Veränderungen

  • Veränderungen


    Meine Oma ist schon seit Jahren tot. Sie war eine Frau, die ihre Liebe nicht aufteilen konnte, die am liebsten nur 1 Enkelkind gehabt hätte, und mit dreien nicht klarkam. Ihr Leben als Großmutter verbrachte sie mit Hingabe für ihr ältestes Enkelkind, die anderen wurden unter „ferner liefen“ abgelegt. „Die hätte es nicht gebraucht“ war ihr Spruch bei meiner Geburt meiner Mutter gegenüber. „Was willst du mit zwei Kindern, du hast doch schon eines“ – diese Einstellung war charakteristisch für sie. Wenn es zum wandern ging – die älteste durfte mit, die beiden jüngsten blieben zuhause. Einkaufen mit Oma und Opa – das gleiche Spiel. Mein Großvater war etwas anders, er schätzte seine Enkelkinder alle drei gleich, hatte keinen Liebling den er bevorzugte.


    Die Zeiten änderten sich, die Kinder wurden groß und gingen ihrer Wege. Die älteste verheiratete sich auf ein Dorf, ca. 50 km entfernt. Sie wurde Bäuerin, eigentlich eine angesehene, etwas veraltete Tätigkeit, aber notwendig. Sie merkte nicht, dass ihr Mann einer von der „alten“ Sorte war, einer, dem die Ideen einer Frau nicht passten, der sie unter dem Pantoffel hielt, alle Neuerungen im Keim erstickte, sich nur nach altem und festgefahrenen orientierte. Meine Großmutter war entsetzt, aber es änderte daran nichts. Wir anderen beobachteten das ganze von außen, zogen unsere eigenen Schlüsse. Es war zu sehen, dass durch Misswirtschaft und schlechte Zeitaufteilung der Bauernhof immer mehr in Schieflage geriet, dass die Arbeit so nicht zu schaffen war. Doch meine Schwester wollte das alles nicht wahrhaben, opferte Zeit, Energie und die Gesundheit für den Hof. Und meine Oma litt mit.


    Ich heiratete, zog mit meinem Mann in ein Haus und wir gründeten eine Familie – ganz in der Nähe meiner Heimatstadt. Die kleine Schwester zog es in die Ferne – und plötzlich war nicht „die Große“ diejenige, die da war wenn meine Oma (der Opa war mittlerweile verstorben) jemanden brauchte, sondern ich, die unbeachtete, die, die nie was konnte, die, die immer außen vor stand. Und ich erfüllte meine Pflicht, fuhr sie zum Einkaufen, zum Arzt, war immer da, wenn sie mich brauchte – und ich machte es gern. Als meine Tochter auf die Welt kam, war sie das Enkelkind das „greifbar“ war, das, welches ihr örtlich und seelisch am nächsten stand. Das Verhältnis meiner Oma zu mir änderte sich. Sie sah mich mit anderen Augen, erkannte, dass nicht immer die, die man so schätzt weil sie zuerst da sind, die sind auf die man sich verlassen, kann, sondern dass Hilfe oft aus Ecken kommt, die man nicht vermutet.


    1 1/4 Jahre nach der Geburt meiner Tochter wurde ich schwer krank. Rettungshubschrauber, mehrere Notoperationen, Ungewissheit, ob ein Überleben gesichert ist – es sah nicht gut aus, aber ich schaffte es. Ganze drei Monate war ich in verschiedenen Krankenhäusern bis ich wieder heim durfte. Das Verhältnis zwischen meiner Großmutter und mir änderte sich nochmals ein wenig, sie bekam Respekt vor meinem Kampfeswillen, vor meinem Durchhaltevermögen, davor, dass ich noch da war. In dieser Zeit hatten wir viele Gespräche – über den Sinn des Lebens, über die Farben des Herbstes, über die Entwicklung von Kindern – einfach über Gott und die Welt. Und irgendwie sickerte bei ihr die Einsicht durch, dass sie so manches falsch eingeschätzt, missverstanden und nicht richtig einsortiert hatte. Sie hatte Gespräche mit meiner Mutter, fragte sie einmal sogar: „Warum tut sie das alles für mich?“


    Meine Großmutter fuhr gerne mit mir Auto, genoss es mobil zu sein. Sie war geistig frisch bis zu ihrem letzten Tag. Sie starb 1996 – aber sie fährt immer noch mit mir im Auto mit. Ich höre sie über die Farben des Herbstes schwärmen, sich über einen blauen Himmel, der wie gemalt aussieht begeistern, habe im Ohr wenn sie sagt: „Ist das schön mit dir unterwegs zu sein“. Ich habe meinen Frieden mit ihr gemacht.

  • schön schön die geschichte ... nur am ende wird sie etwas sehr unübersichtlich ... also ich find sie schön und kann man ziemlich gut nachvollziehen!



    hast du das wirklich erlebt? oder alles erfunden?

  • ach ja, so ähnlich ging es mir mit meiner oma auch!


    als ich ganz klein war, sie sagte immer zu meiner mutter: mit dem jungen stimmt was nicht. die anderen hüpfen auf dem sofa herumg und der sitzt in der ecke und schaut sich bücher an, obwohl er nicht mal lesen kann.


    mit mir konnte sie einfach nichts anfangen.


    und später hat sie ganz besonders anteil an meinem leben genommen, vor allem, als ich lange zeit im ausland war...


    bo