Bei Dao las im DAI, Heidelberg, 09.12.09

  • Die Lesung war eine Veranstaltung im Rahmen des World Poetry Festivals PoeZone 7 in deutsch, englisch und chinesisch.


    Bei Dao wurde auf seiner Deutschlandreise von Professor Wolfgang Kubin begleitet, der seine Bücher ins Deutsche übersetzt hat und der den deutschen Teil der Lesung übernahm.


    Der große Raum des DAI war gut gefüllt. Viele Chinesen waren anwesend, deswegen überrascht es auch nicht, dass ein guter Anteil der Veranstaltung auch in chinesischer Sprache mit deutscher Übersetzung abgehalten wurde. Ein wenig wurde sogar englisch gesprochen, da man schließlich im Deutsch-Amerikanischen Institut war.
    Das war auch ein Grund, wieso Kubin und Bei Dao diesen Abend spezifisch gestalteten und als Hauptthema aus Bei Daos Werk „Amerika“ wählten.


    Es begann mit einer kurzen Vorstellung Kubins und Bei Daos durch den Chef des DAI Jakob Köllhofer.
    Dann übernahm Kubin die Moderation der Lesung.
    Es wurde über Bei Daos Tätigkeit als Chinese mit amerikanischen Pass, der an amerikanischen Universitäten Creative Writing lehrt, gesprochen und was das für Auswirkungen auf das Dichten hat.
    Bei Dao widmete ein Essayband dem Sinologen Fred Wakeman, der kurz darauf an Krebs verstarb. Das dazugehörige Gedicht Grüne Lampe wurde wie alle folgenden Texte auf Deutsch und dann auf chinesisch gelesen.


    Der abnehmende Mond im alten Land
    sinkt in einen tiefen Teich
    schwer wie die Steine dort
    Du mauerst Worte in Geschichte ein
    damit der Flußlauf eine Wende nimmt


    Dann folgte ein Auszug aus einem amüsanten Essay über Alan Ginsburg, den Bei Dao gut kannte. Er nannte ihn den wilden Mönch.


    2 Essaybände hat Bei Dao schon in den USA veröffentlicht, aber in Deutschland gelang das bisher nicht. Nur einzelne Texte sind übersetzt.


    Bei Dao gewann in China einen Preis. Einreisen durfte er nicht, um ihn in Empfang zu nehmen, doch er schrieb eine Rede, die auch veröffentlich wurde, wenn auch drastisch gekürzt. Sinniger Titel: „In Abwesenheit anwesend sein“


    Das führt zu der Frage, ob Bei Dao ein politischer Autor sei. Etwas was er für sich ablehnt und verneint, doch von seinem Übersetzter bestätigt wird.


    es folgte das Gedicht „Ein Lied vom Unterwegssein“
    bei Dao ist der Meinung, wer nie sein Land verlässt, sei nicht mehr Kritikfähig und meint damit aber auch die Amerikaner.


    2001 durfte Bei Dao doch nach Peking einreisen, als sein Vater im sterben lag. Da wurde er dann ständig begleitet von der chinesischen Staatssicherheit. Es wurde das Gedicht „Schwarze Karte“ gelesen, das hierauf Bezug nimmt.


    Zu guter Letzt setzen Dohlen
    die Nacht zusammen: eine schwarze Karte
    Ich bin zurück – heimreisen
    sind immer länger als Irrwege
    länger als ein Leben


    Dann „In Ramallah“, ein Gedicht aus Anlass eines Treffens mehrerer Schriftsteller wie Breyten Breytenbach, Jose Saramago, Russell Banks u.a.


    In Ramallah
    spielen die Alten am Sternenhimmel Schach
    ihre letzten Züge sind mal hell, mal dunkel
    Ein Vogel springt aus dem Uhrengehäuse
    und kündet die Stunde


    Zum Abschluss dann wieder etwas humorvolles. Bei Daos bissige, aber liebevolle Essays über seinen Übersetzer, dieser Stimme des Schattens.


    Eine überaus gelungene Veranstaltung, bei der ich mir auch Bei Daos Buch der Niederlagen habe signieren lassen. Bei Dao sprach dann noch lange ungezwungen mit Interessierten.


    Eine bemerkenswerte Veranstaltung, die für mich zu den literarischen Highlights des Jahres gehört und ich bin sicher, dass mich Bei Daos Buch noch lange begleiten wird.



    Zum Buch: Das Buch der Niederlage
    Erschienen im Hanser Verlag


    Kurzbeschreibung:
    Das Buch der Niederlage ist eine Zusammenstellung von Gedichten aus den neunziger Jahren und aktuellen Manuskripten der Jahre 2002 bis 2008.


    Über den Autor:
    Bei Dao gilt als einer der bedeutendsten chinesischen Lyriker der Moderne. In seinen Werken setzt sich der Menschenrechtler kritisch mit der Aufarbeitung der chinesischen Geschichte auseinander. Er wurde mehrfach für den Nobelpreis vorgeschlagen und 1988 mit dem Staatspreis der Volksrepublik China ausgezeichnet. Dao lebte ab 1989 im Exil, darf jedoch mittlerweile wieder in China leben und arbeiten. Er ist momentan Professor an der Chinese University in Hongkong.


    Seine Gedichte beinhalten mehr als nur politische Kritik - sie thematisieren auch das Älterwerden, Trauer, Orientierungslosigkeit, Desillusionierung und Einsamkeit. Dank einer umsichtigen Übersetzung ist dies nun für deutsche Leser zum ersten Mal greifbar.



    Fotos:
    Foto 1: Bei Dao
    Foto 2: Wolfgang Kubin, der Übersetzer