlossen sind und die notwendigen Informationen bei Bedarf in den Folgebänden in die Geschichte einfließen, können die Bücher auch einzeln gelesen werden. In Pfeil der Rache gibt es ein Wiedersehen in der Chancery Lane.