Die eisblaue Spur - Yrsa Sigurdardottir

  • Dóra, Rechtsanwältin aus Reykjavík, muss diesesmal einen besonders heiklen Fall lösen: vermittelt durch ihren Lover Matthias bekommt sie den ungewöhnlichen Auftrag, die seltsamen Vorgänge in einer geologischen Erkundungsstation in Grönland zu klären: Nachdem zunächst eine Geologin verschwunden war, fehlt jetzt von zwei Arbeitern jede Spur, die restlichen Mitarbeiter weigern sich, zur Station zurückzukehren.
    In Grönland angekommen, macht ihr nicht nur der Winter zu schaffen, auch das seltsame Verhalten einiger ihrer Begleiter sorgt für eine angespannte Stimmung und die Bewohner des naheliegenden Dorfes sind alles andere als kooperativ.
    Auch auf der Station selbst scheint einiges nicht mit rechten Dingen zuzugehen: Sämtliche Fahrzeuge, Telefon und Internet sind zerstört, in den Schreibtischen der abgereisten Mitarbeiter fnden sich Teile eines Skeletts, und als auch noch eine Leiche im Kühlraum auftaucht, bequemt sich endlich die grönländische Polizei dazu, die Sache zu untersuchen
    Aber erst als eine junge Grönländerin ihr Schweigen bricht, kommt Dóra auf die richtige Fährte.


    Yrsa Sigurdardottir leifert gewöhnlich solide Krimikost ab, und auch dieses Buch ist wieder ein durchaus lesenswerter Krimi. Das mag auch an dem extremen Setting lesen: eingeschlossen in der Eiswüste ohne Kontakt zur Außenwelt, das zieht immer. Traditionell lebende Inuit liefern den nötigen Schuss Mystik, das Elend der „modernen“ Eskimos Anlass für die im skandinavischen Krimi obligatorische Sozialkritik. Das alles ist unaufgeregt, aber durchaus spannend verquickt, ein klassischer Whodunnit, dessen Auflösung zunächst überrascht, aber dennoch stimmig ist.
    Natürlich ist das alles nicht perfekt, der eine oder andere Recherchefehler hat sich da eingeschlichen, doch die gefährden zumindest nicht die Logik der Handlung. Manche Nebenszenen sind etwas stereotyp, meist wenn Alkohol im Spiel ist, da wird sehr schnell abgestürzt oder besoffen irgendwelches Unheil angerichtet. In der Geisteswelt der Inuit kenne ich mich nicht näher aus, kann also die Authentizität nicht beurteilen, wobei mir ein sehr westlicher, unter diesen Umständen eher angenehmer Blickwinkel zu dominieren scheint: Rosseau muss leider draußen bleiben, aber schließlich ist die Autorin Ingenieurin.


    Kurz, ich bin zwar nicht begeistert, aber vollkommen zufrieden mit diesem Buch, wobei das Lesevergnügen durch die ums Haus pfeifende Daisy erheblich gesteigert wurde.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Begeisterungsstürme löst das Buch bei mir nicht aus, aber es ist ganz okay zu lesen, und spannend ist es schon. Ganz interessant fand ich in erster Linie das grönländische Setting, wobei ich die Authentizität nicht beurteilen kann und es einfach mal so hinnehme.

  • Jetzt habt ihr mich von diesem Buch abgehalten.
    Ich bin ja immer auf der Suche nach nordischen Krimis, in der Hoffnung, dass mir mal einer gefällt.
    Hat bis jetzt nicht geklappt.
    Und nach euren Urteilen steiche ich diesen hier auch wieder von der Liste.
    Also suche ich weiter.

  • Ich versuche für mich immer die verschiedenen Bände einer Reihe miteinander zu vergleichen. Das sollte ich veilleicht nicht mehr machen, zumal sich meine Einschätzung nach einer Rezi durchaus auch nochmal verändern kann (so würde ich den 3. Band mittlerweile als schwächsten der Reihe ansehen, aber ich schweife ab).


    "Die eisblaue Spur" hat sich gut und flott gelesen- nur die isländischen Namen sind immer noch nicht ganz einfach, aber es gibt ja ein Personenverzeichnis zur Erleichterung.


    Das Setting fand ich spannend, ich stehe auf Romane, die in der Ant/Arktis spielen. Deshalb fand ich auch die Gedankenwelt der Inuit gut getroffen- so als interessierter Halb-Laie.


    Auf die Auflösung konnte man in allen Details wahrscheinlich aus den Fakten, die Dora herausgefunden hat, nicht kommen- der erfahrenere Krimileser hätte aber vielleicht die grobe Richtung erkennen können (im Gegensatz zu mir).


    Mir sagt Dora als Hauptfigur zu: sie ist psychisch weitgehend ausgeglichen :grin, schlägt sich mit den normalen Problemen einer alleinerziehenden Mutter rum und ermöglicht eine für mich ungewohnte Perspektive in einem Krimi (da sie Anwältin und nicht bei der Polizei ist).


    Abgesehen davon haben ihre Fälle oft einen gewissen Schuß skandinavische Mystik- wobei die Lösung bislang immer etwas greifbares und bodenständiges war.
    In "Die eisblaue Spur" überlässt die Autorin es dem Leser, ob er die Geisterwelt der Inuit für real hält oder nicht, Für die Inuit ist sie es und es beeinflusst insofern auch ihre Handlungen.


    Ich lese auf jeden Fall auch den Nachfolger "Feuernacht", der im Dezember erscheint.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Zitat

    Ich quäle mich gerade durch dieses Buch und überlege schon, ob ich es nach etwa der Hälfte abbrechen soll. Die bisherigen Bände der Reihe fand ich alle klasse, aber dieses Buch.... Grübeln


    Hallo Schneehase, so ist es mir auch gegangen, ich hab zwar durchgehalten, aber a Ende gedacht - das nächste Buch kriegt zwar noch ne Chance, aber wenn das dann nicht toll ist, dann hat die Autorin keinen Platz mehr in meinem Regal.


    Wie gut, dass der folgende Roman dann wieder spannend anfing - der wartet zwar in meiner Reisetasche auf Lesezeit - aber ich war fasziniert vom Folgeroman. Ob Du deshalb durchhalten willst - musst Du natürlich selber wissen.

    Binchen
    :write
    Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält. (William Somerset Maugham) ;-)

  • Bei diesem Krimi, mein zweiter von Yrsa, endete die Lektüre bei mir mit einem Gefühl, das ich sonst nicht kenne. Ich fand das Buch nämlich nicht besonders gut, fühle mich aber trotzdem recht gut und auf interessante Weise unterhalten.
    :wow


    Das Tempo ist gemütlich, das paßt anfänglich auch, wird aber bald schleppend und die Lektüre damit fast zäh. Die Figuren sind eigentlich nur hingestrichelt. Tatsächlich handeln sie kaum, sie reagieren vor allem. Das wiederum ist gut eingefangen, führte bei mir aber gelegentlich zu Ungeduld.
    Was die Autorin bald aus den Augen verloren hat, ist, daß ihre Gruppe aus Spezialistinnen und Spezialisten für bestimmte Fragen besteht, aber einmal in Grönland, verhalten sie sich nicht wie Profis, sondern eher wie eine Gruppe hilfloser Touristen. Was sie herausfinden, schenkt ihnen viel zu oft der Zufall.


    Mord und Mordmotiv sind gut ausgedacht, beides wird auch schön variiert. Gelungen fand ich auch die Beschreibung von Problemen, die in kleinen Gruppen, die sich in abgelegenen Gebieten aufhalten, auftreten können. Bei nicht wenigen Ereignissen aber hatte ich den Eindruck, daß sie sich früher hätten aufklären können, hätten die Hauptpersonen ihre Arbeit getan, anstatt eher orientierungslos auf der Baustelle im tiefsten Grönland herumzueiern.


    Die Einblicke in lokal herrschende kulturelle Überzeugungen waren wirklich spannend, aber letztlich zu umständlich eingebaut. Die auftretenden Inuit kamen mir insegsamt jedoch weit lebendiger vor, als die Gruppe um Dóra. Es machte den Eindruck, als sei die Energie der Autorin vornehmlich auf sie verwendet worden, so daß für die anderen Figuren kaum noch etwas blieb.
    Die Beschreibungen von Schnee und Eis, die häßliche Realität in abgelegenen Inuit-Siedlungen, wenig schöne Blicke auf die Vergangenheit Grönlands, sogar die Informationen über Bohrungen im Permafrostboden sind aufschlußreich und vor allem zur jeweiligen Situation passend präsentiert.


    Ein solider Krimi, trotzdem nicht recht gelungen, zu ausführlich, aber nicht langatmig, eher passives Personal, trotzdem aufregende Handlung. Schöne Ablenkungsmanöver, die gleichmaßen zuviel Verwirrung stiften wie echte Spannung aufbauen - der ganze Roman ist ein dauerndes Hin und Her.


    Hat mir gefallen. Eher nicht. Doch schon. Eigentlich ganz gut. Bloß manchmal nicht. Nicht langweilig, trozdem irgendwie flau. Merkwürdig. Trotzdem gute Story.
    Ja.



    :grin


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Hat mir gefallen. Eher nicht. Doch schon. Eigentlich ganz gut. Bloß manchmal nicht. Nicht langweilig, trozdem irgendwie flau. Merkwürdig. Trotzdem gute Story.
    Ja.


    :grin :grin :grin
    Welch eine "hammergeile" Bewertung...... :wave
    Klasse!

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • :lache
    Ja, eben, Jetzt wißt Ihr's. Genau so ist der Krimi.


    Warum soll ich Worte drechseln?
    'Hat ambivalente Gefühle ausgelöst', 'hat gute wie schwache Seiten'. 'Die Autorin war streckenweise nicht auf der Höhe ihrer gewohnten Schaffenskraft', pah!



    :grin



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Hat mir gefallen. Eher nicht. Doch schon. Eigentlich ganz gut. Bloß manchmal nicht. Nicht langweilig, trozdem irgendwie flau. Merkwürdig. Trotzdem gute Story.
    Ja.


    Dieser präzisen und glasklaren Einschätzung habe ich nichts hinzuzufügen :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mir hat der Band tatsächlich ganz gut gefallen, gerade wegen der großen Portion Mystik. Die Geologin fand ich reichlich nervtötend, und dass zwei Figuren beinahe gleichlautende Namen hatten, hat mich anfangs in Verwirrung gestürzt, aber davon abgesehen: ich mag die Geschichte, die behäbige Erzählweise und den Hauch Geisterwelt. Aber mir hat auch "Geisterfjord" von der Autorin sehr gut gefallen.