13 CDs
16:06 Stunden
ungekürzte Lesung
Simon Vance
Hörprobe bei audible.de *klick*
Habe das englische ungekürzte Hörbuch gehört. Eine deutsche Übersetzung des Buchs habe ich (bisher) noch nicht gesehen.
Zur Autorin:
Sarah Waters wurde 1966 in Wales geboren und studierte englische Literatur. Einige ihrer anderen Romane erhielten Auszeichnungen, drei wurden in Großbritannien für das Fernsehen verfilmt. "Die Frauen von London" wurde 2006 für den Booker-Preis nominiert. "The Little Stranger" ist ihr fünfter Roman.
Genial gelesen von Simon Vance, dessen Stimme für mich perfekt zum Ich-Erzähler Doktor Faraday passt, einem alleinstehenden Landarzt, der in den sogenannten besten Jahren ist.
An einem Sommerabend, nicht lange nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, wird Dr. Faraday nach Hundreds Hall gerufen. Mit dem großen Anwesen der seit Generationen dort lebenden Familie Ayres verbindet er einige Kindheitserinnerungen, nicht nur weil seine Mutter dort angestellt war. Das junge Dienstmädchen Betty klagt über starke Übelkeit und ist fest überzeugt, dass es in dem alten und verfallenden Gemäuer spukt. Die Witwe Ayres und ihre beiden erwachsenen Kinder Caroline und Roderick wollen zunächst nichts davon wissen, aber dann geschehen einige unerklärliche Dinge...
Während die Bewohner von Hundreds Hall an übernatürliche Ereignisse glauben, versucht Dr. Faraday alles rational zu erklären. Doch nicht alles lässt sich so leicht erklären und nicht jeder will seinen Erklärungen Glauben schenken. Spukt es tatsächlich in dem alten Gemäuer? Oder steckt jemand anders dahinter? Hat Dr. Faraday letzten Endes doch Recht und alles ist ganz harmlos? Über der Familie und dem früher so beeindruckenden Anwesen scheint ein Fluch zu hängen, der die Familie auslöschen oder zumindest in den Ruin treiben soll.
Sarah Waters schildert auf beeindruckende Weise die Zerrissenheit der englischen Gesellschaft nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, die politischen und sozialen Umbrüche. Dr. Faradays Mutter war Dienstmädchen auf Hundreds Halls und seine Eltern sparten jahrzehntelang, um ihm den Besuch guter Privatschulen und das Studium zu ermöglichen. Trotzdem fühlt er sich in der Gegenwart der Familie Ayres unwohl, ja minderwertig. Als Landarzt muss er zwar viel arbeiten, ist finanziell aber abgesichert. Die Eigentümer von Hundreds Hall hingegen spüren die finanzielle Notlage des Landes besonders stark, der Sohn Roderick versucht sein Möglichstes, um den Besitz zusammenzuhalten und den sozialen Abstieg zu vermeiden, aber die Kosten laufen davon. Der Galgenhumor der Familie ließ mich mehrmals schmunzeln.
So beeindruckend die Zeit geschildert ist und die sozialen Beziehungen der Figuren untereinander, so wenig warm wurde ich mit den Figuren. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich einige ihrer Handlung so überhaupt nicht nachvollziehen konnte und sie manchmal gerne geschüttelt hätte. Die Geistergeschichte kommt leider etwas zu kurz, dafür dass sie auf dem Buchrücken so groß angekündigt wird als "chilling ghost story" (Geistergeschichte, die das Blut in den Adern gefrieren lassen würde).
Fazit: Ein interessantes und streckenweise spannendes Buch, das mehr ein Gesellschaftsporträt als eine Geistergeschichte ist. Acht von zehn Punkten.
Edit: Dt. Titel + Infos ganz oben nachgetragen.