Grace hätte allen Grund, Angst und Wut wegen der umherstreifenden Wölfe in den umliegenden Wäldern von Mercy Falls, Minnesota, zu haben, denn als Grace zehn Jahre alt war, wurde sie von einem Rudel Wölfe angefallen.
Sie rissen und zerrten an ihrem Fleisch und ihren Kleidern, bis sich einer der Wölfe gegen sein Rudel erhob, und das kleine, wehrlose Mädchen rettete.
Doch Grace fürchtet die Wölfe nicht, sie nimmt sie gegen übereifrige Jäger sogar in Schutz, und wartet seit sechs Jahren jeden Winter darauf, dass er auftaucht.
Denn ab dem ersten Frost steht er jeden Tag beobachtend und wartend am Rand des Gartens unter den ersten Bäumen des angrenzenden Waldes.
Er, der sie vor Jahren gerettet hat. Er wartet auf sie. Auf das kleine Mädchen, das er einst verschont hat.
Ihr Wolf.
Doch jeden Frühling verschwindet er genauso schnell wieder wie er im Herbst aufgetaucht ist.
Denn den ganzen Sommer über streift der Wolf mit den gelben Augen seine tierische Gestalt ab und lebt in Menschengestalt ganz in Grace` Nähe. Und dennoch fern und unerkannt.
Doch in diesem Jahr ist alles anders:
Sam weiß, dass er seinen letzten Sommer als Mensch verbringen wird.
Und es ist bereits Herbst, als sich Grace in den Jungen mit den bernsteinfarbenen Augen verliebt und in ihm ihren scheuen Wolf erkennt.
Doch mit jedem Tag, der vergeht, weicht die Sonne und mit ihr die Wärme der Sommermonate zurück und der Winter rückt mit Frost, Eis und Schnee näher.
Die Wärme hält Sam in seiner Menschengestalt, die Kälte zwingt ihn in seine Wolfsgestalt.
Der endgültige Abschied von Grace naht...
Jahrelang bin ich wie ein scheuer Wolf um die Trilogie mit dem wunderschönen Cover herumgeschlichen. Habe immer wieder vorsichtig daran geschnuppert, danach gelechzt, bin dann aber doch immer wieder zurückgewichen. Tief in andere Regale mit anderen Büchern hinein...
War das Instinkt?
Wenn ja, hätte ich auf ihn hören sollen anstatt in typischer Mädchenmanier nach dem Buch mit der romantischsten und zauberhaftesten Gestaltung zu greifen.
Ich konnte weder dem einfachen und teilweise bemüht poetisch wirken wollenden Schreibstil Maggie Stiefvaters etwas Besonderes abgewinnen noch der teilweise unlogischen und langweiligen Handlung genauso wenig wie den beiden Protagonisten Grace und Sam.
Grace, die nach dem Übergriff fast besessen von den Wölfen ist und lieber mal eine Verabredung mit ihren Freundinnen sausen lässt, um ihren Wolf in der Dämmerung von der sicheren Veranda aus beobachten zu können.
Zwar gibt es einen guten Grund für die Sehnsucht nach dem Rudel, die Wehmut nach dem Wolfsgesang, doch irgendwie packten mich Grace` Gefühle einfach nicht.
Grace, die ruhige Streberin, die im eigenen Zuhause stets für Recht und Ordnung sorgt und für ein gehaltvolles Essen für ihre Eltern, das nicht aus der Tüte oder der Dose stammt, wirkt fad und erinnert mich doch stark an Bella Swan...
Und Sam, der unter seiner Zerrissenheit, seiner Angst vor der endgültigen Verwandlung leidet, wird dann doch zu oft von seinen pubertierenden Gefühlen heimgesucht und übermannt.
Und das ist vielleicht auch der Knackpunkt der Geschichte:
Grace und Sam begegnen sich zum ersten Mal, sie erkennt in ihm ihren Wolf, gar einen Werwolf, der vielleicht am Tod eines Mitschülers mitverantwortlich sein könnte, und die Funken fliegen, die Lippen werden gekostet, die Wangen liebkost, Gedichte rezitiert, als ob sie sich schon ewig kennen würden.
Keine zarte, behutsame Annäherung zweier eigentlich schüchterner Teenager, nein, Grace lädt Sam heimlich und auf der Stelle in ihr Zuhause und in ihr Bett ein. Wo soll er auch hin der verletzte und nackte Werwolfsjunge?
Wie gut auch, dass die geschäftigen Eltern ihrer Tochter nie einen Gutenachtkuss im Kinderzimmer auf die Stirn drücken und nie Zeit für ihre ansonsten brave Tochter finden oder es nicht merken, wenn die Dusche prasselt, obwohl sich eigentlich keine weitere Person im Haushalt aufhalten dürfte.
Grace ist also ausnahmsweise mal kein Scheidungskind oder gar Halbwaisenkind, sondern "nur" einsam und auf sich alleine gestellt. Sam ist für sie ein Halt.
Grace ist eher der pragmatische Kopfmensch, Sam der kreative und sensible Gefühlsmensch.
Und so schmachten sich Grace und Sam Nacht für Nacht sittlich an, schmiegen sich in ihre warmen Arme und lauschen Sams altem Rudel, das sich im Schutz der Dunkelheit des Waldes die Seele aus dem Leib heult.
An der gesamten Geschichte gab es einfach keine Geheimnisse, die es zu bewahren oder zu lüften galt, keine neuen Pfade, die es zu erkunden gab.
Weder Sams zweites Ich noch eine sanfte, schüchterne Verliebtheit noch Grace` Grund für ihre Sehnsucht nach den umherstreifenden Wölfen.
Die Geschichte neckte mich einfach nicht wie Haken schlagende Kaninchen, ich konnte mich nicht in sie hineinkuscheln wie in raues Wolfsfell, ich konnte die Gefühle von Grace und Sam nicht wie Adlerschwingen ergreifen und mich von ihnen davon tragen lassen.
Stattdessen wirkte "Nach dem Sommer" wie ein netter, sonntäglicher Spaziergang im gepflegten und zurecht gestutzten Stadtpark:
Ein wenig langweilig und anstrengend zugleich, weil ich ständig alte Bekannte und verbrauchte Klischees grüßen musste, und den Spaziergang nicht wirklich genießen konnte.
Dabei ist die Idee, die Wandlung der Werwölfe an die Jahreszeiten und die Temperatur zu binden und nicht an den Vollmond, innovativ, wunderschön, bietet Potenzial für einen ergreifenden und dramatischen Handlungsverlauf.
Auch der Einfall, aus zwei Ich- Perspektiven zu erzählen, nämlich aus Grace` und Sams Sicht und aus dem Blickwinkel seines Alter Egos, verleiht der Geschichte ihren besonderen Reiz und Charme. Dennoch konnte ich beim Lesen nicht wirklich unterscheiden, wer von den beiden nun gerade zu Wort kam - zu ähnlich war der Schreibstil, der keine charakterlichen Unterschiede und Feinheiten, die die Ich- Perspektive bieten könnte, herausarbeiten konnte.
Leider gefiel mir die gesamte Umsetzung nicht, auch nicht die bemühte Sprache, der langweilige Handlungsverlauf, die biederen Charaktere und auch nicht deren verkitschte und überstürzte Liebesgeschichte.
Vielleicht hätte ich einfach mit stolz erhobener Rute elegant und leichtfüßig an "Nach dem Sommer" vorbeitraben anstatt winselnd und auf leisen Pfoten um es herum tapsen sollen, und hätte lieber meine sensible und neugierige Nase erneut in den Wind des Bücherwaldes recken sollen, Witterung eines anderen Buches aufnehmen sollen, das mir mehr schmecken könnte. Eine Hetzjagd auf ein stärkeres Buch hätte ich eventuell starten, es reißen und mit Haut und Haar verschlingen sollen.
Stattdessen habe ich ein Opfer aus der Herde der Jugendfantasybücher ins Auge gefasst, das mich jahrelang mit seinem wunderschönen Aussehen gelockt und geködert hat, welches sich letztendlich als schwach und kränklich entpuppt und einen faden Beigeschmack bei mir hinterlassen hat. Aber keinen Rausch der Empfindungen und der Abenteuerlust.
Das Cover, der Klappentext und die vielen positiven Bewertungen haben mir eine wilde und atemberaubende Hetzjagd über Wurzeln und durch Dickicht versprochen, hoffnungsschimmernde, romantische Spaziergänge durch einen sehnsüchtig glühenden Herbstwald, in dessen Rauschen die Melancholie nie verklingt, Schneeblumen und Eiskristalle, in denen Angst und Verzweiflung, einander zu verlieren, für immer eingeschlossen sind.
Stattdessen roch das Buch nach nassem Hund, der sich lieber faul und gelangweilt im warmen Hundekörbchen räkelt und die vereisten Pfoten leckt als nervenaufreibende und flotte Abenteuer im Wald zu bestreiten.
Doch zum Glück drehte der Wind auf den letzten 150 Seiten, Spannung und unerwartete Wendungen kamen plötzlich auf leisen Tatzen heran gesaust, die Handlung packte mich, Figuren überraschten mich, Logiklücken blieben aber dennoch, sodass meine Meinung letztendlich doch positiver ausfällt und ich die Folgebände sicherlich auch noch irgendwann lesen werde, da das Ende auch noch viele Fragen offen lässt.
Hoffentlich schafft es Maggie Stiefvater dann, Kitsch herauszunehmen und mehr Logik und Spannung in ihre Geschichte hineinzubauen.
Und am meisten freue ich mich dann eigentlich auch auf die "zickige" Isabel... aber auch auf Beck und Olive... auf Grace und Sam eher weniger...
Leider dennoch nur 3 von 5 Sternchen!
Schade, denn die zuckersüß ausschauende Trilogie passt so perfekt zu meiner Trophäensammlung toll gestalteter Bücher auf dem prasselndem Kamin in meinem Jagdzimmer...