Verlag entfremdet Manuskript!

  • Vor ca. einem halben Jahr war es endlich soweit: Ich habe meinen ersten Roman fertiggestellt! Rasch nochmal alles überflogen, hie und da ein paar Tippfehler und unsaubere Formulierungen entfernt, dann wagte ich den Schritt, es in ausgedruckter Form an einen Verlag zu versenden. Es geschah das schier Unglaubliche: Bereits nach der ersten Anfrage wurde mein Manuskript angenommen!
    In meiner Euphorie reiste ich einige Kilometer weit in eine Kleinstadt, in der mich mein künftiger Lektor empfangen sollte, um sich dort persönlich mit mir über mein kleines "Werk" zu unterhalten. Was ich dort zur Begrüßung bekam, war allerdings kein Präsentkorb, sondern mein Manuskript, an dem ordentlich der Rotstift angesetzt wurde.
    Ich wurde stutzig. Eigentlich hatte ich alle Fehler doch bereits eigenständig ausgemerzt und selbst, wenn ich nicht so verblendet war und ernsthaft glaubte, mein Manuskript wäre einwandfrei, einfach perfekt, so hatte ich nie erwartet, dass man wirklich so viel ausbessern konnte, ja, vielleicht sogar musste.
    Ich nahm in einem schicken Café Platz und ging das "neue" Manuskript eingängig durch. Rasch fielen mir einige Merkwürdigkeiten auf, die aus meiner Sicht überhaupt nicht in den Roman passten. Mein Hauptcharakter - ein junges und doch taffes Mädel aus einer "Durchschnittsfamilie" - wurde plötzlich zu einer zickigen Tussi, die eine Liaison mit einem Nebencharakter anfing, obwohl dieser doch eigentlich einen schmierigen "Handlanger" des Antagonisten darstellen sollte. Doch das Schlimmste sollte noch kommen, denn wurde das Ende des Manuskriptes komplett verworfen. Ursprünglich sollte die Protagonistin am Ende des Buches sterben, stattdessen entkommt sie dank einem unbekannten Retter knapp dem Tode und als Dank beginnt sie im letzten Kapitel eine weitere Bettgeschichte - und das, obwohl sie doch bereits mit einem anderen fest zusammen sein sollte.
    Die Begründung: Man wolle sich das Ende offen halten, für einen möglichen Nachfolger.
    So nicht! Schlagartig wandelte sich meine Freude in verzweifelte Wut um, grußlos verließ ich den Lektor, den Autorenvertrag unterschrieb ich natürlich nicht.


    Nun, ich gebe zu: All das war gelogen. Zwar schreibe ich aktuell an einem Roman, dieser ist aber noch lange nicht fertig, an eine Veröffentlichung ist daher gar nicht zu denken. Und doch stelle ich mir immer mal wieder die Frage, wie es wohl aussehen könnte, wenn ich einmal mit meinem fertigen Manuskript an einen rennomierten Verlag trete und in deren Programm aufgenommen werde.
    Nicht selten habe ich beim Stöbern auf den Seiten einiger BoD-Autoren und Eigenverlegern gelesen, dass sie diesen oftmals umstrittenen Weg eingeschlagen haben, weil sie ihr Werk ganz so, wie es nunmal ist, bewahren und sich nicht den Entscheidungen ihrer Lektoren beugen oder die Rechte an ihrer Geschichte abtreten wollten. Und auch sonst sieht man nicht selten, dass hässliche Cover und unpassende Titel einen eigentlich wunderschönen Roman zieren und das höchstwahrscheinlich nur, weil dies dem Verlag am lukrativsten erschien.


    Meine Frage wäre deshalb: Wie steht ihr dazu? Welchen Weg würdet, werdet oder habt ihr vielleicht bereits ein(ge)schlagen und seht ihr das (drastisch ausgedrückte) Entfremden des eigenen Manuskripts als bezahlbaren Preis für eine Veröffentlichung an?


    Liebe Grüße,
    Kristallfeder

  • Zitat

    Original von Kristallfeder
    seht ihr das (drastisch ausgedrückte) Entfremden des eigenen Manuskripts als bezahlbaren Preis für eine Veröffentlichung an?


    Ich glaube, in dem von Dir geschilderten Ausmaß kommt so etwas nicht vor. Warum? Zu viel Arbeit für den Lektor. Bevor er ein fertiges Manuskript dermaßen umkrempelt, wird er vermutlich eines der vielen anderen nehmen, die sich auf seinem Schreibtisch stapeln. Eines, das schon mehr auf der "Linie" des Verlages ist. Damit kommt er schneller ans Ziel.
    Generell sollte man ein Verkagslektorat nicht als Gegenspieler sehen. Autor und Lektor sind ein Team, das daran arbeitet, aus einem Manuskript das bestmögliche Buch zu machen. In den meisten Fällen wird dieses fertige Werk dann sehr nah an dem sein, was der Autor gewollt hat, was aber im Manuskript noch durch Fehler und Schwächen verdeckt war, die man als Autor irgendwann einfach auf Grund von Betriebsblindheit nicht mehr erkennt.


    Von den Marketingabteilungen, die dann Titelbild und Klappentext gestalten, habe ich von einigen Kollegen schon Gruselgeschichten gehört. Ich selbst kann auch hier nicht klagen.


    Schreiben ist ein einsames Geschäft, aber Veröffentlichen ist ein Teamspiel.

  • Herkunft Frankfurt am Main.
    :gruebel


    Na, kann ja so sein. Die Stadt gibt es im Unterschied zu Bielefeld und Deiner Story über wilde Eingriffe von Lektoratsseite in Manuskripte hochbegabter JungautorInnen ja wirklich.
    :grin



    zu Deiner Frage:


    es ist Deine Entscheidung. Wenn Du für die Veröffentlichung Deines Manuskripts Geld bezahlen möchtest, tu's.
    Es ist Dein Geld.
    Bloß nenne Dich hinterher nicht Autorin oder behaupte, Du seist bei einem Verlag oder wundere Dich gar, warum keiner Dein 'Buch' kaufen will.


    Wenn Du Dich auf die Zusammenarbeit mit einem Verlag einläßt, mußt Du tatsächlich auf einige Überraschungen gefaßt sein. Darunter die Erkenntnis, daß Dein Text mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so wunderbargigantischhervorragend gelungen ist, wie Du denkst.
    Wenn Du das verdaut hast, kann es eventuell tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kommen. Zwischen Lektorat und Autorin.
    Das hat Bernard schon geschrieben.
    Genau so ist es auch.


    Daß es dabei zu Spannungen und Auseinandersetzungen kommen kann, ist ganz klar. Das passiert immer, wenn Menschen zusamemnarbeiten müssen. Es geht hier nicht im Liebe. Ein Buch zu produzieren ist keine friedensstiftende Maßnahme.
    Dennoch schätze ich die Zahl der AutorInnen, die seit langer Zeit mit 'ihren' LektorInnen zum allseitigen Nutzen (Verlagsbilanz und Publikum incl.) ganz wunderbar zusammenarbeiten, als weit höher ein, als die Zahl derer, die sich wegen eines Manuskripts die Köpfe einschlagen.
    Es sind nämlich Profis.


    Wie gesagt, es ist Deine Entscheidung. Auch aus Verträgen mit Verlagen kann man übrigens wieder aussteigen, wenn es zum Schlimmsten kommen sollte.


    Ansonsten kann ich Dir vor allem empfehlen, Dein MS fertigzuschreiben. Ehe das nämlich nicht abgeschlossen ist, ist es völlig sinnlos, sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen. Ungelegte Eier.
    Zeit vertan.
    Die nutzt Du besser zum Schreiben.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich geh mal davon aus, dass kein Lektorat deinen Roman umschreiben würde - das wäre erstens zu viel Arbeit, zweitens hat das letzte Wort immer noch der Autor. Man wird dir maximal Änderungsvorschläge präsentieren, meist aber Fehler aufzeigen, die anders gelöst werden müssen, wobei du die Lösungen aber selbst finden musst. So bleibt es - auch nach umfangreichen Änderungen - immer noch dein Text. Jedenfalls handhaben das die Verlage so, mit denen ich bisher zu tun hatte.
    Klar, mein Text ist mein Baby, und ich hab mir ja mit allem, was ich zu Papier bringe, etwas gedacht. Allerdings sieht der Lektor das alles etwas objektiver, mit den Augen des Lesers sozusagen, und genauso beurteilt er das Manuskript dann auch.
    Meine Erfahrung ist, dass ich - wenn auch mit etwas Abstand - immer noch eingesehen habe, dass meine Lektorin zu 90 Prozent vollkommen im Recht war - um die restlichen 10 Prozent hab ich gefeilscht und in den allermeisten Fällen auch gewonnen. Denn, wie schon gesagt: Du bist der Autor, es ist dein Text, du solltest das letzte Wort haben. Was aber nicht heißen soll, dass du dir eindringlich Gedanken machen solltest, ob das Lektorat nicht doch recht hat. Denn meistens hat es das. ;-)

    Worte sind Waffen. Wenn Ihnen etwas ganz stark am Herzen liegt, legen Sie Ihre Waffe an und feuern. (James N. Frey)

  • "Verlag verfremdet Manuskript" gehört meiner Erfahrung nach in die gleiche Gerüchteküche wie "Verlag klaut eingereichte Buchidee".
    Es sind zwei Dinge, vor denen unveröffentlichte Autoren eine Heidenangst haben, die aber in den allermeisten Fällen - und professionell arbeitende Verlage vorausgesetzt - grundlos ist.


    Verlage wollen i.d.R keine One-Hit-Wonder. Sie möchten Autoren aufbauen, mehrere Projekte machen und mit ihnen viel Geld verdienen. Daher legen Lektoren Wert auf gute Zusammenarbeit (ich kenne übrigens beide Seiten des Schreibtischs), damit Autoren nicht abwandern.


    Wie weit man als Autor für eine Veröffentlichung gehen will, welche Kompromisse man in Hinblick auf Zielgruppe usw. macht, sollte man für sich persönlich am Einzelfall festmachen - dem lektorierten Script also. Bis es dazu kommt, ist sowieso ein weiter Weg zurückzulegen.


    Was Titelbilder ua. angeht, habe ich bislang nur gute Erfahrungen gemacht und auch meine Wunschtitel sind immer gekommen.
    Es kann aber sein, dass zB. Arbeitstitel von Manuskripten geändert werden müssen, weil sie auf dem Markt bereits etabliert sind. Es steckt also in so einem Fall keine "böse Absicht" dahinter oder das Marketingmonster, sondern schlicht eine praktische Notwendigkeit.


    Gruß,
    ElBe

  • Ich kann mich meinen Vorposterinnen nur anschließen. Etwa 90% der Änderungswünsche meiner Lektorin nehme ich unkommentiert an und schreibe um (und frage mich im Stillen, warum ich Honk nicht selbst gesehen habe, was ich für einen Mist verzapft habe), bei den restlichen 10% habe ich eine andere Meinung, bin aber selbst dann noch bereit, darüber zu diskutieren.
    Zu einem guten Buch braucht's mehr als nur den Autoren. Der sitzt nämlich mit einem Abstand von maximal 20 Millimetern vor seinem Manuskript und verliert unter Umständen den Blick fürs große Ganze. Den wiederum hat der Lektor, der einen im ersten Schritt hauptsächlich auf inhaltliche Fehler hinweist. Ein Lektor ist bestrebt, ein gutes Buch besser zu machen, und so wundert es nicht, dass viele Autoren in der Danksagung ihren Lektoren einen besonderen Platz einräumen. Man muss als Autor krtitikfähig sein, denn selbst ein Buch ist zu einem gewissen Teil Teamarbeit. Insofern kann ich nur jedem Autoren gratulieren, dessen Lektor zum Wohle des Buches bereit ist, mit ihm zu streiten :-)


    Wenn der Schritt zum Selbstverlag oder BoD aus dem Grund gemacht wird, den eigenen Text hundertprozentig so zu erhalten, wie er aus dem eigenen Drucker gequollen ist, so halte ich das für Augenwischerei zum eigenen Ungunsten. Jeder Text benötigt einen Dritten, und zwar einen Profi, der Ecken glättet, Fehler (nicht nur orthografische) findet und gnadenlos auf deren Tilgung besteht. Ich habe mir schon häufig Leseproben bei BoD durchgelesen und in 99% der Fälle gedacht, dass ein Lektor dringend vonnöten gewesen wäre. Und was die hässlichen Cover anbelangt: Nun, auch da vertraue man besser den Profis, nicht den eigenen Fähigkeiten am Computer, ja, nicht einmal dem eigenen Geschmack. Das geht ebenfalls in 99% der Fälle nach hinten los.


    Fazit: Buch fertig schreiben. Überarbeiten. Testleser lesen lassen (keine Familienmitglieder oder allerbeste Freunde!). Überarbeiten. Testleser. Überarbeiten. Agenten suchen. Überarbeiten. Nochmal überarbeiten. Agent sucht Verlag. Findet Verlag. Überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten. Und dann, irgendwann, ist es ein tolles Buch. Und zwar immer noch deins, Kristallfeder. Auch wenn andere ihren Senf dazugegeben haben.


    :wave SteffiB


    Edit: Fähler gefunden

  • Hallo Kristallfeder,


    ich habe meine ersten drei Bücher über BoD herausgebracht, dann drei über Verlage. Die Veröffentlichungen über BoD waren aber nicht aus der Angst heraus, ein Verlag könnte mein Manuskript verfälschen, sondern weil keiner der großen Verlage meine Geschichten drucken wollte. Zu Kleinstverlagen wollte ich nicht, für die Schublade war mir das Geschriebene zu schade, deshalb entschloss ich mich zu den Eigenveröffentlichungen. Ich habe sie nicht bereut, stehe nach wie vor dazu, muss aber auch sagen, dass ihnen ein Lektorat seeehr gut getan hätte!


    Bei dem einen meiner Verlage gibt es nur ein Korrektorat, da werden - abgesehen von Rechtschreibung und Kommasetzung - höchstens einzelne Formulierungen bemängelt. Wenn ich den Vorschlag der Korrektorin nicht akzeptieren will, dann wird meine Formulierung gedruckt.


    Beim anderen Verlag gibt es ein Lektorat, doch wurde mir gesagt, dass man nicht viel lektorieren musste. Was geändert wurde, geschah mit Absprache (hing teilweise auch mit der Seitenaufteilung zusammen, weil der Text zu den Bildern passen musste), an einer Stelle wurde mir noch gesagt, was ich etwa einfügen sollte. Die Zusammenarbeit war prima. Die Bilder und das Cover bekam ich erst beim Umbruch zu sehen, bin aber äußerst zufrieden damit. Beim zweiten Buch habe ich nun erfahren, dass ich dieselbe Illustratorin bekomme und konnte mich mit ihr kurzschließen und Änderungsvorschläge im Bezug auf das Titelbild machen.


    Zwar habe ich noch nicht massenweise Erfahrung, aber in der Regel dürfte ein Lektorat eine große Bereicherung sein. Ansonsten passt es vielleicht nicht, dann kann es besser sein, sich um einen anderen Verlag zu bemühen.


    Grüßle,
    Judith

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

  • Kristallfeder


    Deinen Beitrag in Ehren - aber wenn du dir vorstellst, dass ein Lektor deinen Roman dermaßen umkrempelt, dann kann man wohl davon ausgehen, dass du offenbar auch der Ansicht bist, dass dein Geschreibsel halt nichts taugt. Ansonsten verstehe ich den tieferen Sinn deines Beitrages nicht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

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  • Zitat von Voltaire

    Zitat

    Deinen Beitrag in Ehren - aber wenn du dir vorstellst, dass ein Lektor deinen Roman dermaßen umkrempelt, dann kann man wohl davon ausgehen, dass du offenbar auch der Ansicht bist, dass dein Geschreibsel halt nichts taugt.


    Das muss nicht unbedingt der Grund sein. Für mich klang es mehr so, sie will nicht, dass man ihren Roman auf massentaugliche Klischeekost reduziert oder so ähnlich. Massentauglich und Qualität sind ja nicht unbedingt dieselben Dinge ...

  • Um den Beruf des Lektors ranken sich kaum weniger Gerüchte als um das Leben Jesu. Viele unerfahrene Autoren scheinen der Meinung zu sein, dieser Berufsstand personifiziere die Instanz, die aus guten Büchern schlechte macht, damit sie sich häufiger an dumme Leute verkaufen. Mit dem Originalmanuskript hätte man nämlich nur schlaue Leute erreicht, und deshalb geht man lieber gleich zu BoD oder gründet einen Selbstverlag, um dann niemanden mehr zu erreichen. Hintergrund dieser Gerüchte ist zu einem Gutteil die Tatsache, dass 99,99 Prozent der unverlangt eingesandten Manuskripte von Publikumsverlagen abgelehnt werden.


    Lektoren sind zumeist Angestellte der Verlagshäuser, sie betreuen einzelne Autoren und deren Projekte von der Entwurfsphase bis zum Erscheinen und nicht selten darüber hinaus. Viele haben Germanistik, Publizistik, Linguistik, Sprachwissenschaften oder sogar Deutsch auf Lehramt studiert, aber Lektor ist kein Ausbildungsberuf. Die Aufgabe der Lektoren besteht darin, vor dem Hintergrund des Verlagsprogrammes gemeinsam mit dem Autor aus einem guten Manuskript (ein schlechtes hätte man nicht eingekauft) ein optimales Buch zu machen. Nach meiner und der Erfahrung befreundeter Autoren gibt es in dieser Hinsicht sehr unterschiedliche Ansätze und "Betreuungstiefen". Es gibt Lektoren, die kaum mehr tun, als eigentlich die Korrektoren (später) leisten sollen. Und es gibt Lektoren, die bei ihren Änderungsvorschlägen stilistisch und dramaturgisch sehr weit gehen.


    Alles, was inhaltlich vorgeschlagen wird, sollte im Normalfall auch die Qualität eines Vorschlags haben. Das ist meiner Erfahrung nach auch so; "mein" Lektor begleitet fast jeden Vorschlag mit den Worten: "Es ist Deine Entscheidung, denn es ist Dein Buch." Aber ganz unabhängig davon, wie das vorgetragen wird, sollte das gemeinsame Interesse (Autor und Lektor) an einem möglichst guten Buch im Vordergrund stehen. Autoren sind häufig betriebsblind und in die eigenen Figuren und Formulierungen verliebt, nicht selten missverstehen sie das auf die letzte Seite getippte Wort "Ende" auch als persönlichen Rückzug aus der Kreativphase. Aber nur wenige Manuskripte selbst von gestandenen Bestsellerautoren sind in der ersten Fassung wirklich gut. Die hohe Identifikation mit dem eigenen Werk verhindert eine halbwegs objektive Sicht auf das ganze. Und hier treten dann die Lektoren auf den Plan. Das Ende ist zu hastig und nicht nachvollziehbar. Diese und jene Nebenfigur sind Dir einfach verschütt gegangen. Die Wende ist nicht gut vorbereitet. Diese abschließende Erklärung versteht niemand. Hier gibt es Perspektivwechsel, dort andere gravierende Fehler. Du wiederholst hier ständig etwas, das nervt. Undsoweiter undsofort. Dann geht der Autor (!) wieder ans Werk und ändert das.


    Von Lektoren, die aus einem eingekauften Manuskript ein völlig anderes Buch zu machen versuchen, habe ich jedenfalls bisher noch nicht gehört. Gut, es gibt Lektoren, die ihre Arbeit als pädagogischen Geplänkel missverstehen und/oder ihre eigene Weltsicht, ihre eigenen kulturellen Hintergründe ins Werk einzuschleusen versuchen. Aber ein Manuskript, bei dem inhaltlich so viel zu ändern wäre, wie im Ausgangsposting skizziert, hätte der Verlag entweder nicht eingekauft - oder bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen, dass sehr viel zu ändern wäre. Als Mogelpackung im Rahmen der Redaktion passiert sowas jedenfalls nicht.

  • Bei Sach-und Schulbüchern habe ich es allerdings schon miterlebt, dass man sich hat vom Probekapitel täuschen lassen und der Autor das Buch nicht auf die Reihe kriegte, egal wie viele Nachbesserungsdurchläufe erfolgten. Da schrieb dann entweder die Sachbuchredaktion das ganze gründlich um oder, in anderen Fällen, wurde ein neuer Autor drangesetzt.


    Da wird aber auch (manchmal) anders gearbeitet als in der Belletristik: Verlag plant Buch für Marktnische XY und sucht sich die Autoren dazu. Insbesondere im Schulbuchbereich habe ich es so erlebt.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Also den Großteil haben meine Vorschreiber schon wunderbar formuliert. Ich kenne nicht wenige unveröffentlichte Autoren, die solche und ähnliche Albträume von Lektoren haben. Ich kann nur ganz laut und deutlich sagen: :bruell FALSCH! Sicher gibt es Kompromisse in der Zusammenarbeit mit einem Lektor, aber niemals wird da etwas verändert oder gar umgeschrieben ohne Zustimmung des Autors. Alles, was es gibt, sind Vorschläge. Zu 90% gute und richtige, zu 9% gute, aber mir nicht passende und zu höchstens 1% schlechte Vorschläge. Guter Schnitt, oder?


    Und noch was:


    Zitat

    Und auch sonst sieht man nicht selten, dass hässliche Cover und unpassende Titel einen eigentlich wunderschönen Roman zieren und das höchstwahrscheinlich nur, weil dies dem Verlag am lukrativsten erschien.


    Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass mir niemals hässlichere Cover oder schlechtere Titel oder grottigere Klappentexte untergekommen sind als beim Gros der BoD Bücher. Warum das so ist? Wir Autoren verstehen was vom schreiben. Andere Leute verstehen was von Graphik, Design, Schriften, optische Wirkung, Verkauf und Marketing. Erst wenn alle diese Leute ihre Talente zusammen einsetzen, wird das Produkt am Markt konkurrenzfähig sein.


    Das ist meine ganz offene Autorenmeinung.


    lg :wave Claudia

  • Ich habe Lektoren bislang nur als sehr aufmerksame Ratgeber kennengelernt, sowohl im Sachbuchbereich als auch in der Belletristik. Sie haben den nötigen Abstand zu den Texten und können die Stellen aufzeigen, an denen nachpoliert werden sollte. Die Entscheidung, welchen Vorschlag ich annehme und welchen nicht, liegt aber am Ende bei mir.
    Lektor und Autor haben ein gemeinsames Ziel: Ein tolles Buch zu machen, dass sich gut verkaufen lässt.
    Solche Horrorszenarien, wie hier im Einstiegsposting beschrieben, entspringen wohl eher der Fantasie.

  • Zitat

    Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass mir niemals hässlichere Cover oder schlechtere Titel oder grottigere Klappentexte untergekommen sind als beim Gros der BoD Bücher.


    Abgesehen von sogenannten "historischen Romanen" vielleicht - die sehen alle gleich aus und es werden meist barocke Gemälde oder Teile davon für das Cover verwendet. Und nicht selten dieselben für mehrere Bücher aus unterschiedlichen Verlagen (weil: rechtefrei). Siehe auch hier:


    verschiedene Bücher - gleiche Cover?

  • Zitat

    Original von Susanne O.
    Ich habe Lektoren bislang nur als sehr aufmerksame Ratgeber kennengelernt, sowohl im Sachbuchbereich als auch in der Belletristik. Sie haben den nötigen Abstand zu den Texten und können die Stellen aufzeigen, an denen nachpoliert werden sollte. Die Entscheidung, welchen Vorschlag ich annehme und welchen nicht, liegt aber am Ende bei mir.
    Lektor und Autor haben ein gemeinsames Ziel: Ein tolles Buch zu machen, dass sich gut verkaufen lässt.
    Solche Horrorszenarien, wie hier im Einstiegsposting beschrieben, entspringen wohl eher der Fantasie.


    Das kann ich bestätigen. Ich betätige mich momentan als Lektorats-Volo in einem Sachbuchverlag, und der größte Teil meiner Tätigkeit entfällt auf Rechtschreibkorrekturen, Kommata (jede Menge davon), Absätze (noch mehr davon) und hier und da das Ersetzen eines Namens durch ein Pronomen und ähnliche kleine Schönheitskorrekturen. Wenn größere Änderungen nötig werden, machen wir das gemeinsam mit dem Autor, bzw. lassen ihn noch mal am Manuskript arbeiten.


    Außerdem: Woher sollte ein Lektor eigentlich die Zeit, bzw. die Nerven nehmen, z.B. das Ende eines Buches komplett neu zu schreiben? Bücher, die so große Schwächen haben, dass das komplette Ende verändert werden muss, dürften wohl eher Probleme haben, überhaupt zum Lektorat "zugelassen" zu werden.

    Logisch: Wer immer den anderen hinterherläuft, wird niemals Erster sein.

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  • Fangen die Änderungswünsche nicht schon in einem viel früheren Stadium an ... beim Exposee bzw. beim Agenten? "Wenn Sie die Geschichte mehr in Richtung Thriller drehen, hätte das Buch bessere Verkaufschancen."


    Entweder der Autor kann sich vorstellen, die Story als Thriller anzulegen ... aus der Sicht der Tochter zu schildern ... etc. , oder der Agent nimmt das Exposee eben nicht. Projekt einstweilen gestorben.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner