So 'n Gedicht ...

  • Bücher


    Alle Bücher dieser Welt

    Bringen dir kein Glück,

    Doch sie weisen dich geheim

    In dich selbst zurück.


    Dort ist alles, was du brauchst,

    Sonne, Sterne und Mond,

    Denn das Licht, wonach du frugst,

    In dir selber wohnt.


    Weisheit, die du lang gesucht,

    In den Bücherein,

    Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -

    Denn nun ist sie dein.


    Hermann Hesse

  • Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen

    Sich tiefer und tiefer ins Herz hinein,

    Und während Tage und Jahre verstreichen,

    werden sie Stein.


    Du sprichst und lachst, wie wenn nichts wäre,

    Sie scheinen zeronnen wie Schaum.

    Doch du spürst ihre lastende Schwere

    Bis in den Traum.


    Der Frühling kommt wieder mit Wärme und Helle,

    Die Welt wird ein Blütenmeer,

    Aber in meinem Herzen ist eine Stelle,

    Da blüht nichts mehr.


    Ricarda Huch

  • Dann mal was zum Aufheitern, ganz neu von eben vorhin:


    Wenn Hunde die rennen sollen

    beim Hunderennen nicht so wollen

    weil sie statt zu rennen

    lieber den Start verpennen

    die Hundebesitzer heftig grollen

    die Wetter dagegen verzweifelt schmollen

    doch dann verweht der wütende Dampf

    nun wetten sie auf Hahnenkampf!

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Zu Ostern darf der Osterapaziergang nicht fehlen. Wir mussten ihn damals noch auswendig lernen:

    Vor dem Tor

    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
    Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
    Im Tale grünet Hoffnungsglück;
    Der alte Winter, in seiner Schwäche,
    Zog sich in rauhe Berge zurück.
    Von dort her sendet er, fliehend, nur
    Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
    In Streifen über die grünende Flur.
    Aber die Sonne duldet kein Weißes,
    Überall regt sich Bildung und Streben,
    Alles will sie mit Farben beleben;
    Doch an Blumen fehlts im Revier,
    Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
    Kehre dich um, von diesen Höhen
    Nach der Stadt zurück zu sehen!
    Aus dem hohlen finstern Tor
    Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
    Jeder sonnt sich heute so gern.
    Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
    Denn sie sind selber auferstanden:
    Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
    Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
    Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
    Aus der Straßen quetschender Enge,
    Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
    Sind sie alle ans Licht gebracht.
    Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
    Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
    Wie der Fluß in Breit und Länge
    So manchen lustigen Nachen bewegt,
    Und, bis zum Sinken überladen,
    Entfernt sich dieser letzte Kahn.
    Selbst von des Berges fernen Pfaden
    Blinken uns farbige Kleider an.
    Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
    Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
    Zufrieden jauchzet groß und klein:
    Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!


    (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)


    Frohe Ostern allen!

  • Ausgesetzt

    In einer Barke von Nacht

    Trieb ich

    Und trieb an ein Ufer.

    An Wolken lehnte ich gegen den Regen.

    An Sandhügel gegen den wütenden Wind.

    Auf nichts war Verlass.

    Nur auf ein Wunder.

    Ich aß die grünenden Früchte der Sehnsucht,

    Trank von dem Wasser das dürsten macht.

    Ein Fremdling,

    Stumm vor unerschlossenen Zonen,

    Fror ich mich durch die finsteren Jahre.

    Zur Heimat erkor ich mir die Liebe.



    Mascha Kaleko (1907 - 1975)

  • Die Selbstkritik hat viel für sich,

    Gesetzt den Fall, ich tadle mich,

    So hab' ich erstens den Gewinn,

    Daß ich so hübsch bescheiden bin;

    Zum zweiten denken sich die Leut,

    Der Mann ist lauter Redlichkeit;

    Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen,

    Vorweg den andren Kritiküssen;

    Und viertens hoff' ich außerdem,

    Auf Widerspruch, der mir genehm.

    So kommt es denn zuletzt heraus,

    Daß ich ein ganz famoses Haus.



    Wilhelm Busch

  • - Es ist Zeit! Für dieses Feuer -

    Ich bin alt!

    - Älter als ich - die Liebe!

    - Fünfzig Januare übersteigt

    sie, diesen Berg!

    - Älter - die Liebe:

    Alt wie der Schachtelhalm, die Schlange,

    Älter als Livlands Bernstein,

    Als Geisterschiffe älter,

    Steine - als die Meere...

    Doch in der Brust das Weh

    ist älter als die Liebe, älter noch als sie.



    Marina Iwanowna Zwetajewa

  • Moos


    Hast du schon jemals Moos gesehen?

    nicht bloß

    so im Vorübergehen,

    so nebenbei von obenher,

    so ungefähr -

    nein, dicht vor Augen, hingekniet,

    wie man sich eine Schrift besieht?

    O Wunderschrift! O Zauberzeichen!

    Da wächst ein Urwald ohnegleichen

    und wuchert wild und wunderbar

    im Tannendunkel Jahr für Jahr,

    mit krausen Fransen, spitzen Hütchen,

    mit silbernen Trompetentütchen,

    mit wirren Zweigen, krummen Stöckchen,

    mit Sammethärchen, Blütenglöckchen,

    und wächst so klein und ungesehen -

    ein Hümpel Moos.

    Und riesengroß

    die Bäume stehen …


    Siegfried von Vegesack Seine schönsten Gedichte


    Gefunden in:

    Der Moosgarten von Michael Altmoos

    ASIN/ISBN: ‎3895663875

  • Im uralten See

    Hausen die traurigen Fische

    Und fürchten den Gott der Fische


    Indessen wir die jungen Wellen

    Mit unseren Rudern kämmen

    Die rosa Hügel rundum tanzen

    Wie die Hügel der Bibel


    Auf Schaumpferdchen schaukelt

    Ein kleiner Wind -


    Auf unseren uralten Augen

    Lächelt es golden:

    Doch drunter haust eine traurige Furcht



    Yvan Goll, deutsch - französischer Dichter, 1891 - 1950



    ASIN/ISBN: 1941550711