Der 1. Teil der Trilogie ”Level 26”
Originaltitel: Level 26: Dark Origins (2009)
Lübbe Verlag 2009, 428 S. + 20 Videosequenzen auf www.level26.com
Über den Inhalt:
Strafverfolgungsbehörden teilen Mörder in verschiedene Kategorien der Bösartigkeit ein, angefangen bei Zufallstätern der Stufe 1 bis hin zu Folterern und Schlächtern der Stufe 25, deren Grausamkeit und Perversität sich dem normalen Begriffsvermögen entziehen.
Kaum jemand weiß, dass eine neue Kategorie entstanden ist, eine unvorstellbare und bisher unbekannte Dimension des Schreckens. Und nur jene namenlose Elitetruppe von Männern und Frauen, die in keiner offiziellen Akte geführt wird und deren Aufgabe es ist, die gefährlichsten Killer und Psychopathen der Welt auszuschalten, weiß von dieser neuen Kategorie. Eine Kategorie, in die bislang erst eine Person gehört.
Seine Opfer: Jeder
Seine Methoden: Alles, was ihm geeignet erscheint
Sein Alias: Sqweegel
Seine Einstufung: Level 26
Über die Autoren:
Anthony E. Zuiker, geboren 1968 in Blue Island, Illinois, ist der Schöpfer und Produzent des Fernsehformats CSI: Den Tätern auf der Spur, das weltweit über drei Milliarden Zuschauer erreicht und mehrfach mit dem amerikanischen Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet wurde. Zuiker lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Las Vegas und Los Angeles.
Duane Swierczynski, geboren 1972 in Philadelphia, hat als Autor mehrere Sachbücher und Thriller geschrieben. Er ist Texter der X-Men-Serie CABLE und einer Reihe von weiteren Marvel Comics. Swierczynski lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Philadelphia.
Meine Meinung:
Nach dem Buchtrailer nun der nächste Schritt in Sachen Medienverknüpfung: die Digi-Novel.
Eine Wortschöpfung ihres Erfinders Anthony E. Zuiker. Beim Lesen des Buches gibt es an mehreren Stellen Codes, die auf der extra eingerichteten Internetseite www.level26.com das Buch ergänzende sogenannte „Cyber bridges“ öffnen, die die Figuren des Romans zum Leben erwecken. Es lohnt sich, sich näher mit dieser Seite zu beschäftigen, hier gibt es viele zusätzliche Informationen. Natürlich war ich neugierig auf diese neue Form des „Lesens“? Ist das nun tatsächlich eine neue Dimension oder bleibt es bei dem Experiment?
Vorab sei noch erwähnt, dass man das Buch auch ohne die Videos lesen kann, zum Verständnis der Handlung benötigt man sie nicht.
Zum Buch:
Die Autoren schreiben in kurzen Sätzen und bedienen sich einer eingängigen einfachen Sprache. Jeweils auf der Rückseite der Seiten mit den Codewörtern finden sich schwarz-weiße Zeichnungen im Stil angelehnt an die frühen Comics der 50er Jahre.
107 kurze Kapitel erzählen die Geschichte des unvorstellbar bösesten Psychopathen aller Zeiten, der seit nahezu 30 Jahren mordet, ohne dass auch nur der Hauch eines forensischen Beweises, geschweige denn eine Spur von ihm existiert. Die Geheimdienste verschiedener Nationen haben sich bislang vergeblich bemüht, ihn zur Strecke zu bringen.
Die Story ist nicht neu: Ein Serienmörder treibt sein Unwesen, ein bisschen bösartiger noch als alle bisher da gewesenen Killer. Ich überlege, ob er denn wirklich noch an Bosheit und Perversität zulegen kann gegenüber all den anderen, über die ich schon gelesen habe.
Und wenn schon der Killer einer neuen, nie da gewesenen Kategorie zuzuordnen ist, so müssen natürlich auch den übrigen Personen neue Superlative zugewiesen werden: Der Superagent ist noch ein bisschen traumatisierter, die Ehefrau des Superagenten noch ein bisschen verständnisvoller, die Geheimdienste geheimer und die Politiker skrupelloser, als man es bisher gekannt hat. Zum Glück haben die Autoren darauf verzichtet, auch bei der Schilderung der Folterszenen neue Dimensionen zu erreichen. Die Brutalität wird angedeutet, aber nicht bis ins Detail beschrieben.
Bis auf ein paar überraschende Momente ist der Handlungsverlauf recht vorhersehbar, zuviel Tiefgang darf man nicht erwarten. Auch hapert es gelegentlich ein wenig mit der Logik, nicht immer erschien mir alles schlüssig. Natürlich steigt der Spannungsbogen zum Ende hin trotz aller Vorhersehbarkeit kräftig an. Es werden neue Fährten gelegt und letztendlich bleiben genug lose Fäden, um neugierig auf die Fortsetzung zu machen.
Zu den Videos:
20 mal wird der Leser gebeten, sich mittels eines Passwortes auf der Level26-Internetseite eine Videobrücke anzusehen, die das vorausgegangene Buchkapitel ergänzt, zum nächsten Kapitel überleitet oder zusätzliche Informationen anbietet. Das ist professionell gemacht, unter den Schauspielern findet man einige bekannte Gesichter wieder.
Und obwohl das Lesen wesentlich länger dauert als das Ansehen der Videos, die im Schnitt drei bis vier Minuten lang sind, beschäftigt mich der visuelle Teil dieses Experiments wesentlich stärker als der gedruckte.
Lese ich ein Buch oder gucke ich einen Film? Ich ertappe mich bei dem Gedanken: Wie wird Superagent Dark wohl aussehen? Von Anfang an war das Zusammenspiel von Buch und Video das Konzept dieses Experiments. Ganz deutlich wird das bei der Darstellung des Serienkillers: Sqweegels Charakterisierung wird durch die Videosequenzen dick unterstrichen, seine Verkleidung und die Kunst des ihn verkörpernden Schauspielers, sich beinahe reptilienartig zu bewegen, sind einzigartig und potenzieren das Grauen, das bereits beim Lesen entsteht.
Der Epilog im Buch gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Fortsetzung und im letzten Video kann man sich etwas genauer ansehen, was einen dort erwartet. Wer sich davon lieber erst im nächsten Band überraschen lassen möchte, sollte sich dieses 20. Video ersparen.
Das Experiment:
Die Geschichte an sich ist nicht spektakulär, eher simpel und vorhersehbar. Das Buch alleine ist Durchschnitt, nur eines mehr im großen Pool der Serienkillerromane. Erst durch das Zusammenspiel von Buch und Video entfaltet sich eine besondere Atmosphäre, die nur durch das Lesen sicher nicht entstanden wäre. Dem Autorenteam ist es gelungen, die bei mir während des Lesens im Kopf entstandenen Bilder filmisch umzusetzen. Buch und Film sind handwerklich ordentlich gemacht. Der Spielraum der eigenen Phantasie wird allerdings durch die Videosequenzen stark eingeengt. Ich wage nicht zu beurteilen, ob dies zu einer allgemeinen Verkümmerung der Phantasie des Lesers führt.
Ob ich häufiger auf diese Weise lesen möchte? Die Frage kann ich nach diesem einen Digi-Novel nicht beantworten. Auf der Internetseite wird zur Mitgestaltung der Fortsetzungen aufgerufen, die für 2010 und 2011 geplant sind. Ich bin gespannt, wie sich diese Seite entwickeln wird oder ob die Leser schnell wieder das Interesse verlieren..
Diese Art der Medienkombination lässt sich meiner Meinung nach nicht auf jedes Genre anwenden. Bei einem Liebesroman macht es wenig Sinn, bei Fantasy oder Science Fiction wären die Produktionskosten sicher enorm.
Ach ja: Man kann dieses Buch zwar im Bett oder im Urlaub lesen, aber wie ist es mit den Videoclips? Ist der Rechner in Reichweite? Das Lesen wird örtlich eingeschränkt, es sei denn, die Technik des mobilen Internet schreitet zügig voran. Nicht jeder, der sich ein Buch leisten kann, hat auch Geld für ein iPhone oder ähnliches.
Wie sieht die Zukunft aus? Verschieben sich die Verhältnisse zwischen Buch und Film? Habe ich irgendwann ein Kapitel in Buchform, das nächste als Video, das dritte als Buch usw.? Ändert der Autor auf Wunsch oder gar Druck der Leser den Handlungsverlauf? Ich bin gespannt, was da noch auf uns zukommen wird.