Ob das Buch hier richtig einsortiert ist, weiß ich nicht. Bei den historischen Romanen wollte ich es nicht einstellen; ob es noch unter "Zeitgenössisches" fällt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Kurzbeschreibung laut Amazon
Die Wiederentdeckung der Grande Dame der zeitgenössischen katalanischen Literatur!
"Die Violine von Auschwitz" erzählt die Geschichte des Geigenbauers Daniel, dessen Überleben im Konzentrationslager vom Bau einer Geige für einen Lagerkommandanten abhängt – einer Geige, die inmitten des Grauens zum Symbol für Hoffnung und Menschlichkeit wird.
Bei einem Gastspiel in Krakau lernt der Pariser Musiker Climent die polnische Geigerin Regina kennen, die ihn mit ihrem virtuosen Spiel und dem vollen Klang ihrer Geige tief beeindruckt. Sein Interesse für diese besondere Violine führt ihn auf die Spur einer Geschichte, die im nationalsozialistischen Deutschland ihren Anfang nimmt. Es ist die Geschichte des jüdischen Geigenbauers Daniel, der in einem Nebenlager von Auschwitz interniert ist. Eines Tages bekommt er vom Kommandanten des Lagers den Auftrag, eine Geige in bester italienischer Tradition anzufertigen. Was Daniel aber erst später durch Zufall erfährt: Der Auftrag beruht auf einer infamen Wette des Kommandanten mit dem skrupellosen Lagerarzt: Gelingt Daniel der Bau der Geige, erhält der Kommandant eine Kiste Wein; wenn er scheitert, bekommt der Arzt Daniel als Objekt für seine teuflischen Unterkühlungsexperimente. Inmitten des Grauens erschafft Daniel schließlich ein Instrument von seltener Schönheit. Ein Instrument, das ihm wider alle Wahrscheinlichkeit sein Leben rettet und noch Jahrzehnte später von seinem Schicksal kündet.
Über die Autorin
Maria Àngels Anglada, 1930 in Vic geboren, 1999 in Figueres gestorben, gilt als eine der renommiertesten Autorinnen Kataloniens, die sowohl für ihre Prosa als auch für ihre Gedichte, literaturkritischen Studien und Essays verehrt wird und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. "Die Violine von Auschwitz" ist ihr bekanntestes Werk, das sich allein in Katalonien über 100 000 Mal verkaufte und in 12 Ländern erscheint.
Übersetzt worden ist das Buch von Theres Moser, 1956 in Graz geboren, 2008 in Barcelona verstorben; sie übersetzte zahlreiche Romane aus dem Katalanischen ins Deutsche (dem Klappentext entnommen).
Meine Meinung
So schön und flüssig zu lesen – und welcher Schrecken, welches Entsetzen mischte sich für mich in die Lektüre.
Leise und doch voller Kraft erzählt „Die Violine von Auschwitz“ von Unmenschlichkeit, von Leid und Hunger, von Angst, von Verzweiflung und Verstörung und ja, auch das, von einem Hauch der Hoffnung, von Träumen, von Musik.
Maria Àngels Anglada hat es glänzend verstanden, zunächst meine Neugierde zu wecken, dieselbe Neugierde, die auch den Musiker Climent ergreift, als er eine bestimmte Geige bei einem Konzert hört und aus dessen Sicht das erste Kapitel geschrieben ist. Natürlich habe ich dann erwartet, die Geschichte dieser Geige und damit des Geigenbauers zu erfahren; die Kurzbeschreibung gibt sie im Übrigen gut wieder. Nicht gerechnet habe ich damit, in welcher Form die Autorin das getan hat:
Den folgenden Kapiteln ist jeweils ein literarisches Zitat vorangestellt, dann folgt bis Kapitel 6 jeweils ein authentisches Dokument, zum Beispiel ein „Formblatt für Arrest- und Prügelstrafen 1942“ - Dokumente, die zu lesen beklemmend war; danach folgt der Romantext. Bis in das siebte Kapitel erzählt Maria Àngels Anglada vom Leben im Lager, von den Lebensbedingungen der Internierten, von den Brutalität und dem Sadismus, denen sie ausgesetzt waren, um dann zu dem Leben und den Erinnerungen des Geigers Bronislaw in Schweden zu wechseln.
Schon rein formal fand ich das Buch sehr interessant und reizvoll – aber was heißt das schon angesichts des Themas?
In keiner Weise habe ich mit der Wirkung gerechnet, die dieser für mich so große Roman auf mich hatte: Das Lesen wurde zum Miterleben, die Angst Daniels und der anderen Internierten spürte auch ich, das Grauen raubte mir beinahe den Schlaf. Mit Daniel konnte ich auch Atem schöpfen in den Zeiten, in denen er an der Geige arbeitete, abtauchen in seine vormalige Welt, in die Wärme seiner Träume, um dann fast noch brutaler in die Kälte der Wirklichkeit gestoßen zu werden. Auch das Leben nach dem Überleben des Lagers konnte ich anhand der beiden letzten Kapitel, die Bronislaw in seinem quälenden Erinnerungen und dem Versuch eines „normalen“ Lebens zeigen, sehr gut nachvollziehen.
Wie lebt man mit und nach diesem erlebten Grauen? Die Opfer haben darüber berichtet; auch „Die Violine von Auschwitz“ reiht sich hier ein, kein Erinnerungsbuch im eigentlichen Sinne, aber ein Buch wider das Vergessen.
Wie ist es nur möglich, Unmenschlichkeit in noch nie dagewesener Form, ja Unaussprechliches in einer – wie ich finde – so wunderbaren Sprache Ausdruck zu verleihen? Manchmal fast lakonisch, manchmal fast sachlich, und dann blitzen sprachliche Kleinode auf, so erschreckend und doch voller Schönheit, eben auch angesichts des Leids, dass die Menschen in den Lagern ertragen mussten.
Ich hatte nicht den Mut, nachzuprüfen, ob der Lagerkommandant wirklich Sauckel hieß oder ob der Name bewusst gewählt ist, um eine Assoziation zu wecken, die sich bei mir automatisch einstellte. Den Arzt Rascher scheint es gegeben zu haben. Gegeben hat es auch die Zwangsarbeiten für IG Farben, das Orchester von Auschwitz und die Konzerte. Auch der Name Schindler fällt einmal, es gibt einen Offizier mit gütigen Augen und einen, der unter anderem Bronislaw hilft, aus dem Lager zu kommen - kleine Hoffnungsschimmer wie hin und wieder ein heimlich zugestecktes Stückchen Brot.
Im letzten Satz des Buches wendet sich Bronislaw noch einmal an Daniel, sagt ihm, dass es nicht stimme, das Musik Bestien zu zähmen vermöge. Aber letztlich, so meint er auch, sei alles Gesang.
Aber kann nicht, so möchte ich ihn fragen, Musik nicht trotz allem Trost spenden, vermag sie es nicht, für eine kurze Zeit die Flucht in eine bessere Welt zu ermöglichen, lindert sie denn nicht auch den bitteren Schmerz, kann sie denn nicht auch Hoffnung wecken? Nicht alles ist bittere Klage, nicht alles ertönt als Requiem. Wenn diese Hoffnung nicht wäre, was hätten wir dann noch?
„Die Violine von Auschwitz“ ist nicht nur mein Highlight des Monats November, es wird auch eines der Highlights des Lesejahres 2009; dieses Buch zu vergessen wird mir nicht mehr möglich sein.
Alban Bergs „Dem Andenken eines Engels“ kam mir ständig in den Sinn; es scheint mir eine passende Musik zu diesem Buch zu sein.