Die Nachteile des Plebiszits - Schweizer stimmen gegen Minarett-Neubauten

  • Zitat

    Original von Clio
    Es ist doch kein Zeichen von demokratischer Kultur, dass man über Entscheidungen nicht diskutieren kann und auch seine Ablehnung zum Ausdruck bringt. Im Gegenteil, das abzulehnen ist Zeichen eines sehr merkwürdigen Demokratieverständnisses.


    Natürlich kann jeder bei seiner Meinung bleiben.
    Natürlich kann auch jeder sagen, dass er anders gestimmt hat oder gestimmt hätte, als die Mehrheit es getan hätte.
    Zu einer Demokratie gehört aber, dass man den Mehrheitsentscheid als bindend akzeptiert. Dies tut man nicht, wenn man nach einem unangenehmen Wahlausgang unterstellt, die Wähler hätten sich "falsch entschieden" oder "die Wahl hätte gar nicht stattfinden dürfen". Wenn man dies nur auf Basis der eigenen Meinung tut, so setzt man diese eigene Meinung absolut. Das ist ein Element der Regierungsform "Anarchie", nicht "Demokratie".
    Ich kann zwar sehr gut nachvollziehen, dass man der Anarchie zuneigt (von Geburt an sind wir schließlich alle Anarchisten, alles andere ist anerzogen), nur sollte man dann nicht so feige sein und sich unter den Rockschoß irgendwelcher Gerichtshöfe flüchten, bei denen man dann Wahlentscheidungen wieder wegklagen kann. Vielmehr sollte man dann auch die Charakterstärke haben und sagen: "Auf Grund meiner überlegenen Intelligenz und Sachkenntnis steht meine persönliche Meinung über dem Gesetz." Und man sollte auch von niemand anderem mehr verlangen, dass er sich an demokratisch verabschiedete Gesetze hält.

  • Dem kann ich nicht zustimmen. Auch wenn man sagt, man halte die Entscheidung der Wähler für falsch, ist das immer noch einfach nur eine Meinungsäußerung. Wahlentscheidung können falsch sein, selbstverständlich. Das heißt doch nicht, dass man das Ergebniss nicht grundsätzlich anerkennt. Ich habe hier zumindest keine Aufrufe zum Putsch gesehen oder zu einer militärischen Intervention in der Schweiz oder dergleichen. Das hieße das Wahlergebniss nicht anerkennen. :grin

    :lesend Walter Kempowski "Das Echolot"

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  • Zitat

    Original von Babyjane


    Demokratie ist darauf ausgelegt, sich nach dem Willen der Mehrheit zu richten, der wurde hier mehr als deutlich artikuliert, aber das ist wohl zu unbequem....das will man dann doch auch nicht, denn das Volk ist ja zu dumm, um zu entscheiden, was es wirklich will... (genau das hat Draper ja in einer der vorausgehenden Beiträge geschrieben).... hui... saftige Aussage muß ich zugeben... ehrlich... da braucht das Volk doch einen intelligenten Menschen der es in die richtige Richtung führt.... oder? !


    Wenn, du mein Zitat nicht aus dem Zusammenhang gerissen hättest, würde da jetzt stehen, dass es um den Volksentscheid pro oder contra EU-Verfassung in Irland ging. Wir haben Freunde dort, und es war schon spannend, was die Leute an Argumenten gegen diese Verfassung vorgebracht haben. Es gibt sicherlich gute Gründe, da dagegen zu sein, was ich aber von Iren gehört (und dort in der Zeitung gelesen) habe, war einfach nur Humbug.
    Und wenn mir ein Ire (es waren sogar mehrere) sagt, sie wären gegen die EU-Verfassung, weil sie dann die Abtreibung legalisieren müsste, dann haben sie keine Ahnung, tut mir leid


    edit soo viele Fehler

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()

  • @ Draper
    Meinst du nicht deine Ansicht kommt ein bißchen sehr ähm... elitär daher?
    Natürlich ist das gesamte Volk nicht so politisch interessiert und engagiert, daß es jegliche Zusammenhänge erkennt und erkennen will, das ändert aber nichts daran, daß auch uninformierte Menschen DAS RECHT haben ihre Meinung zu äußern und sie in Abstimmungen und Wahlen kundzutun.
    Das was ich hier in diesem Thread lese hört sich sehr stark danach an, daß man manchen Menschen dieses Recht aberkennen sollte und da finde ich es wesentlich weniger schlimm gegen einfache Türmchen zu sein, als zu sagen, der ungebildete Pöbel ist zu dämlich die richtigen Entscheidungen zu treffen und somit seine eigene Meinung als einzig richtige darzustellen.... (allerdings hat Bernard das grad weiter oben schon ähnlich dargestellt, wenn ich ihm auch nicht bei jedem Gedanken folgen möchte, so schlecht war das nicht, was er da schrieb...)

  • sorry, ja, ich bin so elitär, dass ich denke, ein jeder darf sich eine Meinung bilden, sie auch äußern, aber ich finde es gruslig, wenn eine Mehrheit, die sich ihre Meinung auf Grund diffuser Bauchgefühle gebildet hat (beruhend auf bewusst gestreuten Falschaussagen), wichtige Entscheidungen mittreffen darf (und das bezieht sich jetzt nicht auf die Minarette, sondern z.B. die EU-Verfassung)


    Was die Türmchen angeht, wurde hier doch mehrfach erwähnt, dass es nicht alleine um die Bauwerke geht:


    Zitat

    Vielen Stimmbürgern ging es nicht um die Minarette allein, sondern darum, dem Parlament, der Regierung, der Politik eine Absage an ihre Art der Politik zu erteilen. Viele empfinden es so, dass die Leute, die als Gast in der Schweiz weilen, verlangen, dass man sich ihnen anpasst und nicht umgekehrt. Niemand wird gezwungen, im Land A oder B zu wohnen. Will man das aber, dann sollte man sich halt mit der dortigen Kultur etc. ein wenig mehr auseinandersetzen.


    Zitat

    .....ich denke man muss das Minarett wohl als Symbol für eine voranschreitende Islamisierung ansehen. Insofern verfehlt man nicht das Thema, wenn man als Gegenargument Zwangsehen usw. anführt.

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  • Seufz... ich wollte dir lediglich aufzeigen, wie du dich anhörst oder vielmehr liest....


    Natürlich gibt es Mehrheitsentscheidungen, gegen die es sich lohnt anzuschwimmen und gegen die etwas unternommen werden muß.... die man nicht hinnehmen sollte oder darf... aber ganz ehrlich, weil die Schweizer sagen, wir wollen keine Minarette mehr, sehe ich die Freiheit nicht so gefährdet, daß ich etwas extrem Negatives an der Volksabstimmung erkennen könnte


    Und natürlich darf jeder seine Meinung dazu äußern....
    Warum also darf ich nicht sagen: Find ich gut?
    Da kommt man mir direkt mit Dummheit, Ignoranz, mangelndem Demokratieverständnis, Fremdenfeindlichkeit, Desinformation, falschen Vergleichen....


    Bei Meinungen gibt es eigentlich aus meiner Sicht kein Richtig und kein Falsch, bei Handlungen gibt es das, aber bei Meinungen darf jeder meinen, was er gerne will.... also darfst du auch gerne meinen, daß dem dummen Volk die Abstimmungsmöglichkeit nicht gut tut.... bloß wer entscheidet dann, wer klug genug zum Abstimmen ist?
    Ist klug genug derjenige der einer bestimmten Meinung folgt?
    Sind klug genug all jene mit Abitur? Oder sind klug genug, die mit dem richtigen Parteibuch in der Tasche....bist du klug und informiert genug, um zu entscheiden, was gut für die Iren oder Schweizer ist, obwohl du nicht in deren Ländern lebst? :gruebel


    Kein Angriff, nur Überlegungen...


    Edit:


    Ach ja und es geht sehrwohl um die Bauwerke, in der Abstimmung ging es sogar ausschließlich um die Bauwerke, alles andere ist das was jetzt von uns und anderen in diese Entscheidung hinein interpretiert wird....

  • @BJ: "Sie wollen keine Türme" oder "Es geht nur um Bauwerke" sind absichtsvolle Verniedlichungen, denn es geht definitiv nicht "nur" um Bauwerke - in diesem Fall hätte der Antrag lauten müssen, alle "minarettähnlichen Turmbauten" qua Verfassungsänderung zu verbieten. Es geht um diese Türme und also Bauwerke als Symbole. Kirchtürme und Minarette sind die weithin sichtbaren Merkmale der entsprechenden Sakralbauten, und ihre Botschaft lautet ganz klar: Seht, hier sind Christen bzw. Muslime. Das sind Zeichen der Präsenz, der Religionsausübung, der (Multi-)Kultur. Sie - auch noch per Verfassungsänderung! - zu verbieten, das ist keine simple Bauvorschrift oder landschaftsgestalterische Maßnahme, sondern eine klare Ansage an die Muslime: Wir wollen nicht, dass man Euch wahrnimmt.

  • Zitat

    Original von Tom
    @BJ: "Sie wollen keine Türme" oder "Es geht nur um Bauwerke" sind absichtsvolle Verniedlichungen, denn es geht definitiv nicht "nur" um Bauwerke - in diesem Fall hätte der Antrag lauten müssen, alle "minarettähnlichen Turmbauten" qua Verfassungsänderung zu verbieten.


    Was jetzt an der Formulierung "minarettähnliche Turmbauten" anders sein sollte, verstehe ich nicht ganz. Damit würde man sich doch genauso auf den Islam beziehen?

  • Naja, "minarettenähnliche Turmbauten" wäre alles andere, was ähnlich aussieht, aber eben nicht zu einer Moschee gehört oder so. Das wird wahrscheinlich nur so einfach keiner bauen wollen, wozu auch?

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    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Gummibärchen ()


  • Anders als in deinem Beispiel ist, dass es in unserer Gegend Mehrheiten waren (und zum Teil sind), die Kirchen gebaut und erhalten haben bzw. bauen und erhalten. Und dass es Minderheiten - z.T. Gäste und zum Teil neu eingezogene - sind, die Moscheen bauen.


    Ich kann mit dem Entscheid in der Schweiz leben. Es ist die Meinung einer Mehrheit. Mir wäre es aber lieber, wenn Moslems im gewissen Rahmen, der zur Bevölkerungsstruktur passen sollte, Moscheen mit Minaretten bauen können.


    Das Beispiel hinkt auch dahingehend, dass ein Kruzifix gut in ein Zimmer passt. Die Moschee und die Kirche aber bewußt öffentliche Orte sind. Es ist - jedenfalls was den christlichen Glauben angeht - eine irrige Ansicht, er sei ausreichend in den eigenen vier Wänden zu praktizieren. Der Gemeinschaftsgedanke, der Gedanke, den Glauben öffentlich zu leben, gehört genuin dazu. - Damit soll nicht aggressiver Mission das Wort geredet werden. Es ist mir einsichtig, dass in der heutigen Zeit der Respekt vor den Menschen anderen Glaubens (in welcher Form der Religiosität auch immer (wobei die Form des Atheismus durchaus darunter fällt!)) auch Freiräume für diese Menschen gebietet. Nur muss dann in der gemeinsamen WG ein Weg gefunden werden, der allen drei Seiten gerecht wird. Und da gibt es die Kirchen, die Moscheen und die Freiräume.
    Nun ist es natürlich für den Atheisten am schwersten, der sich durch die Ablehung der Religionen definiert. Nur: Sollte es wirklich mehrheitlich zugehen, ist er in BJ's Beispiel 2/3 zu 1/3 unterlegen. Und: sollte es (was mir lieber wäre) wie unter gleichberechtigten Partnern zugehen muss er dennoch akzeptieren, dass die anderen beiden Positionen auch ihr Recht beanspruchen dürfen, denn sonst würde der eine die andern beiden ja doch dominieren.
    An der Stelle würde aber doch jegliche Demokratie und jeder gegenseitige Respekt verloren sein, oder???


  • Wenn ich das Argument nun richtig verstanden habe, ist der Christ in dem Beispiel die muslimische Minderheit in der Schweiz, der Atheist und der Muslim sind die Mehrheit der Schweizer, die das Kreuz (also die Minarette) nicht wollen.


    Das Beispiel trifft so wie du es beschreibst dann aber nicht auf die Situation in der Schweiz zu. In diesem Gemeinschaftsraum, den du beschreibst, gibt es keine religiösen Symbole der Mehrheit, der Atheist und der Muslim haben nichts aufgehängt (Zumindest klingt es in deiner Argumentation nicht so). In der Schweiz gibt es aber Symbole der Mehrheit - Kirchen. Mit Kirchtürmen.


    Würde man das in dein Beispiel einbauen, würde das bedeuten, dass in dem Gemeinschaftsraum bereits Symbole des Muslims und des Atheisten hängen würden. Dann kommt der Christ, und will auch eins hinhängen, darf aber nicht, weil die Mehrheit dagegen ist? Das ist ungerecht. Entweder dürfen alle ihre Symbole aufhängen, oder eben keiner.

  • Seufz...dann sind es eben zwei Muslime und ein Christ... die Muslime haben im Wohnzimmer dann halt ein Bild von der Kaaba hängen und wollen das Kreuz nicht....


    Meine Güte, es dürfte doch klar sein, was ich ausdrücken wollte....
    Daß es eben im Kleinen regelbar wäre, im Großen aber immer gleich von Freiheitsbeschränkungen, Unterdrückung und Vorschriften gefaselt wird....
    Wenn die beiden Muslime in meinem Beispiel eben das Kreuz im Wohnzimmer ablehnen, würde doch auch niemand von Unterdrückung des Christen reden, sondern vom guten Recht der Muslime, das Wohnzimmer so zugestalten, wie es der Mehrheit gefällt...


    Noch einfacher wird es wenn wir statt von religiösen Symbolen von Einrichtungsgegenständen ausgehen... zwei WG-Bewohner wollen eine rote Stehlampe, einer will eine blaue, welche wird gekauft? Und wurde der, der die blaue Lampe wollte dadurch irgendwie unterdrückt? In seiner Freiheit beschnitten?
    Nein, das nennt man Kompromisse des Zusammenlebens, entweder man ist dazu bereit, dann funktioniert das Zusammenleben oder man ist nicht dazu bereit, dann muß man versuchen woanders bzw. mit wem anderen zusammen zu leben... :rolleyes


    Hier haben die Schweizer klar artikuliert, Moschee ja, Turm nein... wo ist das Problem? Die Mehrheit hat entschieden in ich sage mal vermutlich gerechten und verfassungsmäßigen Abstimmungen...

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Meine Güte, es dürfte doch klar sein, was ich ausdrücken wollte....
    Daß es eben im Kleinen regelbar wäre, im Großen aber immer gleich von Freiheitsbeschränkungen, Unterdrückung und Vorschriften gefaselt wird....
    Wenn die beiden Muslime in meinem Beispiel eben das Kreuz im Wohnzimmer ablehnen, würde doch auch niemand von Unterdrückung des Christen reden, sondern vom guten Recht der Muslime, das Wohnzimmer so zugestalten, wie es der Mehrheit gefällt...


    Das sehe ich nicht so. Die Mehrheit sollte in diesem Punkt nicht aussschlaggebend sein, sondern dass alle alle eben gleichberechtigt das Zimmer gestalten dürfen - ich sehe nicht ein, warum die Muslime sagen dürfen, dass sie sich von dem Kreuz gestört fühlen, der Christ die Bilder der Muslime aber akzeptieren muss, nur weil diese in der Mehrheit sind.


    Der Vergleich mit den Lampen trifft es meiner Meinung nach nicht, weil in dem Beispiel immerhin schon mal klar ist, dass man eine Lampe kauft, und diese Lampe jawohl alle wollen und einen Nutzen daraus ziehen, wohingegen die religiösen Symbole nur für diejenigen wichtigen sind, deren Religion sie symbolisieren.


    Es ist aber im Grunde sinnlos, weiter darüber zu diskutieren, wenn du der Meinung bist, dass die Mehrheit das Recht hat, ihre religiösen Symbole aufzuhängen, und die Minderheit das akzeptieren muss, umgekehrt aber nicht. Wenn das deine Ansicht ist, werden wir uns da nicht einig werden, egal wie viele Lampen- bzw. Möbelbeispiele wir uns noch ausdenken...

  • Zitat

    Original von Glass
    Es ist aber im Grunde sinnlos, weiter darüber zu diskutieren, wenn du der Meinung bist, dass die Mehrheit das Recht hat, ihre religiösen Symbole aufzuhängen, und die Minderheit das akzeptieren muss, umgekehrt aber nicht. Wenn das deine Ansicht ist, werden wir uns da nicht einig werden, egal wie viele Lampen- bzw. Möbelbeispiele wir uns noch ausdenken...


    Eigentlich wollte ich noch was zum Thema schreiben, aber diese Aussage von Glass trifft es wohl am besten. Es ist immer interessant, über etwas zu diskutieren, aber irgendwann kommt der Punkt, wo entweder Umdenken einsetzt (bei einem Gesprächspartnter oder bei mehreren) oder man eben merkt, dass man sich einfach nicht einig wird.


    Immerhin hat mir BJs Beispiel (und die "Weiterentwicklung" von Glass) geholfen, mir selbst klar zu werden, was ich denke und wohl auch, warum.

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  • BJ, Du übersiehst, dass das WG - Beispiel im Ganzen mehr als hinkt ... Es geht nicht um nette Assesoirs, es geht um Grundhaltungen im Leben, die öffentlichen Ausdruck finden müssen.


    Und doch hast Du soweit Recht: wir werden gemeinsam Wege finden müssen, die allen Seiten so gerecht werden, dass es a) der Mehrheit gerecht wird und b) auch die Minderheiten zu ihren Rechten kommen können.