Herr Blanc - Roman Graf

  • Limmat Verlag, August 2009
    Gebundene Ausgabe, 240 Seiten


    Kurzbeschreibung
    Der sehr zurückhaltend lebende Anton Blanc, der pünktlich zur Arbeit erscheint, bis ins mittlere Alter alleine lebt und sich regelmässig bei seiner Mutter zum Essen einfindet, hält es für normal, das Leben von sich fernzuhalten und seine Überzeugungen nur in Gedanken zu formulieren.
    Sich gegen alles vorzusehen, gelingt ihm bestens. Wenn nur diese Erinnerung nicht wäre: Heike. Mit ihr in Cambridge war das Leben fast ein wenig gefährlich. Doch das ist vorbei, wenn auch nicht vergessen und Herr Blanc mit Vreni verheiratet.
    Als sich Herr Blanc gegen Ende des Romans in seiner Alterswohnung auf den (letzten?) Gang zum Abstimmungslokal und zum Friedhof vorbereitet, legt er eine beeindruckende Radikalität an den Tag.
    Mit grossem Können gelingt Roman Graf dieses Psychogramm eines Sonderlings aus der gemässigten Zone des Wohlstands, der uns mit all seinem Versagen vor dem Leben ans Herz wächst.


    Über den Autor
    Roman Graf, 1978 in Winterthur geboren. Nach einer Lehre als Forstwart und der Tätigkeit als Behinderten-betreuer studierte er Publizistik an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich und absolvierte das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig, das er mit dem Diplom abschloss. 2007 Artist in Residence in der Villa Decius, Krakau, Aufenthaltsstipendium im Edith-Stein-Haus, Breslau. Verschiedene Publikationen in Literaturzeitschriften und Anthologien. Roman Graf lebt als Autor in Winterthur und Leipzig.


    Meine Meinung
    Roman Graf erzählt in Zeitsprüngen Episoden aus dem Leben des eigenbrötlerischen Herrn Anton Blanc.
    Das erste Mal trifft der Leser Herrn Blanc, als dieser, im Alter von Mitte Vierzig, nach zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit wegen Umstrukturierungen eine Kündigung erhält.
    Herr Blanc lebt allein in einer kleinen Wohnung und geht seit zwanzig Jahren Montags und Freitags zu seiner Mutter zum Abendessen, die für ihn immer seine gleichen Lieblingsessen kocht.
    Seit seinem Studium im Cambridge hat Herr Blanc die Schweiz nicht mehr verlassen. Sein verstorbener (verschwundener?) Vater hat bei seiner Geburt ein Sparkonto eingerichtet, um seinem Sohn ein Aufbaustudium in Cambridge zu ermöglichen. Auch nach Cambridge geht Herr Blanc nur widerwillig.
    Dort lernt er die charmante deutsche Studentin Heike kennen, die sich in ihn verliebt. Herr Blanc verlässt sie jedoch nach Ende seines Studiums, denn er will unbedingt in seine Heimatstadt in der Schweiz und zu seiner Mutter zurück.
    Erst Jahrzehnte später, seine Mutter ist inzwischen gestorben und Herr Blanc ist mit der Witwe Vreni eine späte Vernunftehe eingegangen, bemerkt er, dass er damals nicht nur seine große Liebe verließ, sondern auch die einzige Zeit seines Lebens verschenkte, in der er sich glücklich, frei und spontan fühlte.
    Nun geht Herr Blanc auf die Sechzig zu und lebt in seinen Erinnerungen an der Seite einer unglücklichen, immer noch um ihren ersten Ehemann trauernden Frau, die ihm gegenüber passiv, nachgiebig und überangepasst ist. Eine öde Zweckbeziehung, um sich vor der Einsamkeit des Alters zu bewahren.


    Kurz vor seiner Pensionierung erfährt Herr Blanc, dass Heike einige Monate zuvor gestorben ist. Dies verändert einiges, denn Herr Blanc reist nach Krakau zum Grab Heikes und zu einer entfernten Verwandten, die ein kleines Erbe Heikes für ihn hat.


    Roman Graf erzählt konsequent aus der Perspektive Herrn Blancs. Dies bedingt eine gewisse Monotonie, vor allem im ersten Teil. Der Schreibstil ist nüchtern, trocken, humorlos. Aber die Gedanken Herrn Blancs, die den Großteil des Buches ausmachen, sind in ihrem Starrsinn so abstrus, dass es teilweise doch humorig zu lesen ist. Dabei vermeidet es der Autor Herrn Blanc durch bewusste Übertreibungen bloß zu stellen. In sorgfältig formulierten Sätzen erzählt Roman Graf eine schwerfällige Charakterstudie eines misslungenen Lebens. Mutlos, eintönig, banal, kleinkariert, ohne Affekte, geprägt von Ängsten und immer gleichen Befindlichkeitsstörungen sind Herrn Blancs Gedanken. Er meidet Entscheidungen, Möglichkeiten engen ihn ein. Dafür fühlt er sich durch seine Gewohnheiten beschützt.


    Im letzten Kapitel trifft der Leser den neunzig-jährigen Herrn Blanc, der im Alter zu einer neuen selbstironischen Heiterkeit und Gelassenheit gefunden hat: „Das Leben war, zumindest am Schluss, ganz einfach.“


    7/10 Punkten

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt