Gezeiten – Bei Dao

  • S.Fischer


    Aus dem Chinesischen von Irmgard E.A. Wiesel.
    Herausgegeben und mit einem. Nachwort von Helmut Martin


    Rückseite:
    Gezeiten, der erste Roman von Bei Dao, einem der meistbeachteten jüngeren Autoren Chinas, spiegelt die verzweifelte Situation junger Intellektueller in der verworrenen End- und Auflösungsphase der Kulturrevolution, die auf erschreckender Weise der Situation der Studenten heute ähnelt.
    Die schwierige Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem aus Peking in ein ödes Provinznest strafversetzten Studenten zeigt den Verlust an Hoffnung und Vertrauen, den eine ganze Generation erlitten hat.


    Über den Autor:
    Bei Dao gilt als einer der bedeutendsten chinesischen Lyriker der Moderne. In seinen Werken setzt sich der Menschenrechtler kritisch mit der Aufarbeitung der chinesischen Geschichte auseinander. Er wurde mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen und 1988 mit dem Staatspreis der Volksrepublik China ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Der deutsche Untertitel „Ein Roman über Chinas verlorene Generation“ trifft es schon ganz richtig. Bei Dao schreibt über verschiedene junge Menschen in der Volksrepublik China Mitte der 70ziger Jahre. Es ist die Nachfolgegeneration der Kulturrevolution, die Leute, die in diesem System nicht glücklich sind, oft handelt es sich um die Söhne und Töchter von Intellektuellen und Opfern Maos.


    Der Roman ist aus verschiedenen Perspektiven erzählt, insgesamt sind es 5. Die jeweilige Sicht entspricht der Person, die dem Kapitel überschrieben ist. Daraus ergibt sich eine klare Struktur. Insbesondere die Diskussionen zwischen den Protagonisten ergeben ein deutliches Bild der Stimmung dieser Zeit.
    Obwohl die Protagonisten sehr unterschiedlich sind, optimistisch oder pessimistisch, teilen sie das Schicksal der Verlorenheit. Das führte zu Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Manche, wie Bei Hua, flüchten daher in kriminelle Banden.
    Im Mittelpunkt steht die Liebesgeschichte zwischen dem ehemaligen Rotgardisten Yang Xun und der schönen Hilfsarbeiterin Xiao Ling.
    Mehrere Figuren sind gut gestaltet, aber es ist Xiao Ling, die herausragt. Sie ist unangepasst und stark, lässt nicht selten zynische Bemerkungen fallen. Ihre Vergangenheit ist belastet, aus einer Beziehung zu einem Rotgardisten ging ein Kind hervor, das jedoch zwangsweise woanders leben muss. Ihre Liebe zu Yang Xun ist von Anfang an von vielen Schwierigkeiten beeinträchtigt.


    Gezeiten wurde erstmals 1979 veröffentlicht, in Deutsch erschien der Roman 1990.
    Bemerkenswert an diesem Buch ist auch das Nachwort „Überlebende dieser Zeit“ von Helmut Martin, der Bei Daos Stellung als Symbol des Protestes, sein Werk und sein Symbolismus eingeht Er arbeitet deutlich Bei Daos nüchterne Sprache und seine dunkle Schwermut heraus.
    Abschließend gibt er noch einen Rückblick auf Chinas Literatur im ersten Jahrzehnt nach der Kulturrevolution.

  • Klingt sehr interessant. Ein Kandidat mehr für meine China-Liste, als wenn die nicht schon voll genug wäre... :-)


    Eine kurze Nachfrage zur "Lesbarkeit". Der Roman hört sich eher handlungsarm an. Hatte er für Dich Längen oder las er sich gut?


    Edit: (Nach Buchsuche) Wo hast Du das eigentlich ausgegraben? Das scheint ja seit Ewigkeiten nicht mehr gedruckt worden zu sein?

  • Mit nur 189 Seiten ist es ein kurzer Roman, dann gibt es noch ein langes Nachwort. Es gibt viele Charaktere, deswegen auch viel Abwechslung.
    Der Roman ist gut lesbar, wie ich finde. Manche Passagen waren allerdings schwer nachvollziehbar, da chinesische Eigenarten bzw. Mentalität mit zur Handlung beiträgt.