Der Rauch über Birkenau von Liana Millu

  • Kurzbeschreibung
    In den Mittelpunkt jeder der sechs Erzählungen stellt Liana Millu eine Frau. Da ist Lili, der die Eifersucht ihrer Aufseherin zum Verhängnis wird. Da ist Maria, die wider alle Vernunft ein Kind austragen will, so überzeugt ist sie, daß der Krieg bald vorbei sein wird. Da sind Bruna, die ihren Sohn im Quarantänelager entdeckt, und die Russin Zina, die ihr Leben aufs Spiel setzt, indem sie Ivan zur Flucht verhilft: Sie kennt ihn nicht, aber er ähnelt ihrem Mann, den die Nazis umgebracht haben. Wo sind die Deutschen? Es ist, als wären sie nicht da. Sie sind wie Nebenfiguren, wie Eindringlinge; wenn sie auftauchen, bringen sie Tod und Vernichtung.
    In der Genauigkeit des Blicks und einer Sprache ohne jedes Pathos hat Liana Millu die Dimension des Ausweglosen, die Unsagbarkeit des Grauens ausgelotet und den authentischen Geschichten der Frauen von Birkenau ein literarisches Denkmal gesetzt.


    Über die Autorin
    Liana Millu, geboren in Pisa, war während des Zweiten Weltkriegs im Widerstand aktiv. 1944 Festnahme bei einer Razzia in Venedig und Deportation nach Auschwitz-Birkenau. Nach der Befreiung Rückkehr nach Italien, wo sie >Il fumo di BirkenauIl ponte di Schwerin<. Sie arbeitete als Grundschullehrerin und Journalistin in Genua, wo sie heute noch lebt.



    Meine Meinung
    In sechs Geschichten wird dargestellt, wie schwer gerade Frauen es im Konzentrationslager hatten, nicht nur wegen der unmenschlichen körperlichen Schwerstarbeit. Die Ausweglosigkeit wird besonders deutlich in den Rauchwolken, die die Frauen täglich aus den Schornsteinen der Verbrennungsanlagen kommen sehen.
    In jeder Geschichte erzählt die Autorin über das Schicksal einer ihrer weiblichen Mithäftlingen bis zum bitteren Ende. Eine leise, nüchterne Registrierung der Tatsachen und gleichzeitig ein Schrei der Empörung über so viel Ungerechtigkeit.
    Mir kamen an vielen Stellen die Tränen, sodass ich kaum weiterlesen konnte. Unvorstellbar, was damals passieren konnte, dass niemand sich empörte über so viel Grausamkeit, dass es so viele Mitläufer gab.
    Berührt hat mich auch, dass die Frauen trotz ihrer Lage die Hoffnung nie aufzugeben schienen, so wie Maria, die schwanger ist, es aber verschweigt, in der Annahme, dass der Krieg wohl innerhalb der nächsten 9 Monate vorbei sein wird.


    Ein Buch, dass mich sehr berührt, beeindruckt und entsetzt hat und das ich ich jedem empfehlen möchte.

    [SIZE=7]. [/SIZE] Lg, Ann O'Nym [SIZE=7] ........................ ..............:spinne.............. .[/SIZE]

  • Ein Vorwort von Primo Levi, über zwei Seiten reichend. Jede Erzählung würdigt er, benennt auch das Ende, der Geschichte, der Frau, die die Hauptperson der Geschichte ist. Aber das spielt ja kaum eine Rolle, denn das Ende steht fest. Stand immer fest, war so gewollt, von Anfang an, für die Protagonisten, letztlich auch für den Leser.


    Dann die Texte von Liana Millu. Sechs Geschichten, sechs Einzelschicksale, und doch auch stellvertretende Personen, anhand derer das Schicksal der Opfer erzählt wird. Aber nur einer Gruppe, nämlich die der Frauen. Primo Levi weist darauf hin, dass für Frauen die Situation im KZ schlimmer war als für Männer. Viel zu gut vorstellen kann man sich das: Die Angst um Leib und Leben, nicht nur ihrer selbst, sondern auch um die Familienangehörigen und Freunde, die schwere Arbeit, einhergehend mit Hunger, Schlägen und anderen Demütigungen. Die Krematorien des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau lagen in unmittelbarer Nähe der Baracken, in denen die Frauen untergebracht waren, waren nicht zu übersehen, der Geruch überlagerte wohl sehr vieles - „Rauch über Bosheit und Unschuld, Weisheit und Narrheit, Leben und Tod“ (Seite 147) -, die Asche, all das muss das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hoffnungslosigkeit verstärkt haben.


    Sechs Geschichten, den Alltag des Vernichtungslagers beschreibend, aufzeigend, was er aus Menschen macht, wie sich manchmal seltsam anmutende Konstellationen bilden, wie sich Fraktionen, auch Gegnerschaften bilden, wie Kampf ums Überleben aussieht, wie Zeichen der Solidarität, des Mitgefühls, der Hilfsbereitschaft als Schwäche und Ausnahme sich darstellen. Verbindendes Glied der Geschichten ist – neben der Tatsache, dass die Geschichten Lagergeschichten sind – die Ich-Erzählerin, Liana, die sich selten in den Vordergrund stellt, sondern den Leser an ihren Beobachtungen, an ihrem Leben, ihren Gefühlen, ihren Gedanken teilhaben lässt, letztlich auch an ihrem Bemühen, menschlich zu bleiben. Von Frauen erzählt sie, in ihrer Schwäche und ihrem Leiden. Männern gehört selten ihr Blick, sie sind „da“, werden aber selten thematisiert und wenn, dann als die Frauen als Sexualobjekte ge- und missbrauchende Menschen, als Anwesende, denen man zuwinken kann oder als Wächter und Aufseher. Verbindendes Glied ist wohl auch die letzten Endes obsiegende Hoffnungslosigkeit, die die einige Male aufkommende Frage nach dem Gott, der solches zulässt, beinhaltet.


    Sechs Geschichten, die fast durchweg mit dem Tod der Frau enden, deren Leben und Leid sie jeweils erzählen, jener Tod, der trotzdem gefürchtet wird, vor dem man Angst hat, dem man auszuweichen sucht, auch indem man eine andere in den Blickwinkel der vernichtenden Macht rückt. Weil die Hoffnung auf ein „Nachher“ trotz allem kaum aufgebbar erscheint, weil „in zwei Wochen“, in „zwei Monaten“, „nach Weihnachten“ doch alles vorbei sei, weil man dann nach Hause könne, negierend, dass dieses Zuhause nicht mehr das ist, nicht mehr sein kann, was es vormals war, negierend auch, dass die, die zurückkehrt, nie mehr die sein kann, die ging, die gehen musste. Aber was wäre wohl aus den Frauen geworden ohne diese kleine, so unendlich winzige Hoffnung, sie, die sich von denen, die sie einmal waren, doch unterscheiden, die sich auf sich selbst besinnen, hart werden mussten, wollten sie überleben?


    Sechs Geschichten, die zu lesen mir nicht leicht gefallen ist, immer wieder ist da das Bedürfnis, tief, sehr tief Luft zu holen, auch, um die Tränen zurückzudrängen. Es ist wohl das Wissen um das Reale dieser Geschichten, das Wissen, dass nicht nur diese, sondern unendlich viele andere diese Schicksale erleiden mussten. Es ist die Sprache, die mich hineinzieht in die Schicksale, die mir keinen Raum gibt, um auszuweichen, mich zu distanzieren. Eine „würdige, zurückhaltende Sprache“ (Seite 7) nennt Primo Levi sie, und das trifft es für mich genau. Liana Millu wird nicht „laut“, obwohl sie über Schrecken und Schreckliches berichten muss, sie lässt den Frauen, obwohl verdreckt, fast in Lumpen, blutig geschlagen oder zur Verräterin werdend, ihre Würde, lässt ihr Handeln konsequent und einleuchtend erscheinen, lässt ihr Leben im Grauen und Trostlosigkeit für einen Moment aufleuchten, auch wenn dieses Leuchten allzu rasch zum Erlöschen gebracht wird.


    Sechs Geschichten, zusammen ergeben sie „Der Rauch über Birkenau“: Ein großes Buch.

  • 1947 wurden diese Geschichten aufgeschrieben. Sechs Geschichten aus dem Jahr 1944 in Lager Auschwitz- Birkenau, Frauenlager. Geschichten von kaputt gehen, Geschichten von Menschen, die nicht mehr viel menschliches an sich haben, die von Menschen wie Tiere behandelt werden und denen die Menschlichkeit abhandengekommen ist- die einzige Hoffnung die bleibt ist, dass das alles aufhört, bevor man selbst in Rauch aufgeht. Sechs Geschichten, die wehtun beim Lesen, die nicht unterhalten und entspannen, sondern die gleichzeitig schockieren und berühren.