Für alle, die zum Weihnachtsfest Interesse an einer aktuellen Weihnachtspredigt haben, hier die Ansprache, die ich gestern in der Christmette gehalten habe:
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Liebe Christen,
es war spannend, heute morgen in der Zeitung zu lesen, was die Pfarrerinnen und Pfarrer in unserer Stadt heute Nacht predigen wollen.
Kritische Töne verspricht die Überschrift. Ungerechtigkeit soll angeprangert, Frieden soll erbeten werden. Das Licht aus Bethlehem sei eine Gegenkraft zu, ich zitiere, „unserer kalten, technokratischen und ziellosen Gesellschaft.“ Ein anderer Pfarrer prangert „Sinnentleerung, ungebremstes Konsumstreben, Umweltzerstörung, Banken- und Fiananzkrise“ an und beklagt, dass wir nur Vordergründiges sehen.
Das Licht aus Bethlehem als Gegenkraft zu unserer ach so schlechten Welt. Keine einfache Aufgabe für dieses Licht. Nur 52% unserer Bevölkerung hatte vor, zu Weihnachten in die Kirche zu gehen, das besagen Umfragen, die pünktlich zum Fest veröffentlicht wurden.
Ein halbleeres Glas an Kirchenbesuchern. Nun, liebe Christen, dieses Glas ist doch auch halb voll. Mehr als jeder zweite Bürger unseres Landes will in diesen Tagen etwas tun, das vordergründig überhaupt nichts bringt. Eine unlogische Sache, dieses Weihnachtsfest.
Schüler des Berufsbildungszentrums in Homburg haben mir das ziemlich deutlich gesagt: Das Weihnachtsfest ist doch in dieser Form nur eine Erfindung, Jesus sei überhaupt nicht am 25. Dezember geboren, das Datum sei aus heidnischen Wintersonnwendfesten übernommen worden. Und überhaupt: Die Sache mit der Jungfrau sei ein Übersetzungsfehler, die Volkszählung hat es wahrscheinlich nie gegeben und Jesus sei mit Sicherheit nicht in Bethlehem, sondern vielmehr in Nazaret geboren, wann auch immer.
Woher sie diese Erkenntnis haben, fragte ich die Schüler. Die Antwort: Das haben sie bei Galileo gesehen. Punkt. Und was bei Galileo, der Wissenssendung auf Pro7 gesagt wird, stimmt. Ausrufezeichen.
Und dann waren sie gespannt, was der Mann, der von der Kirche in die Schule geschickt wurde, um dort Religionsunterricht zu geben, zu diesen Wahrheiten sagen würde.
Tja, was hat er gesagt? Er hat ihnen in den meisten Fällen Recht gegeben. Galileo ist ja keine dumme Sendung. In ihren Behauptungen steckt viel historisch-kritische Recherche.
Ja, der Termin des Weihnachtsfestes ist einfach auf den 25. Dezember gelegt worden. Ja, die Heiden hatten die Wintersonnenwende längst als Fest gefeiert. In der Zeit der längsten Nächste des Jahres hatten die Menschen das Gefühl, den dämonischen Mächten besonders ausgesetzt zu sein; deshalb wurde die Zeit nach der Wintersonnenwende, wenn die Tage wieder länger werden, zur besonderen Festzeit, in der der Sieg der Sonne, der Sieg des Lichtes über die Finsternis gefeiert wurde.
Der Streit, ob es im Original „Jungfrau“ oder „junge Frau“ heißt, ist schon sehr alt. Dass Jesus leibliche Geschwister hatte, gilt als sicher. Und die meisten Exegeten vertreten ebenso die Theorie, dass die Volkszählung zweifelhaft und der Geburtsort Bethlehem eine Konstruktion ist, Jesus vielmehr wohl wirklich in Nazaret geboren sei.
Ich musste meine Schüler also ein bisschen enttäuschen. Ihre Erkenntnisse waren mir keineswegs neu. Und schon gar nicht regten sie mich auf. Warum auch? Die Bedeutung des Weihnachtsfestes, die Bedeutung des Geheimnisses der Geburt dieses Jesus von Nazaret hängt für mich nicht von diesen historischen Erkenntnissen ab. Überhaupt nicht.
Die Bedeutung ist in meinen Augen eine ganz andere. Und da kommen wieder die großen Worte von der kalten, ziellosen, technokratischen Gesellschaft ins Spiel. Denn die war, das behaupte ich jetzt mal einfach, vor 2000 Jahren genauso kalt wie heute …
Heute Nachmittag gab es im Krippenspiel der Kinder eine dazu passende Szene. Ein alter Hirt erzählte seinem Enkel von der Prophezeiung des Messias, des Erlösers, des Königs, der geboren werden sollte. Und der kleine Hirtenjunge übte auf seiner Flöte ein Lied für diesen König. Und er stellte sich diesen König mit Krone, Schwert und Purpurmantel vor. Wie groß war seine Enttäuschung, als der neugeborene König ganz anders erschien, nicht mit Krone, Schwert und Purpurmantel, sondern als kleines, man könnte sagen mickriges, armseliges Neugeborenes, das in einer schäbigen Krippe liegt. Nein, diesem seltsamen König wollte er kein Lied spielen. Der war es nicht wert.
Ein Baby, das so war wie alle Babys. Das nichts anderes konnte als schreien und in die Windeln machen. Und es schrie und schrie und ließ sich selbst von Maria und Josef nicht beruhigen. Da konnte der Hirtenjunge nicht anders, nahm seine Flöte und spielte dem Kind ein Wiegenlied. Und es beruhigte sich und lächelte den Jungen an.
Liebe Christen, eine schöne Geschichte. Und eine wahre Geschichte. Nicht historisch. Die Wahrheit liegt tiefer. Gott kommt als verletzliches Wesen auf die Welt. Klein. Mickrig. Die Erwachsenen schaffen es mit all ihrer Erfahrung, alle ihrer Erkenntnis, all ihrer Vernunft nicht, das Baby zu beruhigen. Das schafft der Hirtenjunge, der doch eigentlich auch einen ganz anderen König wollte.
Und es gibt sie auch heute noch, die vielen Hirtenjungen und -mädchen, die sicher durch ihre, durch unsere Zeit geprägt sind, die Urteile und Vorurteile haben wie wir alle.
Zehn Schülerinnen des Berufsbildungszentrums sind viermal freiwillig nach dem Unterricht zusammengekommen, um einen Weihnachtsgottesdienst für die Schule vorzubereiten. Katholische und evangelische. Eine hatte sich als Atheistin bezeichnet. Und auch eine Muslimin und eine Angehörige der hinduistischen Religion waren mit von der Partie. Es war ein schöner Gottesdienst am letzten Schultag. Eine unlogische Sache. Aber wunderschön.
Ein kleines Baby kommt in die Welt. Es ist hilflos. Es braucht uns. Jeder, der ein Baby hatte oder hat, weiß das. Und jedes Jahr feiern wir diese Geburt eines Babys. Des Jesus von Nazaret. Des Kindes, das Gott und geschickt hat. In unsere Welt, wie dunkel und kalt sie auch sein mag. Das Licht, das die Welt hell macht. Der Heiland für alle Welt.
Hermann Hesse hat das in seinem Gedicht „Der Heiland“ wunderbar beschrieben:
Der Heiland
Immer wieder wird er Mensch geboren,
spricht zu frommen, spricht zu tauben Ohren,
kommt uns nah und geht uns neu verloren.
Immer wieder muss er einsam ragen,
aller Brüder Not und Sehnsucht tragen,
immer wird er neu ans Kreuz geschlagen.
Immer wieder will sich Gott verkünden,
will das Himmlische ins Tal der Sünden,
will ins Fleisch der Geist, der ewige, münden.
Immer wieder, auch in diesen Tagen,
ist der Heiland unterwegs, zu segnen,
unsern Ängsten, Tränen, Fragen, Klagen
mit dem stillen Blicke zu begegnen,
den wir doch nicht zu erwidern wagen,
weil nur Kinderaugen ihn ertragen …
Liebe Christen, Ihnen allen wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest 2009 und jene Kinderaugen, die den Blick des Heilands aufnehmen und erwidern können.