Macht eine Sexszene im historischen Roman ein erotisches Buch daraus?

  • Angeregt durch diesen Thread (und die Leseprobe) ist das Buch gleich auf meine Wunschliste gewandert. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wieso mir das Buch bisher entgangen ist. :gruebel
    Mich interessiert dabei am meisten das Setting- da die Liebesgeschichte für mich eigentlich immer nur Dreingabe ist, ist es mir wurscht, ob es sich dabei um zwei Frauen handelt oder ein heterosexuelles Paar.


    Zitat

    Original von Tereza:
    Falls die Publikumsverlage mir nun mitteilen, dass ich doch lieber weiter europäisches Mittelalter machen soll, weil koloniales China nicht zieht, dann wäre ich not amused. Ich habe schon etliche Bücher zum Thema gewälzt und 150 Seiten getippt.


    Da wäre ich auch not amused, denn das hört sich wirklich interessant an. :-] Ich bin aber wahrscheinlich der eher untypische Leser von historischen Romanen, denn ich lese nur in Ausnahmefällen Bücher, die im Mittelalter spielen. Diese Zeit ist mir einfach zu "ausgelutscht"- ich ziehe das 19. Jahrhundert vor. Und Gottseidank gibt es immer mehr Verlage, die ihre Scheuklappen abziehen und auch Bücher abseits des Mittelalters veröffentlichen.

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Liebe Tereza,
    na, und wie mich das Buch interessiert. Wird aus harimaus Klauen direkt in meine wandern.
    Was das Thema "China" anbelangt: harimau meinte gerade (und ich schließe mich der Meinung an), dass die Verlage durchaus an dem Thema interessiert sind, sich die breite Leserschaft aber noch ein wenig ziert. Ich habe jedenfalls durchaus Hoffnung, dass sich das ändern wird. Also, schreib bloß weiter, hier in Hamburg hast du jedenfalls schon zwei potenzielle Leser hocken :-]
    Ich persönlich finde die Kolonialzeit wegen der Ost-West-Verknüpfungen äußerst spannend – immerhin liegen in dieser Zeit die meisten jener Hunde begraben, deren Geister die heutigen politischen Verflechtungen heimsuchen.


    Ganz liebe Grüße von Steffi, die gerade ebenfalls in der Kolonialzeit unterwegs ist, allerdings in Malaysia und Indonesien :grin

  • Eine interessante Frage.


    Ich denke, Erotik nimmt jeder sehr unterschiedlich wahr. Entsprechend ist die Erwartungshaltung und die persönliche Einstellung dazu, besonders was Bücher angeht.
    So freuen sich die einen an der vergleichsweise harmlosen Bis(s)-Erotik und die anderen werden mit Berling & Co. glücklich.


    Ein rein erotisches Buch qualifiziert sich für mich dadurch, dass diese Thematik allein im Vordergrund steht. So ähnlich wie bei Musikfilmen, wo es in erster Linie darum geht, die einzelnen "Nummern" (sic!) abzuspulen und eine wie auch immer geartete Handlung den einzigen Zweck erfüllt, eine Verbindung oder Rechtfertigung dafür herzustellen.
    Jede Geschichte, die wenigstens eine sexuelle Beziehung enthält - auch wenn diese nur am Rande behandelt oder nicht ausführlich beschrieben wird - hat damit auch einen erotischen Aspekt.
    Um die Eingangsfrage zu beantworten, würde ich daher sagen: maßgeblich ist das "wieviel" und nicht das "was".


    Die Einbindung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung macht ein Buch nicht automatisch zum Erotikroman, aber da es auch heute noch viele Menschen gibt, die damit ihre Schwierigkeiten haben, wird das Sujet gerne mit der Zange angefasst. Und da Homosexualität trotz aller Offenheit nach wie vor nur eine Minderheit betrifft, ist diese Thematik eben auch in Büchern eher ein Exot.


    Was mich aber definitiv schockiert, sind abgeschmackte und stilistisch schlechte Erotik-, Bett-, Sexszenen, egal in welchem Buchgenre.


    Die Verwendung von Erotikszenen, ganz egal in welcher Konstellation (Magd mit Knecht, Knecht mit Knecht, Magd mit Magd, Graf mit Magd, Graf mit Knecht....) stört mich in historischen Romanen jedenfalls nicht und macht sie für mich auch nicht zu Erotikbüchern, wenn darüber hinaus noch etwas anderes im Vordergrund steht.
    Ich finde vielmehr, dass sich gerade in diesem Genre viele Möglichkeiten des Umgangs mit Sexualität und Erotik anbieten, da die Einstellung der Gesellschaft dazu so vielfältig war und die Menschen eben noch nicht den freien/sorglosen Zugang dazu hatten, wie das heute der Fall ist.


    Allerdings: Nackenbeißer zählen für mich nicht zu den historischen Romanen. Das ist eher Liebe/Erotik in pseudo-historischer Verpackung. Aber das ist ein anderes Thema...

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Hallo Tereza,


    ich reihe mich gleich mal als potentielle Leserin Deines "Chinaromans" an. Ich lese ja eher selten historische Romane und wenn, dann müssen sie irgendwie "anders" sein.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Zitat

    Original von Alice Thierry


    Die Einbindung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung macht ein Buch nicht automatisch zum Erotikroman, aber da es auch heute noch viele Menschen gibt, die damit ihre Schwierigkeiten haben, wird das Sujet gerne mit der Zange angefasst. Und da Homosexualität trotz aller Offenheit nach wie vor nur eine Minderheit betrifft, ist diese Thematik eben auch in Büchern eher ein Exot.


    Liebe Alice,


    da stimme ich dir zu, und auch in allen deinen Aussagen zur Erotikliteratur. Das Problem hier war, dass das Buch nicht einfach unter "Frau liebt Frau" stand, denn da hätte es ja durchaus hingepasst, sondern unter Erotikroman. Da passt es nämlich nicht hin.


    Aber mir fällt in dem Zusammenhang ein, dass ich eine ähnliche Erfahrung schon mit meinem Erstling Schwarze Seide gemacht habe. Ich entdeckte, wie der Roman in einem Ebay-Shop angepriesen wurde: die heiße Leidenschaft der glutäugigen schwarzen Sklavin Sadie und einer wunderschönen russischen Gräfin.
    Okay, es geht um eine Russin aristokratischer Abstammung und ein schwarzes Mädchen, das zunächst Sklavin ist. Sie verlieben sich ineinander. Nur habe ich Sadie niemals als "glutäugig" beschrieben. Aua! :grin


    Mir schien, das Buch wurde dem falschen Publikum angeboten, nämlich Leuten, die lesen wollen, wie sich zwei schöne Frauen zusammen auf dem Bettlaken wälzen. Ich habe nichts gegen diese Leute und auch nicht gegen derartige Bücher. Aber wenn jemand das Buch mit dieser Erwartung kaufte, wurde er (oder sie) enttäuscht. In diesem Roman gibt es keine einzige detailliert beschriebene Sexszene. ;-)
    Dadurch werden Leser enttäuscht. Und solche, die vielleicht gern einen Roman gelesen hätten, der sich mit den Fragen der Sklaverei und den Rechten der Frau im 18. Jahrhundert auseinandersetzt, abgeschreckt.
    Falsches Marketing, würde ich sagen.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Zitat

    Original von Tereza
    Dass China nicht besonders zieht ist allerdings wieder bedenklich. Ich sitze nämlich gerade an einem weiteren Projekt, einem etwas "konventionelleren" historischen Roman (auch für Leute wie Bouquineur geeignet ;-)), der im China des 19. Jahrhunderts spielt.


    Leute wie ich...


    Bevor mir hier irgendein Stempel aufgedrückt wird, möchte ich noch mal betonen, dass ich kein Problem mit gleichgeschlechtlicher Liebe habe.


    Mich interessiert das Thema einfach in literarischer Hinsicht nicht. Ich bin generell kein Freund von Liebesromanen und mache in der Regel einen großen Bogen um dieses Genre.



  • Ich wollte dir wirklich keinen Stempel aufdrücken. Aber du hast wortwörtlich gemeint, dass dich gleichgeschlechtliche Liebe in Romanen nicht interessiert. Daran finde ich nichts Schlimmes, es war eine ehrliche Aussage.


    Chinatown enthält eine Liebesgeschichte. Das tun fast alle mir bekannten historischen Romane. Es geht aber auch um historische Entwicklungen zu dieser Zeit. Wie in vielen historischen Romanen.


    Aber ich habe kein Problem damit, dass sich jemand nicht für diese Zeit oder das Buch interessiert. Ich wollte auch niemanden angreifen.


    Viele Grüße


    Tereza


  • Genau, Leute wie du, die auf Bücherstapeln hocken und wie Katzen aussehen... :rofl *packt schnell den Stempel ein und versteckt ihn, weil er es besser weiß*


    Entschuldige bitte, Bouquineur, aber ich habe mich gerade vor Lachen nicht wieder eingekriegt. :chen

  • Zitat

    Original von Idgie
    Wenn eine Sexszene ausreicht, das Buch in die Ecke erotische Literatur zu stellen, dann frage ich mich glatt, wo denn dann z. B. Ken Follett oder die Gabbaldon-Bücher gelandet wären. :wow Unter die Ladentheke?


    Und die Wanderhure ? Wohl nur unter vorgehaltener Hand unter Vorlage des Ausweises, ob der Leser volljährig ist?

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein