Ehrenwerte Leute - Giuseppe Fava

  • OT: Gente di rispetto


    Kurzbeschreibung:
    Als die junge Lehrerin Elena in einem sizilianischen Bergdorf eine Stelle antritt, wird sie über Nacht zur Respektsperson. Wer sie beleidigt, wird am nächsten Morgen tot auf der Piazza gefunden. Ein undurchschaubares, unerklärliches Netz ist um sie gesponnen. Sie steht unter dem Schutz »ehrenwerter« Leute und weiß nicht warum. Das Dorf wird ihr zum Alptraum. - Ein Kriminalroman ohne Täter, ohne beruhigende Aufklärung der Morde, ohne sichtbare Motive. Ein Schlüssel zum absurden Gesetz des Schweigens.


    Über den Autor:
    Giuseppe Fava, 1925 in Palazzalo (Provinz Sirakus) geboren, wurde am 5. Januar 1984 vor dem von ihm gegründeten Theater, in dem sein Anti-Mafia-Stück "Die letzte Gewalttat" aufgeführt wurde, ermordet. Als Romancier, Dramatiker und Journalist hatte er sich mit der mafiösen Gesellschaft seiner Heimat auseinandergesetzt. "Ehrenwerte Leute" schrieb er 1975. Der Roman wurde unter dem Titel "Werkzeug der Mächtigen" von Luigi Zampa verfilmt.


    Meine Rezension:
    Jeder Tag in dem kleinen sizilianischen Bergdorf, in das die junge Lehrerin Elena versetzt wird, ist vorhersehbar: die Alten sitzen auf dem Marktplatz, ihre Frauen kümmern sich um den Haushalt und die Kinder spielen zwischen Müll und Dreck. Elena begegnet den Menschen hier zunächst mit Abscheu, Widerwillen und Unverständnis. Doch irgendjemand scheint sie unter seinen mächtigen Schutz genommen zu haben, denn wer der jungen Frau zu nahe kommt, muss dafür mit dem Leben bezahlen. Anstatt sich jedoch darüber zu wundern und dem merkwürdigen Verhalten der Dorfbewohner auf den Grund zu gehen, zerfließt die Protagonistin in Selbstmitleid und tröstet sich jede Nacht (und über Seiten hinweg) mit einem potenten Kollegen, der von melancholischer Gemütsart, aber dafür in sexueller Hinsicht ein echter Hengst zu sein scheint. Die Morde, die Täter, die Ermittlungen, die Hintergründe - all das, was mich an diesem Roman gereizt hat, wird schon zu Randbemerkungen angesichts der ausschweifenden Libido der Hauptfigur. Auch die Landschaftsbeschreibungen und die skurril anmutenden übrigen Figuren können den faden Beigeschmack nicht abmildern, den das Lesen dieses Romans bei mir hervorgerufen hat. Statt des erwarteten Kriminalromans über diverse Morde, der auf besondere Weise Einblick in das Alltagsleben mafiöser Strukturen in einem kleinen, von der Außenwelt vergessenen Bergdorfs, geben sollte, wird dem Leser ein dünner, teilweise zusammengestückelt anmutender Handlungsstrang mit blassen Charakteren geboten, so dass dieser Roman schon nach dem Zuklappen der letzten Seite - zu Recht - in den Tiefen des Vergessens verschwindet. Daran ändert auch das offene Ende nichts, das einige Leser als spektakulär, ich jedoch nur als konsequente Fortsetzung der Belanglosigkeit empfand.


    Sehr, sehr schade! :-(


    4 Punkte.