American Soldier - General Tommy Franks

  • Ich habe das Buch in einer englischen Ausgabe gelesen, eine deutsche Übersetzung gibt es meines Wissens nicht. Ich verlinke die "Large Print" Edition, die ich versehentlich gekauft habe, es gibt aber auch ein normales Taschenbuch.


    Klappentext:
    As Commander in Chief of CENTCOM, General Tommy Franks made history by leading American and Coalition forces to victory in Afghanistan and Iraq. In this riveting memoir, General Franks retraces his journey from small-town boyhood to his role as one of history's most effective commanders.
    Drawing on his own memories and newly declassified records, Franks offers the first true insider's account of the war on terrorism. He traces the development of the lean, flexible new approach to warfare he evolved with Donald Rumsfeld -- and chronicles how these principles helped to win two swift, decisive wars within two years. He reveals the secret "Turkish deception," which he used to trick Saddam into preparing for a northern ground invasion that never came, and speaks frankly of intelligence shortcomings and of the WMD threats that shaped each battle plan. And, while he writes candidly of the war's aftermath, Franks shows that the wars in Afghanistan and Iraq remain heroic victories -- wars of liberation won by troops "unequalled," he writes, "by anything in the annals of war."


    Meine Meinung:
    Tommy Franks vertritt Positionen, die man als deutscher Leser nicht gewohnt ist. Er trägt, wie man erfährt, ständig eine Bibel und eine kleine amerikanische Flagge bei sich. Vor allem in letzterem Utensil kulminiert die Lebenseinstellung, die in seiner Biografie deutlich wird: bedingungsloser Patriotismus. Fragen nach der Rolle Amerikas in der Welt oder dem Richtig und Falsch globaler Politik, die sich mir beim Lesen aufdrängten, sind für ihn nicht nur unwichtig, sie stellen sich ihm gar nicht erst. Ganz selbstverständlich ist für ihn die weltweite Militärpräsenz der USA, Präventivschläge zum Schutz seiner Heimat sind für ihn nicht nur akzeptables Mittel, sondern patriotische Pflicht. Wo in Deutschland ein Verteidigungsminister erste Plätze in Satiresendungen abräumt, wenn er sagt, unsere Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt, ist dies für Franks eine Tatsache, die man nur dann nicht einsieht, wenn man einen IQ unterhalb dessen einer Bananenschale hat. Konsequenterweise ist auch ein Fazit aus dem Epilog, dass 9/11 hätte verhindert werden können, wenn man zuvor in Somalia entschlossener durchgegriffen und den Terroristen so gezeigt hätte, dass mit Amerika nicht zu spaßen ist.
    Dabei wäre es zu einfach, in Franks den Falken zu sehen, dem Menschenleben nichts bedeuten. Vor allem die amerikanischen Soldaten liegen ihm am Herzen, immer wieder ermahnt er seine Kommandeure, auf die Sicherheit der ihnen anvertrauten Truppen zu achten, auch wenn jeder weiß, dass Verluste unvermeidlich sind. Als Artillerieoffizier schildert er ausführlich die Vorzüge moderner Waffensysteme, die ihre (militärischen) Ziele mit minimalem Kollateralschaden punktgenau zerstören können. Immer wieder schildert er die Abwägungen dazu, wie hoch die zivilen Opfer sein dürfen, die eine Operation fordert - sicher nicht "Null", er ist weder Pazifist noch naiv, aber ich kaufe ihm ab, dass er sich um möglichst wenige Opfer bemüht. Ich war auch überrascht, zu lesen, mit welchem Nachdruck Franks seiner politischen Führung die humanitäre Hilfe und den zivilen Aufbau eines Landes ans Herz legt. Ihm geht es tatsächlich nicht nur darum, eine Schlacht zu gewinnen, er ist der Meinung, Amerikas Sicherheit könne letztlich nur durch eine friedliche Welt gewährleistet sein. Dazu müssen alle Völker in Frieden und Wohlstand leben können.
    Tommy Franks übernimmt als Höhepunkt seiner Karriere das "Central Command", also das Kommando über die US-Streitkräfte im Nahen Osten. War er bei Desert Storm noch Befehlsempfänger, so kommandiert er jetzt die Kriege in Afghanistan und auch Iraqi Freedom, also die Eroberung Iraks. Das sind Ereignisse, die auch hierzulande noch gut im Gedächtnis sind, wir alle kennen die Fernsehbilder. Von daher ist es besonders interessant, die Berichte eines Insiders zu lesen, seine Perspektive auf Protagonisten wie Rumsfeld oder Bush jr. zu sehen, mit denen er zeitweise mehrmals täglich konferiert. Natürlich ist diese Sicht deutlich positiv geprägt, sonst hätte er auch kaum mit den Herren zusammenarbeiten können. Zudem ist er weltanschaulich mit ihnen auf einer Linie. Gerade das macht die Lektüre für mich spannend - eine uns doch wenig vertraute Sicht auf die Welt zu erkunden.
    Auch sonst bietet das Buch interessante Details, vor allem für an Militärstrategie interessierte Laien, wenn Franks die Entwicklungen beschreibt, die die Waffensysteme in den letzten Dekaden genommen haben. Er spannt dabei den Bogen von Artillerieeinheiten, die noch nicht einmal Funkgeräte hatten, bis zu "smart bombs", die auf Laserstrahlen metergenau in ihr Ziel reiten. Besonders interessant, weil man selbst die Auswirkungen spürt, ist auch seine Wertung der Medien. In Teilen ist dies auch ein Enthüllungsbuch, das den Selbstdarstellern im Fernsehzirkus die Maske vom Gesicht reißt und klar darstellt, auf wie wenig Faktenwissen die Predigten fußen, die so mancher selbsternannte "Experte" der Öffentlichkeit angedeihen lässt.
    Bei allem Verständnis für eine Persönlichkeit wie Tommy Franks und bei allem Respekt für ein fremdes Wertesystem ist mir in Summe der Tunnelblick zu extrem. Die einzige Kritik im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg gilt den Demonstranten, die die Heimatfront schwächen, schreckliche Verirrungen der amerikanischen Kriegsführung wie "Agent Orange" werden komplett ausgeblendet. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass wenigstens im Epilog ein kurzer Absatz enthalten ist, der die Folterskandale an irakischen Kriegsgefangenen thematisiert, aber insgesamt ist das in Tommy Franks' Weltbild eine Marginalie. Vielleicht muss man einen solchen Tunnelblick haben, um in so einer Position wie der eines Viersternegenerals erfolgreich agieren zu können, aber ein wenig unwohl wird einem schon, wenn man sich vorstellt, mit welcher Stringenz, durchaus auch Rücksichtslosigkeit, Menschen wie Tommy Franks das einmal als "gut" erkannte Ziel durchsetzen. Der Sicherheit Amerikas wird alles, wirklich alles untergeordnet. Auch die Kooperation, zur Not auch durch Waffenlieferungen, mit Staaten, die gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen, ist da ein Preis, der gezahlt werden muss.
    Für mich ein hochinteressantes Buch, das dazu beiträgt, zu verstehen, wie die Leute denken, die das Leben ganzer Generationen beeinflussen, und das nicht nur in ihrem Land, sondern in der ganzen Welt.
    Am Schluss dieser Rezension soll das Fazit stehen, das auch Tommy Franks aus den Erfahrungen seines Lebens zieht: "Freedom is not for free."

  • Das hört sich sehr interessant an. Leider reichen wohl aber meine Englischkenntnisse nicht aus, diese Buch eben auch in dieser Sprache zu lesen. Meine letzte Unterrichtsstunde in Englisch hatte ich 1971.


    Dabei wäre gerade dieses Buch für mich - bin nun einmal ein Militarist - von großem Interesse gewesen.


    In jedem Falle aber herzlichen Dank für diese sehr informative Rezi.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Voltaire :
    Vielleicht wäre für Dich die Autobiografie von Franks' Vorgänger Norman Schwarzkopf interessant: "Man muss kein Held sein". Auch der hatte ein bewegtes Soldatenleben. Allerdings ist "Desert Storm" eine Weile her und folgte einer anderen Doktrin als die Kriege, die danach kamen.


    Salonlöwin :
    Ich bin mir nicht sicher, ob es so eine Erwiderung aus deutscher Sicht überhaupt geben kann. Falls ja, dann keinesfalls auf Augenhöhe. Deutschland ist weder militärisch noch geopolitisch in einer den USA vergleichbaren Position. Man könnte also höchstens eine "Komentierung von der Seitenlinie" leisten - das Interessante an der Biografie von Franks ist aber gerade, dass sie von jemandem stammt, der wirklich entscheiden konnte.

  • Zitat

    Original von Bernard
    Voltaire :
    Vielleicht wäre für Dich die Autobiografie von Franks' Vorgänger Norman Schwarzkopf interessant: "Man muss kein Held sein". Auch der hatte ein bewegtes Soldatenleben. Allerdings ist "Desert Storm" eine Weile her und folgte einer anderen Doktrin als die Kriege, die danach kamen.


    Die Autobiographie von Schwarzkopf habe ich gelesen, genauso auch die von Colin Powell. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.