Zum Autor: Nick Lake ist 29 Jahre alt, lebt in London und arbeitet bei Harper Collins als Lektor für Kinderbücher. „Königreich der Kälte“ ist sein erster Roman, der zweite trägt den englischen Titel „Blood Ninja“ und wird in Kürze erscheinen.
… the secret ministry of frost
Shall hang them up in silent icicles,
Quietly shining to to the quiet Moon.
(aus “Frost at Midnight” von Samuel Taylor Coleridge)
Dieses Gedicht inspirierte Nick Lake zum Titel “The Ministry of Frost” der englischen Orginalausgabe dieses ungewöhnlichen Jugendromans. Die Erwähnung von Inuit-Legenden und das dazu passende Titelbild (mit an Schnee und Eis erinnernden Glitzereffekt :grin) verleiteten mich zum Kauf des Buchs.
Die jugendliche Hauptfigur trägt den ungewöhnlichen Namen Light, ist Albino und lebt auf einem alten Herrensitz in Nordirland. Ihre Mutter war Inuit, ihr Vater Polarforscher, der seit sechs Monaten in der Arktis verschollen ist und vor kurzem für tot erklärt wurde. Seitdem ist sie in der Obhut von Butler, einem Freund ihres Vaters. Light will nicht an seinen Tod glauben, als plötzlich seltsame Wesen auftauchen und ihr nach dem Leben trachten. Welche Geheimnisse hatten ihre Vater und auch Butler vor ihr? Voller Hoffnung macht sie sich auf den Weg in die fremde und ferne Arktis, um ihren Vater zu finden…
Light ist die perfekte Hauptfigur für dieses Buch. Eigensinnig, kreativ, mal mutig und mal ängstlich, durch ihr auffälliges (arktis-ähnliches) Äußeres von Kindheit an eine Einzelgängerin. Die Grundidee erinnert ein wenig an andere fantastische Jugendromane, wie z.B. „Artemis Fowl“ oder die Bücher von Philip Pullman. Alte Fabelwesen, die in unsere heutige Zeit versetzt werden und eine jugendliche Hauptfigur, die ihre Eltern/Freunde retten will.
Die lineare Erzählung wird immer wieder ergänzt durch Tagebuch-Einträge und kurze Zeitungsartikeln, die sich auf eine Polarexpedition im 19. Jahrhundert beziehen. Spannend geschrieben, lebendig erzählt, ließ dieses Buch die Arktis vor meinem inneren Auge sichtbar werden und mich an einigen Stellen auch frösteln. Die eingeflochtenen Inuit-Legenden und die Schilderungen des Lebens in der Arktis sind faszinierend. In einem Lebensraum, in dem man töten muss, um Nahrung zu haben, erinnern die althergebrachten Geschichten nicht im geringsten an „Dornröschen“ oder „Schneewittchen“.
Besonders beeindruckend sind die fast poetischen Beschreibungen der Landschaft und des erbarmungslosen Klimas, wie z.B. „…, während der arktische Schnee sein weißes Leichentuch um sie gewoben hatte.“ (engl. "..., as the Arctic snow stitched a funeral shroud of whiteness to cover them.")
Eine besondere Note bekommt das Buch durch die scheinbar schlichten Illustrationen im Stil traditioneller Inuit-Bilder von Liane Payne, die jedem Kapitel vorangestellt sind und auch das Cover schmücken. Die Figuren entstammen den Mythen der Inuit und haben auch einen Bezug zum Inhalt. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Fazit: Nick Lake entführt seine Leser in eine fremde Welt. Seine lebendigen Beschreibungen und die Legenden der Inuit machen mich neugierig auf weitere Büchern zu diesem Thema. Meiner Meinung nach geeignet für Kinder ab 12, die allerdings nicht allzu empfindlich sein sollten, denn an einigen Stellen geht es recht derbe zur Sache.
Edit: Satzbaufehler beseitigt