Plattform - Michel Houellebecq

  • Plattform - Michel Houellebecq


    Kurzbeschreibung
    "Plattform" protokolliert erbarmungslos ein Leben: Tristesse, Liebesglück und tragischen Tod. Der Erzähler Michel ist Beamter im Kultusministerium. Vierzig, farblos, frustriert und nach Dienstschluss einsamer Peep-Show-Erotomane und Experte im TV-Zappen. Die Urlaubspauschalreise ins Traumland Thailand verspricht diesem "ziemlich mittelmäßigen Individuum" paradiesisches Glück und Erlösung: Sexgenuss mit Asiatinnen. Die Mitreisende Valerie, eine erfolgreiche Managerin in der Tourismusindustrie, lernt er erst nach der Rückkehr ins lieblose Paris wirklich kennen - und mit ihr ein tiefes menschliches Glück voller Obsessionen, und ohne Bezahlung.
    Zusammen erfinden Valerie und Michel ein rettendes Programm für die Reisebranche, die Plattform zum Glück: Wenn mehrere hundert Millionen alles haben, bloß kein sexuelles Glück, und mehrere Milliarden nichts haben als ihren Körper, dann ist das "eine Situation des idealen Tauschs". Michel und Valerie wollen die ver lorene Liebesfähigkeit des Westen s in neuartigen Ferienclubs organisieren. Aber das gemeinsame Glück, nach dem Houellebecqs Erzähler Michel verzweifelt sucht, wird bei einem terroristischen Anschlag in Thailand von Islamisten zerstört.


    Meine Meinung


    Während des Lesens: sehr unterhaltsam, aber zunehmend ??, ???!, ????????!!


    Ein Spiegel-Zitat: "Wie wachsendes Donnergrollen kündigt sich bereits - unvermeidlich bei Houellebecq - eine tobende Polemik um die vermeintlichen Exzesse, Vulgaritäten und reaktionären Entgleisungen des Autors an."


    Es war mein erstes Buch von Houellebecq, hatte vorher auch kaum etwas über ihn gelesen, und habe mich die ganze Zeit gefragt, wie ernst er das eigentlich nimmt, was er da schreibt. Sollte Michel sein Alter-Ego sein oder nur eine dreckige, kleine Niete, die er unter seinen Schuhsohlen zerquetscht ... Sex-Tourismus als geniales Konzept, keine Gedanke an Ausbeutung (... wenn zwei sich gegenseitig ausbeuten, nennt man das Fair Trade, oder?), jeglich Frage an die Moral nur reaktionäres Geplänkel, das man höchstens fanatischen Islamisten zutraut ... Au Mann, hat mir der Kopf gebrummt :rofl


    Kurzum ein tolles Buch. Der beste Grund es zu lesen sind eigentlich die wutgeifernden 1-Stern-Rezis bei Amazon, hier der Link:


    Wut-Geifernde 1-Stern Rezensionen

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • Das Buch handelt wieder mal von einem eher zurückgezogen lebenden Eigenbrötler um die 40, der leicht misanthropische Züge aufweist. Als sein reicher Vater stirbt, zu dem er eigentlich kaum Zuneigung empfindet, nutzt er diesen Vorfall, um nach Thailand zu fliegen und dort ein wenig Druck abzubauen. In Thailand lernt er allerdings die 13 Jahre jüngere Valerie kennen, die sich schließlich als seine wahre Liebe entpuppt. Valerie arbeitet in der Tourismusbranche, die sich jedoch etwas in der Krise befindet. Die zündende Idee des Ich-Erzählers ist ganz einfach: Den Sextourismus fördern. Dadurch erhalten die westlichen Menschen die Freude am Sex zurück, während die armen Leute aus den betreffenden Ländern durch ihren Körper sehr leicht viel Geld verdienen können. Eine Win-Win-Situation also. Als die Idee umgesetzt wird, zieht das aber auch die Aufmerksamkeit terroristischer Organisationen auf sich, welche dieses lasterhafte Verhalten nicht dulden.


    Weil ich lange Zeit in Thailand verbracht habe, wollte ich ein Buch lesen, dass sich mit dem Sextourismus auseinandersetzt, den ich mit eigenen Augen erlebt habe. Houellebecq setzt sich mit dem Thema recht gut auseinander, wobei er die Gründe, warum reiche Menschen aus dem Westen zu solchen Reisen aufbrechen, die alles haben, außer ein erfülltes Sexualleben, sehr gut darlegt. Dabei bezieht er sich nicht nur auf die Männer, die aus diesen Gründen nach Asien reisen, sondern auch auf Frauen, die wegen ähnlichen Hintergedanken nach Afrika aufbrechen.


    Zwar mag die Liebesbeziehung zwischen Michel, dem Ich-Erzähler, und Valerie recht unrealistisch sein und auch die ständigen Sexszenen, die alle paar Seiten auftauchen, haben mich am Ende etwas genervt, aber ansonsten hat mich das Buch gut unterhalten. Vorallem die erste Hälfte des Buches gefiel mir sehr gut. Der Humor des Autors kam ebenfalls nicht zu kurz. Ich denke dabei etwa daran, wie Michel die Lektüre des Buches "Die Firma" beendet, oder die Streitigkeiten der französischen Reisegruppe wegen des Sextourismus.


    Die Kritik am Islam und an einer Multikulti-Gesellschaft nimmt hier noch stärkere Formen an, als bei den Vorgängern. Der Islam wird aufgrund seiner intolleranten und lebensfeindlichen Ideologie kritisiert, während auch kriminelle, ausländische Jugendbanden, welche die Vororte von Paris terrorisieren, Erwähnung finden. Wenn man an die Terroranschläge von Bali zurückdenkt, die ein Jahr nach der Veröffentlichung des Buches stattfanden, könnte man "Plattform" aber auch geradezu als prophetisch auslegen.


    Michel Houellebecq scheint für die französische Literatur in etwa das zu sein, was Gaspar Noé für den französischen Film ist. Insbesondere wenn ich an den Film "Menschenfeind" zurückdenke, tun sich einige Parallelen zu Houellebecqs Büchern auf.


    Ich gebe dem Buch, wegen kleinerer Mängel, 9 von 10 Punkten.