Die Konkubine von Shanghai – Hong Ying

  • Aufbau Verlag, 2009
    Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
    Aus dem Chinesischen von: Claudia Kaiser
    Originaltitel: Shanghai Wang


    Kurzbeschreibung:
    Shanghai zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Luxus und Verbrechen blühen im »Paris des Ostens«, während die stolze Cassia zur Königin der Unterwelt aufsteigt. - Der neue Bestseller von Chinas großer Erzählerin. Im Jahr 1907 - in China herrscht noch die Qing-Dynastie - wird Cassia, ein armes Waisenmädchen vom Land, von ihrem Onkel an ein berühmtes Bordell verkauft. Obwohl sie dem Schönheitsideal der Zeit widerspricht, wird sie zur Geliebten Meister Changs, des Anführers der gefürchteten Triade von Shanghai. Nach seiner Ermordung bleiben ihr zwei Wege: ein Leben in Demut und Selbstverleugnung, oder eines voller Prunk, Macht und Leidenschaft. Mit erzählerischer Kraft und freizügiger Erotik beschreibt Hong Ying den Aufstieg und Fall einer selbstbewussten Frau, die als berühmte Konkubine und Patin von Shanghai in die Geschichte einging.


    Über die Autorin:
    Hong Ying, 1962 in Sichuan geboren, wuchs in den Slums von Chongqing am Rande des Yangtse in China auf. Mit 18 Jahren verließ sie ihren Heimatort und begann in Peking ein neues Leben als Autorin. Später übersiedelte sie angesichts von Repressionen und Zensur nach England, wo sie heute lebt. International wurde Hong Ying durch ihren Roman "Der chinesische Sommer" und ihre Lebensgeschichte "Tochter des großen Stromes" bekannt. "Die chinesische Geliebte" erschien 2004 und stand wochenlang oben auf der Spiegel-Bestsellerliste. 2005 erschien "Der Pfau weint".


    Meine Meinung:
    Die Konkubine von Shanghai ist meiner Meinung nach ein leicht irreführender Titel, denn es wird eine komplexe Lebensgeschichte erzählt, in der das Konkubinendasein nur ein Teil von mehreren ausmacht. Cassie wurde schon als junges Mädchen aus ärmlichsten Verhältnissen nach dem Tod ihre Eltern als Dienstmagd in den Lotuspalast, ein Bordell, verkauft. Sie gilt als unscheinbar und plump mit ihren großen Füssen (es sind natürlich in Wirklichkeit normale Füße, nur nicht nach chinesischer Tradition auf verkrüppelnde Weise gebunden). Der einflussreiche und mächtige Chang Lixiong, ein regelmäßiger Besucher des Bordells, sieht aber mehr in ihr und macht sie zu seiner Konkubine. Das verändert Cassies Leben und auch nach Changs gewaltsamen Tod und Cassies zwischenzeitlicher Verarmung ist aus ihr eine entschlossene Frau geworden, die eine erfolgreiche Künstlerlaufbahn einschlägt, und immer wieder mit mächtigen Männer des Hong-Bundes selbst Einfluss nehmen kann. Dabei wird auch sie in verbrecherische Machenschaften verwickelt und gerät in Gefahr.


    Hong Ying schafft ein eindrucksvolles Portrait in mit ihr typischen Mitteln: einem flüssig zu lesenden Stil und einer spannenden, abwechslungsreichen Handlung mit einigen Wendungen.
    Dieses Auf und Ab ist das Schicksal ihrer Hauptfigur, die vom armen Bauernmädchen zur berühmten Opernsängerin wurde.


    Spät im Roman kommt ein postmodernes Erzählelement hinzu, es schaltet sich Hong Ying selbst als Erzählerin in den Text ein. Das bricht den Roman auf. Sie wollte anscheinend das fiktive aus dem Text nehmen und die realen Vorbilder und Gegebenheiten betonen.
    Auch ein Abschnitt einer Gerichtsverhandlung gegen Cassie, den sie gewinnt, fällt aus dem übrigen Kontext und es bleibt der Eindruck, hier wollte die Autorin auf ihren eigenen Prozess anspielen, als in China eines ihrer Bücher wegen Obszönität verboten wurde. Solche Anspielungen und Einschübe sind selbstverständlich legitim, doch in diesem Fall bezweifle ich, dass das die Romanhandlung weiterbringt.


    Es gelingt Hong Ying neben dem Frauenportrait auch ein guter Blick auf das Shanghai Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit seinen Wolkenkratzern, Triaden und der Oper!

  • Inhalt:
    Die Hauptfigur Cassia kommt 1907 als Heranwachsende aus einem armen Dorf auf Land nach Shanghai. Ihre Eltern sind tot und ihr Onkel hat sie als Dienerin an eine Bordellbesitzerin verkauft. Mit ihren großen Füßen und ihrem eher kurvenreichen Körper gilt sie nicht gerade als Schönheit und soll deshalb niedere Dienste verrichten. Doch schon bald verliebt sich Meister Chang in sie, Anführer der berüchtigten und mächtigen Hong Bruderschaft. Cassie lernt schnell und passt sie den Verhältnissen ihrer neuen Umgebung an, versucht aber gleichzeitig, finanziell in einer von Männern dominierten Welt auf eigenen Füßen zu stehen. Ihr Lebensweg ist so ungewöhnlich wie faszinierend.


    Meine Meinung:
    Hong Yings „Die Konkubine von Shanghai“ (chin. „Der König von Shanghai“) spielt in Shanghai, Anfang des 20. Jahrhunderts. Jene Zeit bedeutete für die chinesische Bevölkerung große gesellschaftliche und politische Umbrüche. Nach dem Ende der Kaiserzeit übernahmen Geheimbünde die Macht in Shanghai, kämpften untereinander um die Vormachtstellung, genau wie Kommunisten und Nationalisten. Verschiedene ausländische Mächte verfügten über weitgehend autonome Konzessionen, sowie großen Einfluss.


    Man merkt dem Buch deutlich an, dass es für chinesische Leser geschrieben wurde, nicht für ein westliches Publikum. So wird einiges Wissen über die chinesische Kultur, Sitten und Gebräuche und Geschichte vorausgesetzt und auch der Erzählstil ist streckenweise spröde für westliche Leser. Der Übersetzerin ist es gelungen, den Text ins Deutsche zu übertragen und dabei trotzdem den Stil des Ausgangstextes zu erhalten. (Schwer zu beschreiben, an manchen Stellen konnte ich chinesische Formulierungen/Redewendungen ahnen.)


    Cassia ist eine schillernde Persönlichkeit, die gewitzt ihren eigenen Weg in Shanghai geht, trotz der großen Füße und ihrer ländlichen Herkunft zu einer Berühmtheit wird. Genau wie Herr Paolomar finde ich den deutschen Titel unpassend. Cassia ist weder „die“ Konkubine von Shanghai, noch geht es nur um diesen Abschnitt ihres Leben oder ist dieser Teil ihres Lebens das beherrschende Element ihres Lebens.


    Im Vor- und Nachwort macht Hong Ying deutlich, dass Cassia tatsächlich lebte, sie aber aus juristischen Gründen die Namen aller Figuren ändern musste. An einigen Stellen mischt sich die Autorin als Ich-Erzählerin in den Roman ein, der Großteil ist neutral aus Cassias Perspektive erzählt. Diese Wechsel fand ich ungewöhnlich, jedoch nicht störend.


    Hong Ying bietet ihren Lesern einen Einblick in eine weniger bekannte Epoche der chinesischen Geschichte, sowie in die Vielfalt der chinesischen Kultur, die unterschiedlichen Dialekte und die großen Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung


    Hier habe ich einige Informationen über die damaligen Geheimbünde Shanghais gefunden und deren politische Verbindungen.


    Fazit:
    Es ist mir sehr schwer gefallen, eine Rezi zu diesem Buch zu schreiben. Auf der einen Seite ist da der faszinierende historische Stoff, auf der anderen Seite aber der spröde Erzählstil, der mir die Hauptfiguren seltsam fremd blieben ließ. Ein interessanter Einblick in eine fremde Welt in einer Zeit, als die Unterschiede zwischen Orient und Okzident noch ausgeprägter waren als heute.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.