Inhalt
Im Kapstadt der späten 50er und frühen 60er Jahre fühlt sich der Mathematikstudent John zunehmend unwohl: er will raus aus dem Südafrika der Apartheid, Dichter werden und eine Frau kennen lernen, die seine Leidenschaft weckt. Er wandert nach London aus, mit dem Ziel, seine Verbindungen zu seinem Heimatland möglichst abzubrechen und ein neues Leben zu beginnen. Seine Arbeit als Programmierer bei IBM kostet ihn jedoch Zeit und Kraft und seine Affären erfüllen ihn nicht. Nebenbei versucht er zu schreiben - Gedichte, Prosa, eine Magisterarbeit über Ford Madox Ford. Er liest viel, kennt die Buchläden in London besser als die Touristenattraktionen - doch menschliche Kontakte und Freundschaften fehlen ihm, er fühlt sich zunehmend einsam und kann keine neue Heimat in London finden.
Meinung
Der - in wie hohem Maß, weiß ich nicht genau - autobiographische Roman von J.M.Coetzee schildert meiner Meinung nach sehr authentisch die Lebenssituation eines jungen Mannes, der mehr will - mehr als ein durchschnittlicher Student sein, mehr als ein aus seiner Sicht durchschnittliches Leben führen. Er will etwas Großes schaffen, notfalls auch zu dem Preis, unglücklich zu sein. Seine Vorstellungen von dem unglücklichen, dafür aber genialen Dichter, der er gerne wäre, muten teilweise recht naiv an und überhaupt ist er in seinem Verhalten und Denken häufig recht unreif. Er scheint häufig auf etwas zu warten - ein Ereignis oder eine Frau, die ihn aus seiner momentanen Situation herausholt, ihn einen neuen besseren Menschen und einen größeren Dichter werden lässt.
Vor allem aber sucht er nach sich selbst, versucht eine klare Richtung für sich zu finden - und steckt dabei einige Rückschläge ein. Er grübelt unheimlich viel, vor allem über Autoren, die er gut oder schlecht findet. Überraschend war für mich, dass ich diese Grübeleien sehr gerne gelesen habe, obwohl ich etliche von den Autoren nur vom Namen her kenne. Vielleicht deswegen, weil ich die Art und Weise, wie er über sie nachdenkt, kenne - mit Hinblick darauf, was er an diesen Autoren schätzt, welche er als Vorbild für sich selbst sieht.
In Johns Sehnsucht nach etwas Großem, seiner häufigen Unzufriedenheit und Einsamkeit und auch in dem Wunsch danach, unabhängig sein zu können konnte ich mich recht häufig wieder finden. Daher hat mir das Buch trotz eines relativ handlungsarmen Plots gut gefallen.
Nach "Schande" und "Warten auf die Barbaren" war das mein dritter Roman von Coetzee. Er war auf jeden Fall anders. Es gab weniger schockierende Ereignisse (wie zum Beispiel das Schlüsselereignis in "Schande" oder diverse grausame Szenen in "Warten auf die Barbaren"). Dafür mehr Nachdenken des Progatagonisten über sein Leben, sein Schreiben etc. Der Stil war weniger distanziert und weniger wertfrei. Gerade diesen distanzierten Stil schätze ich aber sehr, weswegen mir "Die jungen Jahre" nicht ganz so gut gefallen hat wie die beiden anderen Bücher.