"Winter Ghosts", das neuste Buch von Kate Mosse, basiert auf einer Kurzgeschichte von ihr, die in Großbritannien unter dem Titel „The Cave“ als Quick Read veröffentlicht wurde. Auch in dieser Erzählung kehrt sie zurück nach Südfrankreich, allerdings in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, und erzählt eine berührende Geschichte über Liebe, Bindungen und Verlust.
Das Buch fiel mir durch die vermeintlich schlichte Aufmachung ins Auge und die 272 mit großer Schrift bedruckten Seiten waren allzu schnell gelesen. Die wundervollen an Holzschnitte erinnernden Illustrationen von Brian Gallagher passen perfekt zur Atmosphäre des Buchs und zu der Zeit, in der es spielt. Düster, geheimnisvoll und ein wenig altertümlich. Eine davon ist hier auf der vierten Seite zu sehen.
Der Erzähler Freddie Watson ist ein zurückgezogen lebender Mensch, der nie über den Tod seines Bruders George hinwegkam, der im ersten Weltkrieg in einem Schützengraben starb. Als das Telegramm mit der Nachricht „Missing Presumed Dead“ kommt ist er gerade 15 und wird von seinen Eltern mit seiner Trauer völlig allein gelassen.
Im Dezember 1928 ist er mit dem Auto in den Pyrenäen unterwegs, wird er auf einer abgelegenen Straße von einem Schneesturm überrascht und fährt gegen Gesteinsbrocken. In der verlassenen Landschaft hört er eine Stimme sagen „The others have slipped away into darkness“ (Die anderen sind in die Dunkelheit entschwunden.“), kann aber niemand sehen. Freddie ist gezwungen, in dem einsamen Dorf Nulle inmitten der Berge zu übernachten. Gestrandet an einem Ort, der im Winter völlig von der Außenwelt abschnitten ist, auch vom Strom- und Telefonnetz. An jenem Abend findet in Nulle traditionell seit dem 14. Jahrhundert die Feier von St. Etienne statt und die gesamte Dorfgemeinschaft versammelt sich in altertümlichen Kostümen. Freddie wird von der Vermieterin zu der Feier eingeladen.
In einer Zeit, in der die meisten Menschen die (jüngste) Vergangenheit vergessen möchten, werden hier in Nulle zu Freddies Erstaunen alte Traditionen gepflegt und zwischen den Zeilen ist die Liebe und Leidenschaft spürbar, die der Erzähler für diesen Ort und die Erinnerungen daran empfindet.
„Winter Ghosts“ besitzt einen ganz eigenen, verzaubernden Charme, durch die Hauptfigur und das altertümliche Dorf Nulle inmitten der tobenden Naturgewalten mit seinen leicht skurril wirkenden Bewohnern. Es erzählt zwei sehr persönliche Geschichten der Erinnerung und des Verlusts, von Liebe, die auch den Tod überdauert, sowie von den Gefühlen und Gedanken der Überlebenden. Freddie fühlt sich schuldig, dass der geliebte große Bruder starb, während er selbst weiterlebt. Man wünscht ihm sehnlich, dass er die Geister der Vergangenheit ruhen lassen kann und so auch selbst zur Ruhe kommt. Das Titelbild, sowie das vorangestellte okzitanische Lied und der Titel „Winter Geister“ passen perfekt zur Handlung.
Die Handlung ist für Vielleser vielleicht ein wenig vorhersehbar, aber das tat meinem Lesevergnügen keinen Abbruch. Flüssig geschrieben, war es innerhalb weniger Stunden gelesen und es kamen keinerlei Längen auf.
Fazit: Ein wundervolles Buch, poetisch geschrieben, das eine längst vergangene Zeit zum Leben erweckt und durch die Illustrationen noch zusätzlich an Atmosphäre gewinnt.
Edit: ISBN zur dt. Ausgabe eingefügt, deren Titelbild perfekt zum Inhalt passt und die auch den gleichen (ebenfalls passenden) Titel trägt wie die englische Fassung.
Edit 2: Dt. Titel oben eingefügt