Michael Rosentritt: Sebastian Deisler - Zurück ins Leben

  • Michael Rosentritt


    Sebastian Deisler - Zurück ins Leben: Die Geschichte eines Fußballspielers


    Edel-Verlag


    246 S.


    Über den Autor


    Michael Rosentritt, geboren 1965, arbeitet seit 1995 beim Tagesspiegel. Vorrangig widmet er sich Themen rund um den Fußball. Seit 1992 begleitet er die deutsche Fußballnationalmannschaft. Der Journalist ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Berlin.



    Kurzbeschreibung


    Die Geschichte Sebastian Deislers ist die eines jungen Mannes, der als fußballerisches Jahrhundert-Talent gilt, mit 21 Jahren Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wird und dessen Ja-Wort dem FC Bayern München ein Handgeld von 20 Millionen D-Mark wert ist.


    Aber es ist auch die Geschichte eines unfertigen Burschen aus dem südlichsten Rand der Republik, der von den Medien und dem Fußball zum Heilsbringer stilisiert wird, von dem die Öffentlichkeit Besitz ergreift, der von ihr vereinnahmt wird, der zahlreiche körperliche und seelische Verletzungen erleidet und sich immer weiter zurückzieht.
    Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag steigt er aus entkräftet, entnervt, gebrochen. Dann verschwindet er von der Bildfläche. Für die Öffentlichkeit kommt diese Entwicklung nicht ganz überraschend. Es war ein langsamer Tod einer Medienfigur, und wir alle haben diesem Verschwinden über Jahre zugesehen.


    In zahlreichen Gesprächen hat Deisler sich in den zwei Jahren nach seinem Rücktritt dem Journalisten Michael Rosentritt anvertraut. Entstanden ist daraus ein Buch über Begeisterung und Liebe zum Fußball, aber auch über Ängste, Qualen, Selbstzweifel, Depressionen und den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.



    Meine Meinung


    Das Buch ist aus zwei unterschiedlichen Perspektiven geschrieben. Einmal blickt der Autor auf das Leben und die Karriere von Sebastian Deisler zurück, zugleich gibt es ein aktuelles Gespräch mit dem ehemaligen Fußballstar.


    Das Buch zeigt eindrucksvoll, wie wenig wir doch mitunter über andere Menschen wissen, insbesondere diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen und vermeintlich all das besitzen, was manche als Glück definieren würden: Geld und Anerkennung. Das dieses aber nicht unbedingt glücklich macht, erfährt Sebastian Deisler in seiner Karriere, die eine regelrechte Berg- und Talfahrt ist.
    In der Öffentlichkeit zu stehen bedeutet den Medien hilflos ausgeliefert zu sein, bei denen vor allem die Boulevardpresse vor nichts zurückschreckt. Skrupellosigkeit ist an der Tagesordnung im Profisport, doch es gibt auch Ausnahmen. Für Sebastian Deisler ist Uli Hoeness, der damalige Bayern-Manager, eine entscheidende Hilfe, als er merkt, dass er dem Fußballgeschäft, aber auch dem Leben an sich, nicht mehr gewachsen ist.
    Man sieht die Verzweiflung von Sebastian Deisler in diesem Buch förmlich vor sich. Viele Verletzungen haben seine Karriere nicht so verlaufen lassen, wie es die fußballbegeisterte Öffentlichkeit und auch Deisler selbst gerne gesehen hätten. Die Anfälligkeit für Verletzungen ist sehr viel höher, wenn die Seele nicht mit dem Körper im Einklang ist, was bei Deisler der Fall war.
    Deislers Bekenntnis zu seinen Depressionen galt seinerzeit als einmalig im Profifußball, inzwischen wissen wir, dass diese Krankheit kein Einzelfall in der Bundesliga war/ist.
    Sebastian Deisler hat zwar seine Karriere beendet, aber sein Leben gerettet.

    "Denn dann hätte ich wohl Hoffnung haben dürfen, eines Tages doch noch deine Liebe zu erringen. Aber auf Unglück und einem gebrochenen Herzen lässt sich selten ein dauerhaftes Glück gründen, wie ich mir gesagt habe."

  • Herzlichen Dank für diese Rezi. Ein Buch das ich mir sicher in nächster Zeit kaufen werde. Mich interessiert nicht nur der Fußball als solcher, sondern auch der Blick hinter die Kulissen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Rezension
    Sebastian Deisler wuchs in Lörrach auf. Von frühester Jugend an bestimmte der Fußball sein Leben, war Hobby und größte Leidenschaft, später sein Beruf, mit dem ihn eine intensive Hassliebe * verband.


    Sebastian Deisler ist hochtalentiert, klein und verschlossen. Der Vater wird mit 39 Frührentner, die Ehe der Eltern liegt im Argen – wie noch so oft in dieser Zeit bleiben die Eltern nur der Kinder wegen zusammen, ohne echte Harmonie.


    Der Weggang in das Borussia-Fußballinternat mit gerade mal 15 Jahren ist also auch ein wenig Flucht aus dem Zuhause. Schon sehr früh fällt sein überragendes Talent auf – zu früh, viel zu früh.


    Denn von Anfang an spürt man, dass Sebastian Probleme mit dem Umfeld des Sports hat. Er würde am liebsten nur kicken und seinen Job tun, alles darüber hinaus, der Hype, die Yellow Press, Interviews etc. überfordern ihn. Er möchte sich nicht in Schlagzeilen sehen, sondern einfach nur Fußball spielen. Doch die Maschinerie läuft anders, er wird zu „Basti Fantasti“, dem Fußball-Heilsbringer hochgehypt und will doch einfach nur Sebastian Deisler sein.


    Er lebt in einem inneren Zwiespalt und fürchtet, zu schwach und zu sensibel zu sein. Er bemüht sich, dagegen anzukämpfen, doch dass er dabei gegen seine Natur ankämpft, erkennt er nicht und will es auch nicht wahrhaben.


    Dann beginnt eine Reihe von Verletzungen, immer wieder muß er nach Amerika fliegen, um von Spezialisten sein Knie zusammenflicken zu lassen.


    Sebastian Deisler denkt über einen Wechsel zu Bayern München nach – unter anderem erhofft er sich dort, im Umfeld mehrerer „Fußballstars“ mehr Ruhe für sich selbst. Doch ein Schweigegebot, dass ihm von Dieter Hoeneß auferlegt wird, macht ihm zu schaffen und stellt sich auch für ihn als Fehler und Belastung heraus. Als der Deal dann öffentlich wird, kippt auch die öffentliche Meinung. Unvorstellbar, dass ein Bankscheck an die Boulevard-Presse gelangt.


    In diesem Zusammenhang stehen Hertha und auch Hoeneß nicht wirklich gut da, haben ihn nicht gut unterstützt – allerdings bin ich hier auch ein wenig skeptisch, da wir nur die Seite Deislers kennen. Allerdings scheint es seit ein paar Jahren auf Betreiben von Hoeneß bei Hertha eine Art Medien-/Marketingschulung für die Spieler zu geben.


    Und so schaukelt sich alles peu à peu immer ein wenig weiter hoch, bis ein Mosaiksteinchen eben eines zu viel ist und Deisler einfach nicht mehr weiterkann. Er ruft um Hilfe, die er auch von Uli Hoeneß, der ihm im Laufe des Jahres zu einem engen Vertrauten wird, bekommt – doch letztlich meint er, es nur mit dem kompletten Rückzug aus der Fußballwelt zu schaffen, sein Leben zu retten und neu zu ordnen.


    Das Buch wird in zwei Ebenen erzählt: Auf der einen Seite erzahlt Sebastian Deisler seine Geschichte, auf der anderen erhalten wir einen Rückblick durch den Autor Michael Rosentritt.


    Dennoch bleiben für den, der noch nicht direkt mit Depressionen konfrontiert wurde, viele Fragen, wie es dazu kommen konnte, offen: ich habe mich gefragt, wo ist der Auslöser? Oder waren es viele kleine Auslöser, die in Summe zur Depression führten: die Situation zuhause, der frühe Weggang, das große Medieninteresse, die vielen Verletzungen, die Erwartungen an sich selbst?


    Ich bin kein Mediziner und kann mir diese Fragen nicht beantworten, ebenso wenig wie die Frage, ob es manche „Menschentypen“ gibt, die eher an Depressionen erkranken als andere. Auch das Buch gibt keine Antwort darauf.


    Es ist die Geschichte eines Mannes, der gescheitert ist, Hilfe gesucht hat und nun lernen muß, sein Leben neu zu gestalten. Meines Erachtens ist er damit noch lange nicht fertig – aber ich wünsche ihm viel Glück auf seinem Weg dahin.


    Das Buch – das mit einem einfühlsamen Vorwort Ottmar Hitzfelds beginnt - bietet einen interessanten Einblick in die Fußballwelt und das Drumherum und in das Leben Sebastian Deislers. Ich fand es interessant zu lesen.


    Mir hat bei diesem Buch dennoch etwas gefehlt, auf mich wirkte es trotz aller Intensität ein wenig distanziert, allerdings kann ich es noch nicht greifen, was es war, das mich ein wenig unzufrieden zurückließ. Vielleicht kann ich es zu einem späteren Zeitpunkt in Worte fassen.


    * Den Sport liebt er… das Brimborium drumherum hasst er

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Es gibt nun mal leider nicht DIE Antwort. Warum jemand Depressionen bekommt und wer anders nicht. Schlecht vergleichbar, aber warum kann jemand der gesund lebt mit 30, 40 an Krebs sterben und die Leber eines Alkoholikers halten bis er 80 ist?


    Jeder kann daran erkranken, da muss es gar keine Vorzeichen geben.
    Was es ist ist auch schwer greifbar zu machen. Ich glaube man kann sich das nicht annähernd vorstellen.

  • Meine Meinung


    Für dieses Buch brauchte ich zwei Anläufe, beim ersten Versuch war es nicht die richtige Zeit und ich empfand die Sprache als unpassend. Auch wurde es für mich erst ab dem Kapitel über seine Berliner Zeit so packend und mitreißend, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Sebastian Deislers Karriere wird sehr genau beschrieben, aber auch sein familiärer Hintergrund wird gut dargestellt.
    Unterbrochen wird der chronologische Bericht durch die Beschreibungen von den persönlichen Begegnungen des Autor Michael Rosentritt mit Sebastian Deisler. Hier gibt es wörtliche Zitate Deislers. Seine Gefühle werden gut und anschaulich dargestellt. Diese Texte sind eingerückt und so beim lesen deutlich zu erkennen.


    Das Hauptaugenmerk dieser Biografie liegt auf die Darstellung der Fußballkarriere Deislers, die privaten Entwicklungen werden nur angerissen. Es wird sehr deutlich, dass Deisler als der „Retter des deutschen Fußballs“ galt, was eine sehr große Last ist. Mich hat schockiert es immer auch wieder, wie sehr die Fans die Spieler ihrer Mannschaft persönlich angreifen. Dies tut keinem gut.


    Im Vorletzten Kapitel „Warum und woran ist Deisler gescheitert?“ wird klar die Frage nach den Gründen für seine Depression beantwortet. Für den Betroffen ist es wichtig, nicht nur den Auslöser (welcher meist klar zu identifizieren ist) sondern auch die Ursachen für die Depression zu finden. Nur so ist eine Heilung möglich. So verschieden wie die Menschen sind, so verschieden sind die Ursachen für eine Depression. Der Weg heraus ist nicht einheitlich sondern ebenso verschieden.
    Sebastian Deisler hat als Konsequenz seine Fußballkarriere beendet, was für ihn sein Weg aus der Krankheit ist. Auch dieses Buch kann nicht klar beantworten, warum es den einen trifft, den anderen aber nicht.


    Für mich ist es ein gutes und bewegendes Buch, dem ich viele Leser wünsche. Im Idealfall versteht der eine oder andere, der bisher Depressionen weder bei sich noch bei anderen erlebt hat, diese Krankheit besser. Denn das ist sie: eine Krankheit und keine Sache der Motivation oder Geisteshaltung.


    Das Buch ist mittlerweile als Taschenbuch erschienen.

  • Gerade habe ich das Buch zuende gelesen...
    Natürlich kann man es nicht in "gut" und "schlecht" unterteilen. Ich denke, die Rezis von LaRubia, Batcat und Wiggli sagen eigentlich schon alles aus.


    Ein Satz hat mir besonders gut gefallen:


    "Starken muss man manchmal Angst machen aber Schwache einschüchtern? Das bringen nur Schwache fertig".
    Uli Hoeneß


    Mir geht es ein gerade ein bisschen wie Batcat:

    Zitat

    Mir hat bei diesem Buch dennoch etwas gefehlt, auf mich wirkte es trotz aller Intensität ein wenig distanziert, allerdings kann ich es noch nicht greifen, was es war, das mich ein wenig unzufrieden zurückließ.


    Ich habe erst vor kurzem das Buch über Robert Enke gelesen und das war sehr viel..., wie soll ich sagen,... offener.
    Das Thema Depressionen wurde dort ausführlicher beschrieben.
    Das hat mir hier ein wenig gefehlt.


    Aber dennoch natürlich ein sehr lesenswertes Buch!

  • Ich habe das Buch gestern fertig gelesen und bin auch nicht so zu 100% überzeugt.
    Vielleicht ist es wirklich so wie Jasmin sagt, dass es im Vergleich zum Robert Enke Buch verschlossener ist!?


    Es war durchaus interessant und es hat einem vor Augen geführt, dass man nicht alles sieht. Ich habe den damaligen Hype um Sebastian Deisler als Fussballfan natürlich mitbekommen und so konnte ich mich an viele Situationen gut erinnern. So auch, dass eigentlich garnicht aufgefallen ist, dass Deisler sich so vehement zurückgezogen hat (vor seinem ersten Klinikaufenthalt), dass es Deisler nicht so gut ging. Schließlich hat er seine volle Leistung gebracht ...


    Für mich war es auch sehr interessant zu sehen, wie manche Fussballakteure mit Sebastian Deisler umgegangen sind. Das Buch hat in dem Bezug meine Meinung zu so manchem Fussballer doch beeinflusst.


    Aber mich störten leider auch einige Dinge an dem Buch. Dieser Wechsel zwischen Blick auf den Werdegang und dann die Gespräche zwischen Autoren und Spieler fand ich irgendwie unpassend. Es wirkte auf mich persönlich ungeschickt gelöst. Es wurden durch den Wechsel manchmal Themen intensiver die m.M.n. uninteressant und auch nicht passend waren!?


    Und was mich irgendwie am meisten störte war die doch vorhandene Verschlossenheit. Es wirkte zum Teil so, worum es in dem Buch ging. Vertraue nicht der Öffentlichkeit und halte dein Privatleben privat!
    Natürlich wurde über die Trennung der Eltern gesprochen und auch die Situation wie Freunde damals Deisler in der Klinik halfen.
    Aber ich glaube, wenn mir jemand davon erzählen möchte, wie was und warum die Depression einsetzte und das Leben bestimmte und auch wie ich den Weg wieder hinaus schaffe ... dann muss ich sicher nicht die Hosen runter lassen - aber existientielle Dinge auch nicht komplett außen vor lassen.
    Ich respektiere Deisler's Meinung vollkommen, wenn er über seine Familie und sein Privatleben nichts näheres äußern möchte.
    Doch so fand ich die Darstellung sehr einseitig. Lediglich auf den Fussball bezogen - dabei finde ich bei einem solchen Thema gerade wichtig, wie hat mein privates Umfeld versucht mich aufzufangen, zu unterstützen.
    Ich weiß nicht wie ich es am besten ausdrücken soll. Ich hoffe ihr wisst was ich meine.

  • Zitat

    Original von Jasmin87
    Ich habe erst vor kurzem das Buch über Robert Enke gelesen und das war sehr viel..., wie soll ich sagen,... offener.
    Das Thema Depressionen wurde dort ausführlicher beschrieben.
    Das hat mir hier ein wenig gefehlt.


    Das habe ich genauso empfunden.
    Das Deisler-Buch ist ganz anders als das Enke-Buch. Das Enke-Buch ist sehr viel detaillierter und intimer. Aber das liegt wohl auch im Charakter der beiden Sportler begründet. Und es ist natürlich das gute Recht von Sebastian Deisler, dass er an einigen - persönlichen - Stellen nicht so sehr ins Detail geht. Dadurch wirkt das Ganze irgendwie weniger eindrücklich. Zum Thema Depressionen bin ich tatsächlich geneigt, eher die Enke-Biographie zu empfehlen, da sie tatsächlich mehr über das Krankheitsbild und den Umgang damit verrät.
    Dennoch fand ich das Deisler-Buch gut - und ich würde es einem Fußball-Fan auf jeden Fall empfehlen, da einige Hintergründe aus der Fußballwelt ziemlich gut rüberkommen - auch vieles, was man als Fan nicht so mitbekommt, was man vielleicht ahnt, aber nicht weiß... und einiges davon hat mich persönlich ziemlich wütend gemacht.

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.