Gekürzte Bücher

  • Nach den ganzen, durchaus stimmigen Argumenten, gegen das Kürzen von Büchern, möchte ich doch auch einmal etwas für das Kürzen von Büchern schreiben.


    In meiner Jugend habe ich etliche Readers Digest Bücher gelesen (weil in der Gemeindbücherei vorhanden) und ich habe die gekürzten Fassungen gerne gelesen. Für mich waren sie eine Art Einstieg in die "erwachsene Belletristikliteratur". Wenn ich mich recht erinnere, habe ich meinen ersten Ken Follett (heute einer meiner Lieblingsautoren) gekürzt gelesen, und kam dann auf die "Normalausgaben". Wahrscheinlich hätte ich den Großteil dieser damals gelesenen gekürzten Bücher heute in Originallänge immer noch nicht gelesen. Sicher fehlt in einem gekürzten Buch ein großer Teil der Intention des Autors, doch zumindest eine Ahnung des Schreibstils und vor allem der Geschichte bekommt man auch bei den gekürzten Fassungen. Für mich waren damals die gekürzten Fassungen in dem Moment das Richtige.


    Was ich dabei ganz wichtig finde, hat Joan schon formuliert:


    Zitat

    Original von Joan
    Wichtig ist einfach, dass die Schüler wissen, dass sie eine gekürzte Ausgabe lesen.


    Und nicht nur Schüler, sondern auch alle Buchkäufer, die eine gekürzte Ausgabe erwerben. Für mich gehört diese Angabe eigentlich selbstverständlich auf das Cover, dann könnte jeder wirklich selbst entscheiden, ob es die gekürzte oder ungekürzte Fassung sein soll!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Ich hab die Bücher als Teenager mal als Urlaubslektüre für mich entdeckt - ausgeborgt von der Pensionswirtin, weil ich nicht genügend Lesestoff mit hatte. Das ist locker 35 Jahre her, aber mir ist mein erster Band noch im Gedächtnis. Ich hab ihn im "historischen" Regal des Verlags auch prompt wiedererkannt und gequiekt: "Da isses - mein allererstes Auswahlbuch!" Irgendwie war's auch für mich der Übergang von der Jugend- zur richtigen Erwachsenenlektüre.


    Auf dem "Umweg" über die gekürzten Fassungen habe ich in den vergangenen 20 Jahren schon einige Autoren für mich entdeckt - und solche, deren Werk ich künftig nicht mit der Feuerzange anfassen werde. Aber, wie gesagt, ich beschäftige mich beruflich damit. Zur kaufenden Zielgruppe würde ich mich auch nicht zählen.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Nachtrag: Mir hat mal jemand meine englischsprachigen gekürzten Roman-Ausgaben abgeschwatzt ... als Lektüre, zum Auffrischen der Fremdsprachenkenntnisse. An den Langversionen der Romane wäre der Mensch vermutlich verzweifelt, aber die gekürzten hat er gepackt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich bin auch an eine Jugendversion von Moby Dick geraten. Eben für Kinder und Jugendliche auf die wesentliche Handlung zusammengekürzt. Und das ist mir auch erst so in der Mitte aufgefallen. Ich hätte er schon gerne vorher gewusst.


    Eines der Auswahlbücher, die ich gelesen habe, ist "Ein gutes Jahr" von Peter Mayle. Gabs vor kurzem auch erst als Film mit Russel Crowe.
    Ich habe da mal versucht drauf zu achten ob man nicht solche "Schnittstellen" bemerkt.
    Bewusst sind sie mir nicht aufgefallen, da ich ja das Original nicht kenne, aber mich verfolgte oft das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich dachte mir ständig "da muss doch noch etwas gewesen sein!"

  • Die Bücher, die wir früher in der Schule gelesen haben, waren alle gekürzt. Zum GLück, möchte ich sagen, ansonsten hätt ich das nicht überstanden. Allerdings stand das, was "rausgeschnitten" wurde, zusammengefasst noch drin.
    Ansonsten halte ich von gekürzten Bücher gar nichts. Entweder komplett oder gar nicht. Zumindest, wenn ich das Buch freiwillig lese ;-)

  • Von gekürzten Büchern halte ich allgemein nichts.


    Genauso wenig wie von verlängerten. Dazu fällt mir im Moment nur Anne Golons "Angélique" ein, die ihre Romanreihe derzeit noch einmal als "Author's Edition" auf den Markt bringt und die einzelnen Bände mit zusätzlichen, teilweise ursprünglich vom Verlag herausgenommenen Szenen streckt.


    Es mag vielleicht Bücher geben, aus denen zu Unrecht oder zum Nachteil des Buches Szenen entfernt wurden, aber ein gutes Buch mit zusätzlichen Szenen oder Ausschmückungen zu überfrachten, dürfte - sofern das durch den Autor geschieht - selten zu einem besseren Ergebnis führen. Der Autor hat zu seinem Werk einfach nicht genügend Abstand.


    Eine Kürzung von Büchern wäre gleichermaßen nur dann zu entschuldigen, wenn es sich ohnehin um ein mittelmäßiges Werk mit Längen handelt, das durch diese Maßnahme gewinnt.
    Da aber in den meisten Fälle Klassiker und Weltliteratur gerne gekürzt werden, bleibe ich beim Veto.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Ich mag das auch nicht. Die einzigen beiden Bücher die ich gekürzt habe sind zwei Nesthäckchen Sammelbände die ich von meiner Oma geschenkt bekam, diese würde ich auch niemals hergeben. Aber das ist halt ein Kinderbuch, da hat mich das nicht gestört.


    Aber heute geht so was gar nicht.

  • Ich bekomme von meiner Oma auch immer die ReadersDigest Bücher. Ich habe noch keins gelesen, weil ich mir denke, vielleicht will ich ja noch das "ganze" Buch lesen, und da ist es ja doof wenn man Anfang und Ende schon kennt und nur Teile aus dem Mittelstück nicht.
    Ich trau mich einfach nicht ran, obwohl ich es schade finde, dass die Bücher nur so rumstehen...

  • Ich hab auch sehr viele Readers Digest Bücher, allerdings der neueren Generation (ca. ab 2000). Darin sind ja viele aktuelle Bücher. Mich stört es nicht, dass langatmige Stellen gekürzt sind und somit das Buch eine "Kurzfassung" ist.


    Im Gegenteil. Ich habe so schon viele Bücher kennengelernt, die ich vom Titel alleine wohl nie gekauft hätte oder gar zur Hand genommen hätte. Bei einigen habe ich später die "Vollversion" auch gelesen und konnte keinen großen Storyunterschied feststellen. :)