Nanu, noch kein Buch von Leonie Ossowski in der Büchereulendatenbank?
Das überrascht mich jetzt aber.
Das will ich dann gleich mal mit der Vorstellung einer ihrer Romane nachholen.
Und zwar mit „Die Maklerin“ aus 1994.
Das Buch fängt damit an, dass eine gewisse Dora Botag durch ihr Haus schleicht, mit dem Entschluss, für immer und unbemerkt zu verschwinden. Die Angst vor der Vergangheit treibt sie aus ihren eigenen vier Wänden.
Nach und nach erfahren wir, wer diese Dora Botag ist und wie es dazu gekommen ist, dass sie jetzt als Stadtstreicherin ihr Leben weiterleben will.
1925 wurde sie in der Nähe von Riga, an der litauischen Grenze geboren als Tochter eines deutschbaltischen Stellmachers. Als der Vater 1939 „über Nacht ein Nazi wurde“ und sich nach Polen umsiedeln liess, ist die kleine Dora entsetzt, hat aber keine andere Wahl. In einem enteigneten Betrieb beginnt die Familie ein neues Leben. Als nach Ende des Krieges die rechtmässigen Eigentümer ihren Besitz zurückwollen, kommt es zu einem Zwischenfall, den Dora aus ihrem Gedächtnis streicht, der sie jedoch viele Jahre später, als sie schon eine erfolgreiche Maklerin in Berlin ist, wieder einholt.
Je mehr wir über Doras Leben erfahren, umso mehr wird ihr Einkaufswagen vollgepackt mit Tüten.
Die Geschichte ist sehr spannend und plastisch geschrieben. Ich habe mich in der Opdachlosenwelt schnell zuhause gefühlt. Während Dora mit dem täglichen Kampf ums Überleben beschäftigt ist, erfahren wir so ganz nebenbei mehr über ihre Ehe, ihre Kinder, ihre Karriere.
Leonie Ossowski wird von vielen Kritikern in die Trivialliteraturecke gedrückt. Meiner Meinung nach gehört sie dort nicht hin. Der vorliegende Roman ist sicher mehr als nur reine Unterhaltung.
Die Autorin verfügt über einen herzerfrischend subtilen Humor, etwas was man in der neueren deutschsprachigen Literatur leider wenig findet.
Die Anregung zu der Geschichte kam übrigens von einem Berliner Original, der sogenannten Tütenpaula, die jahrelang auf dem Berliner Kurfürstendamm herumstrich.