Finn Tomson - London Calling

  • Klappentext:
    Der etwas unbedarfte Privatdetektiv Geoffrey Wigham erhält von einem Londoner Verleger den Auftrag, dessen Frau einen Abend lang zu beschatten und einen vermeintlichen Liebhaber aufzuspüren. Die scheinbar simple Verfolgung der hübschen Ehefrau verläuft allerdings anders als geplant, gerät dem Detektiv zunehmend außer Kontrolle und endet mit einem überraschenden Leichenfund.
    Dies ist nur der Auftakt zu einem tödlichen Reigen der Missverständnisse und Halbwahrheiten, der von der Londoner City ins East End und bis zur Isle of Wight führt. Drei beteiligte und betroffene Personen schildern die Ereignisse, die zwei Menschen das Leben kosten. Und sie ziehen ihre subjektiven Schlüsse aus dem Erlebten. Denn jeder sieht und hört nur, was er kann oder will. Doch es ist fraglich, ob man den eigenen Augen und Ohren stets trauen darf.


    In »London Calling« erzählt Finn Tomson einen vertrackten London-Krimi, in dem nichts ist, wie es scheint, und in dem Zufälle und Irrtümer immer wieder zu tragischen Fehlschlüssen verleiten.


    Meine Meinung:
    Eine junge Frau wird mit einem Baseballschläger erschlagen. Als Geoffrey Wigham, ein Privatdetektiv und Polizist a. D. am Tatort eintrifft, sitzt der völlig apathische Ehemann neben der Toten und hält die Mordwaffe in der Hand. Für den kurz darauf eintreffenden Chief Inspector Stanley liegt die Sache klar auf der Hand. Warum allerdings Henry Woodlawn seine Frau aus dem Leben scheiden ließ, ist aus diesem nicht herauszubekommen. Der ist nach dem Vorfall reif für die Psychiatrie. Doch nicht aus der Sicht des Polizisten der Londoner Mordkommission erfährt der Leser mehr über das Geschehen. Finn Tomson hat einen sehr interessanten Aufbau für seinen Roman gewählt. Aus der Sicht dreier an dem Vorfall beteiligter Personen schildert er die Ereignisse und die Charaktere der Akteure.
    Zunächst erzählt der Privatdetektiv Wigham, ein Ex-Cop, von einem Klienten, der ihn beauftragt, seiner Frau hinterher zu spionieren. Der Ehemann Henry Woodlawn vermutet, dass seine Frau Eleanor ihn betrügt. Vielleicht nicht der interessanteste Job, aber wenigstens was zu tun für den nicht sehr beschäftigten Schnüffler. Dass er sein Beobachtungsziel dann tot auffindet, ahnt der junge Mann noch nicht. Tomson schildert im ersten Kapitel nur die Dinge, die für eine außenstehende Person sichtbar sind, ohne dabei allerdings mehr Informationen über die beteiligten Personen preiszugeben. Anschließend berichtet die Freundin der toten Eleanor Woodlawn über ihre Erfahrungen. Durch Nelly Roberts lernt der Leser nun auch die Betroffenen und Beteiligten kennen. Man sieht den Mord in seinem Umfeld und erfährt mehr über persönliche Schicksale in einer Welt mit mehr Schein als Sein – der Verlagswelt des Henry Woodlawn. Im dritten und letzten Kapitel lässt Tomson den Freund der Freundin zu Wort kommen. Greg Stewart schreibt in seinem Tagebuch über seine Beziehung zu Nelly, die Bekanntschaft zum Ehepaar Woodlawn und über viele Kleinigkeiten, die man in den ersten Kapiteln aus anderem Blickwinkel und zum Teil unter völlig anderer Bedeutung gesehen hat.
    Das Buch ist äußerst unterhaltsam. Im ersten Kapitel lässt Tomson den Privatdetektiv die Dinge mit sehr viel Witz und einer Menge trockenen Humor erzählen. Sarkastisch, verbittert und erschüttert tritt anschließend Nelly Roberts auf. Der ernste, etwas lotterige, aber liebe Freund Greg deckt dann mit seinem Part die Missverständnisse auf. Durch diese Dreiteilung der Geschichte erreicht der Autor eine Lebhaftigkeit, aufgrund der sehr verzwickten Umstände eine gehörige Portion Ironie. Sehr fesselnd.

  • Der Titel klingt ja sehr gut (gab es nicht mal eine Band, die so hieß?) und auch die Rezi ist sehr positiv, aber bei Books on Demand bin ich immer etwas vorsichtig. Vielleicht ein Vorurteil, aber ich bin da immer etwas skeptischer, als wenn das Buch bei einem "richtigen" Verlag erschienen ist.

  • Zitat

    Original von marianna
    Der Titel klingt ja sehr gut (gab es nicht mal eine Band, die so hieß?) und auch die Rezi ist sehr positiv, aber bei Books on Demand bin ich immer etwas vorsichtig.


    Ich bin totaler London-Fan und hab das Buch von einem Freund geschenkt bekommen. Auf den Verlag hab ich gar nicht geachtet. Aber die Lektüre hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich hab den Krimi in einem Rutsch durchgelesen und bin immer noch begeistert. Und wegen der Band: Eines der Kapitel wird mit einem Song-Zitat eingeleitet: London Calling von The Clash.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    196 Seiten für 12,90 Euro :yikes Nein danke. Und die Rezi regt mich auch nicht zum Kaufen an. Sorry.


    Zudem ist es ein BoB-Buch und bei Amazon nicht mehr lieferbar. Mich spricht es auch nicht an.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    196 Seiten für 12,90 Euro :yikes Nein danke.


    Für ein BoD-Buch finde ich den Preis durchaus akzeptabel. Schließlich macht es einen Unterschied, ob jedes Buch einzeln gedruckt wird oder eine Auflage von einigen Tausend erscheint.


    Zitat

    Original von hencejoin
    Drei beteiligte und betroffene Personen schildern die Ereignisse, die zwei Menschen das Leben kosten. Und sie ziehen ihre subjektiven Schlüsse aus dem Erlebten. Denn jeder sieht und hört nur, was er kann oder will. Doch es ist fraglich, ob man den eigenen Augen und Ohren stets trauen darf.


    Die Erzählweise mit verschiedenen Ich-Erzählern und unterschiedlichen Perspektiven finde ich sehr spannend. Etwas Ähnliches (wenn auch kein Krimi) hatte ich letztens bei "A Long Way Down" von Nick Hornby. Klingt auf jeden Fall ungewöhnlich und interessant.

  • Zitat

    Original von Wiggli
    Zudem ist es ein BoB-Buch und bei Amazon nicht mehr lieferbar.


    Es ist durchaus lieferbar (hab's mir gerade bestellt), aber die Lieferzeiten sind bei BoD-Romanen halt sehr lang. Welcher Buchladen hat diese Bücher schon vorrätig? Bin gespannt auf den Krimi.

  • Zitat

    Original von win_fried


    Es ist durchaus lieferbar (hab's mir gerade bestellt), aber die Lieferzeiten sind bei BoD-Romanen halt sehr lang. Welcher Buchladen hat diese Bücher schon vorrätig? Bin gespannt auf den Krimi.


    Am 11.01., also als ich meinen oben zitieren Beitrag schrieb, war das Buch bei Amazon nicht verfügbar. Zudem bin ich bei BoB-Bücher sehr vorsichtig und verzichte lieber.

  • Heute ist das Buch angekommen. Sechs Tage Lieferzeit, geht grad noch. Ich werde meine Meinung an dieser Stelle kundtun, sobald ich mit dem Krimi durch bin.


    Zwei Tage und 196 Seiten später: Ich war sowohl neugierig als auch skeptisch (auch wegen der vielen negativen Meinungen zu BoD), aber ich muss mich der Meinung von hencejoin anschließen - dieser Krimi ist ein tolles Buch, sowohl unterhaltsam und spannend, vor allem aber sehr interessant konstruiert.


    Meine Meinung:
    Es ist Sommer und ein lustloser Londoner Privatdetektiv bekommt von einem eifersüchtigen Ehemann den Auftrag, dessen Frau zu überwachen. Keine schwere Aufgabe, wohnt die zu observierende Frau doch direkt gegenüber vom Detektiven. Der Job für den Privat-Schnüffler wird jedoch anstrengender als erwartet, zumal die zu beschattende Frau recht sportlich und schlagfertig ist. Mühsam bleibt ihr Geoffrey Wigham, der Mann für private Ermittlungen, auf den Fersen und kommt einer verstrickten Beziehungsgeschichte mit überraschenden Todesfällen auf die Spur, bei der vom schlampig-faulen Studenten bis zum erfolglosen Gruselromanautoren manch kuriose und eigenwillige Gestalt auftaucht.
    Um aber tatsächlich zu begreifen, was in dieser Geschichte passiert, lässt Autor Finn Tomson seine drei Hauptpersonen den Ablauf der Ereignisse jeweils aus ihrer Perspektive erzählen. Entstanden ist so ein in drei Büchern gegliederter Roman. Manche Szene wird doppelt oder dreifach erzählt und den Lesern bleibt es überlassen, sich einen Reim aus den nicht selten widerstreitenden Schilderungen zu machen.
    Das ist spannend und überraschend, denn wenn der vermeintliche Bösewicht selbst erzählen darf, gerät so manches Menschenbild ins Wanken. Und doch hat der Interpretationsspielraum seine Grenzen, denn es bleibt eine Frage, deren Antwort die Wahrheit sein sollte: Wer ist der Mörder? Wieso wurde er oder sie zum Mörder? Und wird er oder sie jemals gefasst?
    Ein interessantes Spiel mit Schein und Sein, mit Wahrheit und Irrtum. Sehr ungewöhnlich und beeindruckend.

  • Zitat

    Original von win_fried
    Ein interessantes Spiel mit Schein und Sein, mit Wahrheit und Irrtum. Sehr ungewöhnlich und beeindruckend.


    Das klingt nicht schlecht, vielleicht sollte ich meine BoD-Skepsis doch überwinden. Schön finde ich auch das Zitat in der Leseprobe: "No one's gonna save your life. Something strange is going on tonight."

  • Nach anfänglichem Zögern und einer Menge Skepsis habe ich das Buch gelesen (London ist einfach zu verlockend), und ich kann die Meinung von Winfried nur teilen. "London Calling" ist eine echte Überraschung und überrascht vor allem die LeserInnen immer wieder. Die Konstruktion des Romans ist eigenwillig, aber sehr interessant, und auch der Erzählstil der drei Ich-Erzähler ist klasse (nur der flapsige Privatdetektiv war nicht so ganz nach meinem Geschmack). Und ich hab sogar noch was über London gelernt: Ich dachte immer "Little Britain" wäre eine englische Comedy-Serie, jetzt weiß ich, dass auch eine Straße in der Londoner City so heißt. Ist die Serie eigentlich nach der Straße benannt?
    Das Buch kann ich auf jeden Fall empfehlen. Mal was ganz anderes ...

  • Das Buch wurde bei Amazon mit zweimal mit jeweils 5 Punkten bewertet. Da wundert man sich schon. Wenn man den Amazon-Rezis und den Rezis bei den Büchereulen traut, dann fragt man sich schon, wieso ein solch offenbar grandioser Krimi keinen Verlag gefunden hat. Alle die dieses Buch gelesen haben waren hell auf begeistert - wieso denn nicht auch irgendwelche Lektoren; es sei denn, das Buch wurde gar keinem Verlag mit Lektor vorgelegt.


    Trotz der teilweise fast schon überschwappenden Begeisterung erlaube ich mir trotzdem weiterhin gegenüber BoD-Werken äußerst skeptisch zu sein.


    Dieses Buch wird mit großer Wahrscheinlichkeit in mir keinen Leser finden. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Das Buch wurde bei Amazon mit zweimal mit jeweils 5 Punkten bewertet. Da wundert man sich schon.


    Das mit den Amazon-Kritiken muss nicht unbedingt was heißen, in großen Verlagen sind die Praktikanten dazu da, Kundenrezensionen zu schreiben, und jeder Autor hat schließlich Freunde und Verwandte :-). Aber bei diesem Buch kann ich den Kritiken nur zustimmen, es lohnt sich.


    Zitat

    Original von Voltaire
    dann fragt man sich schon, wieso ein solch offenbar grandioser Krimi keinen Verlag gefunden hat. Alle die dieses Buch gelesen haben waren hell auf begeistert - wieso denn nicht auch irgendwelche Lektoren


    Vielleicht weil er in keine Schublade passt? Auch ich hatte Schwierigkeiten, den Roman nach dem Lesen einzuordnen. Es gibt keine Ermittler (der Privatdetektiv ist ein Stümper), und die Mörder werden nicht einmal belangt (ja, auch die Mörder sind in gewisser Weise Stümper). Ich glaube, dass der Krimi keinen Verlag gefunden hat, weil er zu speziell und abseitig ist.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Es hilft alles nichts, ich werde das Buch nicht kaufen ;-)


    :write Mich kann man auch nicht überzeugen. Voltaires Posting kann ich mich auch nur anschließen, dasselbe habe ich mich auch schon gefragt.

  • :gruebel Was mich nur irritiert ist die Bewertung bei den Büchereulen:


    7.42 Punkte bei 7 Stimmen, obwohl doch nur drei Leser eine Rezension geschrieben haben. Gerade bei einem BoD Buch, auf welche sowieso oft [SIZE=7](berechtigt ;-))[/SIZE] mit Zweifeln reagiert wird, wäre es doch schön gewesen, wenn diese Büchereulen auch ihre Meinung kundgetan hätten :-).

  • Ich hab das Buch noch nicht gelesen, aber interessant finde ich die Leseprobe bei Amazon, vor allem die Rückseite des Buches. Dort werden Rezensionen aus der "Welt am Sonntag" und der "Rheinischen Post" zitiert. Entweder sind die erfunden, oder das Buch ist schon mal woanders erschienen. Vielleicht unter einem anderen Titel? Oder unter einem Pseudonym?

  • Zitat

    Original von SubstantiaNigra
    Vielleicht möchte auch einfach eine der drei Büchereulen, die das Buch ja jetzt besitzen, ein Wanderbuch starten.


    Sorry, aber mein Exemplar ist bereits auf Wanderschaft. Allerdings im Freundeskreis ;-)