Unterwegs in einem kleinen Land - Philip K. Dick

  • Liebeskind Verlag, August 2009
    gebundene Ausgabe, 376 Seiten
    OT: Puttering About In A Small Land (Ersterscheinungsdatum 1985)
    übersetzt von Jürgen Bürger und Katrin Bielfeldt


    Kurzbeschreibung
    Erstmals in deutscher Übersetzung: Philip K. Dicks großer Roman über den Niedergang einer Ehe zu einer Zeit, als Amerika seine Unschuld verlor. Der Kultautor der Science-Fiction einmal nicht als Visionär ferner Welten, sondern als unnachgiebiger, hellsichtiger Chronist seiner Zeit.Los Angeles, 1952. Virginia Lindahl will ihren zehnjährigen Sohn Gregg auf ein Internat schicken, das in den Bergen außerhalb der Stadt liegt. Sie hofft, die ländliche Umgebung werde Greggs Asthma lindern, aber in Wahrheit soll der Junge nichts von den fortwährenden Eheproblemen seiner Eltern mitbekommen. Ihr Mann Roger Lindahl ist zunächst dagegen, ändert seine Meinung aber, als er bei einer Besichtigung des Internats Chic und Liz Bonner kennenlernt, deren Söhne dort Schüler sind. Die Lindahls verabreden eine Fahrgemeinschaft mit den Bonners, um die Kinder am Wochenende in die Stadt zu holen was eine Reihe von Verwicklungen auslöst, die das Leben beider Familien für immer verändern wird ... »Unterwegs in einem kleinen Land« ist eine packende, atmosphärisch dichte Milieustudie der amerikanischen Mittelschicht zu Beginn der fünfziger Jahre. Philip K. Dick versteht es meisterhaft, anhand des Psychogramms einer Ehe die Antriebsweisen einer Gesellschaft aufzudecken, deren Träume auf Illusionen gründen und zwangsläufig im Nichts verlaufen.


    Über den Autor
    Philip K. Dick wurde 1928 in Chicago geboren. Schon in jungen Jahren schrieb er zahllose Stories und arbeitete als Verkäufer in einem Plattenladen in Berkeley, ehe er 1952 hauptberuflich Schriftsteller wurde. Er verfaßte über hundert Erzählungen und Kurzgeschichten für diverse Magazine und Anthologien und schrieb mehr als dreißig Romane, von denen etliche heute als Klassiker der amerikanischen Literatur gelten. Philip K. Dick starb am 2. März 1982 in Santa Ana, Kalifornien, an den Folgen eines Schlaganfalls.


    Meine Meinung
    Im Jahr 1952 betreibt Roger Lindahl ein kleines Geschäft für Fernsehelektronik in Los Angeles. Mit seiner Ehefrau Virginia war er 1944 während des zweiten Weltkriegs von Washington nach L. A. gekommen, da man dort damals gutes Geld in der Rüstungsindustrie verdienen konnte. Nun, im Jahr 1952, läuft Lindahls Geschäft nur schleppend.
    Der 7-jährige Sohn Gregg soll in eine Privatschule in den Bergen geschickt werden. Wegen seines Asthmas, aber eigentlich da „die Situation zu Hause etwas schwierig ist. Die Atmosphäre ist ziemlich angespannt....“, wie Virginia der Schulleiterin Mrs. Alt erklärt.
    Roger lässt sich nur mühsam von dieser Idee überzeugen. Als jedoch das Ehepaar Liz und Chic Bonner, die zwei 12-jährige Söhne auf dieser Schule haben und in der Nähe der Lindahls in L. A. leben, sich zu einer Fahrgemeinschaft bereit erklären, beginnt Gregg das neue Schuljahr an der Los Padros Valley School.
    Schnell entwickeln sich zwischen den Ehepaaren Lindahl und Bonner über die Fahrgemeinschaft hinaus private Kontakte und die Welt beider Paare gerät gehörig in Unordnung.


    Philip K. Dick schildert das Leben zweier durchschnittlicher amerikanischer Mittelstandfamilien in den 1950er Jahren. Dabei treffen grundverschiedenen Charaktere aufeinander: Virginia, die eine übertrieben hohe Meinung von ihrer Herkunft hat, tritt kühl und unangenehm arrogant auf, dabei aber intelligent und gut erzogen. Roger, der aus ärmeren Verhältnissen stammt und den frühen Tod seines Bruders nicht verwunden hat, wirkt ängstlich, flüchtet sich zuweilen in Fantasiegeschichten, fühlt sich schnell gedemütigt und übergangen. Chic ist nüchtern, ein gewiefter und betuchter Geschäftsmann, auch wenn er etwas behäbig wirkt. Seine Ehefrau Liz wird als liebenswerter Dummkopf beschrieben, sie scheint in ihrer eigenen Welt zu leben und vergisst darüber oft die Realität.
    Dicks Protagonisten bemühen sich eine Fassade von Wohlanständigkeit und Moral aufrecht zu erhalten, obwohl sie sich zunehmend in einem unauflösbaren Dilemma verstricken.


    Dick dringt nicht zu tief in seine Figuren ein. Er beschreibt sie zwar liebevoll und genau, lässt ihnen aber respektvoll ihre kleinen Geheimnisse – mit einem kleinen Augenzwinkern. Dadurch bleiben die Handlungen glaubwürdig und die Charaktere authentisch. Der Erzählstil ist etwas melancholisch, ruhig und sachlich, aber durchaus sehr unterhaltsam.


    Der Autor zeichnet gleichzeitig auch ein Bild von den gesellschaftlichen Verhältnissen in Kalifornien zu jener Zeit. Die Industrialisierung nimmt zu, der Kapitalismus startet durch und fordert seine ersten Opfer.


    Philip K. Dick, der als Science-Fiktion-Autor erst nach seinem Tod Ruhm erlangte, schrieb diesen Roman vermutlich Mitte der 1950er Jahre.
    Diese Milieustudie, auch etwas der Stil, erinnert an "Zeiten des Aufruhrs" von Richard Yates ohne dessen sprachliche Brillanz zu erreichen.
    Deshalb 7,5 Punkte.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Danke für deine Rezi, um das Buch schleiche ich schon eine ganze Weile herum. Wenn das Buch nur als Taschenbuch erscheinen würde :gruebel ... aber das ist ja doch eher unwahrscheinlich. Nunja, vllt. bringt es ja der Weihnachtsmann mit ;-)

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • @ Herr Palomar: Zu Deiner Anmerkung im "Ich lese gerade..."-thread, dieser Hinweis auf Richard Yates und Charles Willeford steht auch auf der Rückseite des deutschen Ausgabe.


    Nun kenne ich von Charles Willeford gar nichts, aber ich habe auch, in einer Rezension der FAZ gelesen, dass Dick das Buch sehr wahrscheinlich Mitte der 1950er Jahre schrieb.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

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    Dass Zeit sich lohnt

  • Charles Willeford kenne ich auch nicht. Vielleicht lohnenswert mal nach ihm zu forschen.


    Zum Erscheinungsdatum gibt Biograph Uwe Anton wahrscheinlich 1957 an, ganz sicher weiß das niemand, da der Roman ja schließlich erst posthum erschienen ist.
    Ca. 6 unveröffentlichte realistische Romane hat Dick schon vorher geschrieben. Davon sind einige Manuskripte leider aber verschollen!

  • Puttering about in a Small Land– Philip K. Dick


    Meine Meinung:
    In der Ehe zwischen Victoria und Roger Lingdahl steht es nicht zum Besten. Sie sind ziemlich unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Vorstellungen von der Zukunft. Victoria beschließt, ihren 7jährigen Sohn Gregg in einem Internat in den Bergen unterzubringen. Roger ist zunächst dagegen, ändert dann aber seine Meinung, als er dort die attraktive Liz Bonner trifft, die ebenfalls ihre Kinder in diesem Internat hat.


    Dick hat ein Gespür dafür, kleine Stimmungen in Situationen zu erfassen und zu vermitteln.
    Er ist ein realistischer Autor, der das Lebensgefühl der 50ziger Jahre in den USA eindringlich beschreibt. Große Worte sind dabei nicht seine Methode, er verlässt sich darauf die Atmosphäre für sich selbst sprechen zu lassen.
    Über Dialoge werden die Charaktere entwickelt, so zum Beispiel im Gespräch zwischen Victoria Lingdahl und Mrs. Alt, die die Schule leitet. Dabei erzählt Victoria ihr viel, fast ungewollt und die Situation der angespannten Ehe zwischen ihr und ihrem Mann Roger wird deutlich.
    Eine ganz ähnliche Szene folgt, als Roger zu dieser Schule fährt. Eigentlich um die Anmeldung von Gregg rückgängig zu machen, aber der extrovertierte Charakter von Liz Bonner gibt den Ausschlag.


    Anders als in seinen berühmten Science Fiction Roman ist hier das Erzähltempo langsam, aber exakt. Sehr gelungen sind die Rückblicke, die Stationen von Victoria und Rogers Ehe beleuchten.


    Über weite Strecken ist es Roger Sicht, die geschildert wird. Seine Perspektive ist nicht unproblematisch für den Leser, denn Roger ist oft unsicher, bekommt unerwartete und unangemessene Wutausbrüche gegen seinen Sohn oder seine Schwiegermutter, zum Beispiel.
    So kann man sein Verhalten zwar meistens verstehen, aber nicht unbedingt immer schätzen.
    Sein Traum vom erfolgreichen Fernsehergeschäft liegt in ferne, seine Perspektivlosigkeit legt sich als Hoffnungslosigkeit um sein Schicksal.


    Ab der Mitte hätte der Roman gerne etwas gestrafft werden können, aber das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der Roman erstmals 1985 posthum erschienen ist und Philip K. Dick den Roman für eine Veröffentlichung deshalb nicht überarbeitet hatte.


    „Puttering about in a small land“ gehört zu den besten Nicht-Science Fiction-Romanen Philip K. Dicks.
    Philip K. Dick hat eine Reihe von Romane dieser Reihe geschrieben, die er bis auf einen zu Lebzeiten nicht veröffentlichen konnte. Dafür wurde er einer der erfolgreichsten Science Fiction-Autoren. Sein Werk beeinflusste noch lange nach seinem Tod das Denken und Schreiben vieler Autoren und Leser.

  • Vielen Dank Sigird und Herr Palomar für eure Rezensionen.
    Ich glaube das Buch muss ich erstmal nicht lesen, da werde ich die TB-Ausgabe abwarten :wave

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Dieser Thread ist ja total an mir vorbei gegangen, und dabei ist das Buch schon lange auf meiner Wunschliste :wow.
    Klingt auf jeden Fall so, wie ich es mir erhofft habe und lohnt einen HC-Kauf. Vielen Dank euch für die Rezensionen!

  • Ungefähr bis zur Mitte des Buches hat es mir gut gefallen, auch wenn ich am Anfang erstmal geschockt war, als eine der Hauptpersonen sich unwohl fühlte, weil sie mit 75mph (was ja ~ 120km/h entspricht) über den Highway fuhr :grin. Aber ab der Mitte nahmen dann diese "Zufälle" zu, die dem Buch (wie ich finde) den Realismus nehmen, und wie Herr Palomar erwähnte, ist es teilweise auch etwas länglich. Das Ende fand' ich dagegen wiederum ganz gelungen.


    Mich konnte das Buch also nicht so richtig überzeugen, ich glaube, ich lese doch lieber weiter nur Dicks Science-Fiction-Bücher - da gibt's ja schließlich auch genug. :-)


    Von mir gibt's jedenfalls 7 Punkte.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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