Am Anfang war die Nacht Musik – Alissa Walser

  • Piper, 2010, 263 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Rückseite: Wien, 1777, Franz Anton Messmer, der wohl berühmteste Arzt seiner Zeit, soll das Wunderkind Maria Theresia Paradis heilen, eine blinde Pianistin und Sängerin.
    In ihrer hochmusikalischen Sprache nimmt Alissa Walser uns mit auf eine einzigartige literarische Reise. Ein Roman von bestrickender Schönheit über Krankheit und Gesundheit, über Musik und Wissenschaft, über die fünf Sinne, über Männer und Frauen oder ganz einfach über das Mensch sein.


    Über die Autorin:
    Alissa Walser, geb. 1961, lebt und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Malerin in Frankfurt am Main. Von ihr erschienen bislang die beiden Erzählungsbände „Dies ist nicht meine ganze Geschichte“ (1996) und „Die kleinere Hälfte der Welt“ (2000).
    Für die Kurzgeschichte „Geschenkt“ wurde sie mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    In diesem Buch mit historischem Kontext in Wien 1777 steht die Sprache im Vordergrund, mit der die Geschichte des bekannten Arztes Messmer und seine Behandlungsmethode des Magnetismus, die er entwickelte, erzählt wird. Messmer soll eine blinde, sehr begabte Pianistin heilen. Eine intensive Beziehung zwischen Messmer und seiner Patientin beginnt, die mich an Stefan Zweigs Roman Ungeduld des Herzens erinnert, aber natürlich nur bei der Rolle und Gefühlswelt der weiblichen Protagonistin.
    Auch an Per Olov Enquists meisterhaften Roman „Der fünfte Winter des Magnetiseurs“ muss man denken, da hier der Stoff auch schon verarbeitet hat. Ich schicke voraus, dass ich denke, dass Alissa Walsers Roman nicht an diese genannten heranreichen wird, aber das muss er ja auch nicht.
    Auch Mozart taucht in diesem Roman kurz auf. Vom Lesegefühl sehe ich hier zu Peter Härtlings Mozart-Das ausgestellte Kind die größte Nähe, da die Sprache das Thema der Musik in einem literarischen Ansatz bearbeitet.


    Interessant ist es, welche Reaktionen Messmers Heilungsmethode bei der Gesellschaft, den Eltern der behandelten oder sogar Ärzten hervorruft.


    An Walsers Roman fehlt mir etwas, ich vermute, es ist vor allem die fehlende Nähe zu den Figuren. Durch den gewählten Erzählstil bleibt dem Leser die Gedankenwelt der Figuren über große Abschnitte verschlossen.
    Davon abgesehen überzeugt die Einbettung der historischen Bezüge in einen zeitgenössischen Roman, wie sonst nur selten in deutschen Romanen.


    „Am Anfang war die Nacht Musik“ ist vermutlich ein Roman für Leser, die Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ gut fanden. Fans historischer Unterhaltungsromane sind hier vermutlich falsch.

  • Danke für die Rezension. Ich habe in zwei Zeitschriften Rezis über das Buch gelesen, die sehr ansprechend klingen. Dir fehlte ja im Buch etwas. Jetzt bin ich hin und her gerissen. :grin
    Ich glaube, ich werde einfach mal in der Buchhandlung reinlesen und schauen, ob es was für mich ist. :wave

  • Ich bin an das Buch eher skeptisch herangegangen, zum einen weil ich nicht gerne historische Romane lese und schon garnicht historisch und medizinisch in einem Aufwasch.
    Der Roman von Alissa Walser war weder das eine noch das andere. Die Sprache stand für mich ganz eindeutig im Vordergrund und hat mich z.B. die Distanziertheit der Figuren, wie Herr Palomar das empfunden hat, garnicht spüren lassen.


    Ich fand anfangs die abgehackten, sperrigen Sätze etwas befremdlich, aber mit jeder Seite hat mich das sprachliche Können von Frau Walser mehr fasziniert.


    "Sie ist wie die meisten: nichts als gestautes Leben, das immer wieder aufs Jetzt trifft und dabei Funken schlägt".


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich finde es lesenswert.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich habe heute die Leseprobe dazu gelesen und bin noch ein bisschen im Zwiespalt.. Den Schreibstil fand ich etwas gewöhnungsbedürftig..


    Mich würden nun noch andere Meinungen interessieren..

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Ich glaube, dass ich eigentlich etwas anderes erwartet hatte. Im Grunde bin ich auch kein wirklich Fan von historischen Romanen - ich schließe mich aber Frau Willi in ihrer Einschätzung an, Alissa Walser ist auf jeden Fall ein lesenswerter Roman gelungen.
    Die Sprache empfand ich zu Beginn als ungewöhnlich und eher schwierig, sogar an manchen Stellen als sperrig. Je mehr ich gelesen habe, desto besser bin ich aber auch in diesen Stil hineingekommen.


    Über Mesmer selbst hatte ich bisher immer nur rudimentäres Wissen und fand es spannend, noch mehr über ihn und seine Magnettherapie zu lernen.


    Toll fand ich auch die immer wieder subtil angedeutete Kritik an der damaligen Rolle der Frau.


    Ein lesenswertes, interessantes Buch - aber sicherlich nicht ein typischer historischer Schmöker.

  • Ich MUSS es auf meine Wunschliste setzen, weil ich einer gewählten Ausdrucksweise nun mal nicht widerstehen kann. Zudem scheint mir auch die inhaltliche Thematik nicht uninteressant.
    Den Eulen sei Dank, dass aus meinem SUB nun bald ein RUB werden wird. ;-)

  • Ich teile den Eindruck, daß die Sprache in diesem Roman im Vordergrund steht. Zu sehr, finde ich allerdings, kann doch der inhaltliche Part bei weitem nicht mithalten - die Sprache vereinnahmt den Leser zu sehr, habe ich zumindest das Gefühl. Was die Autorin sprachlich allerdings zu bieten hat, das ist schon äußerst beeindruckend und somit war die Lektüre auch keine vertane Zeit. Und wie Herr Palomar schon so schön schrieb: die Einbettung der historischen Bezüge in diesen zeitgenössischen Roman ist sehr gelungen.


    Alissa Walser ist übrigens eine Tochter von Martin Walser, wie ich irgendwo gelesen zu haben meine. :gruebel

  • Ich habe mir ein ca. dreiminütiges Interview mit Alissa Walser bei BR-"Lesezeichen" angesehen und darüber gestaunt, wie groß der Unterschied zw. Fotos der Autorin und ihrem Auftreten im Interview war.


    http://www.br-online.de/podcast/video-download/bayerisches-fernsehen/mp3-download-podcast-lesezeichen.shtml


    Die Kurzvideos auf BR-"Lesezeichen" sind übrigens wirklich superhilfreich, um sich ratzfatz einen Ersteindruck über den Autor selbst zu verschaffen.
    Ganz tolles Service, diese Podcast-Seite :anbet