So 'n Gedicht ...

  • Die Nacht war Geduld,

    ein einziger langer

    Ton der Geduld.


    Das Ich dünkte sich

    Hirte und Hund und

    wandernde Herde zugleich.


    Entfernten Mondes

    Funken im Gefieder,

    Sprichwort im Hakenmund...

    In den Augen der Eule

    lacht die Nacht sich gesund.


    Von sieben Gründen

    sind neun verborgen.

    Wär wohl zum zehnten

    die Leiter zu finden?


    ASIN/ISBN: 3518224581

  • Wenn man ans Meer kommt
    soll man zu schweigen beginnen
    bei den letzten Grashalmen
    soll man den Faden verlieren

    und den Salzschaum
    und das scharfe Zischen des Windes einatmen
    und ausatmen
    und wieder einatmen

    Wenn man den Sand sägen hört
    und das Schlurfen der kleinen Steine
    in langen Wellen
    soll man aufhören zu sollen
    und nichts mehr wollen wollen nur Meer
    Nur Meer
    Erich Fried

  • Juni


    Die Zeit geht mit der Zeit: Sie fliegt.

    Kaum schrieb man sechs Gedichte,

    ist schon ein halbes Jahr herum

    und fühlt sich als Geschichte.


    Die Kirschen werden reif und rot,

    die süßen wie die sauern.

    Auf zartes Laub fällt Staub, fällt Staub,

    so sehr wir es bedauern.


    Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott.

    Aus Herrlichkeit wird Nahrung.

    Aus manchem, was das Herz erfuhr,

    wird bestenfalls Erfahrung.


    Es wird und war. Es war und wird.

    Aus Kälber werden Rinder.

    Und weil's zur Jahreszeit gehört,

    aus Küssen kleine Kinder.


    Die Vögel füttern ihre Brut

    Und singen nur noch selten.

    So ist's bestellt in unsrer Welt,

    der besten aller Welten.


    Spät tritt der Abend in den Park,

    mit Sternen auf der Weste,

    Glühwürmchen ziehn mit Lampions

    zu einem Gartenfeste.


    Dort wird getrunken und gelacht.

    Zu vorgerückter Stunde

    tanzt dann der Abend mit der Nacht

    die kurze Ehrenrunde.


    Am letzten Tische streiten sich

    ein Heide und ein Frommer,

    ob's Wunder oder keine gibt.

    Und nächstens wird es Sommer.





    ASIN/ISBN: 3038820059

  • Lob der schwarzen Kirschen

    Des Weinstocks Saftgewächse ward

    Von tausend Dichtern laut erhoben;

    Warum will denn nach Sängerart

    Kein Mensch die Kirsche loben?


    O die karfunkelfarbne Frucht

    In reifer Schönheit ward vor diesen

    Unfehlbar von der Frau versucht,

    Die Milton hat gepriesen.


    Kein Apfel reizet so den Gaum

    Und löschet so des Durstes Flammen;

    Er mag gleich vom Chineser-Baum

    In ächter Abkunft stammen.


    Der ausgekochte Kirschensaft

    Giebt aller Sommersuppen beste,

    Verleiht der Leber neue Kraft

    Und kühlt der Adern Äste;


    Und wem das schreckliche Verboth

    Des Arztes jeden Wein geraubet,

    Der misch ihn mit der Kirsche roth

    Dann ist er ihm erlaubet;


    Und wäre seine Lunge wund,

    Und seine ganze Brust durchgraben:

    So darf sich doch sein matter Mund

    Mit diesem Tranke laben.


    Wenn ich den goldnen Rheinstrandwein

    Und silbernen Champagner meide,

    Dann Freunde mischt mir Kirschblut drein

    Zur Aug- und Zungenweide:


    Dann werd' ich eben so verführt,

    Als Eva, die den Baum betrachtet,

    So schön gewachsen und geziert,

    Und nach der Frucht geschmachtet.


    Ich trink und rufe dreymal hoch!

    Ihr Dichter singt im Ernst und Scherze

    Zu oft die Rose, singet doch

    Einmal der Kirschen Schwärze!


    Anna Louisa Karsch, 1764

  • John Henry Mackay (1864-1933)

    Vertont von Richard Strauss


    Morgen


    Und morgen wird die Sonne wieder scheinen,

    und auf dem Wege, den ich gehen werde,

    wird uns, die Glücklichen, sie wieder einen

    inmitten dieser sonnenatmenden Erde.


    Und zu dem Strand, dem weiten, wogenblauen,

    werden wir still und langsam niedersteigen,

    stumm werden wir uns in die Augen schauen,

    und auf uns sinkt des Glückes stummes Schweigen.

  • William Ernest Henley

    Out of the night that covers me,Black as the pit from pole to pole,I thank whatever gods may beFor my unconquerable soul.


    In the fell clutch of circumstanceI have not winced nor cried aloud.Under the bludgeonings of chanceMy head is bloody, but unbowed.


    Beyond this place of wrath and tearsLooms but the horror of the shade,And yet the menace of the yearsFinds and shall find me unafraid.


    It matters not how strait the gate,How charged with punishments the scroll,I am the master of my fate:I am the captain of my soul.
    Aus finstrer Nacht, die mich umragt,durch Dunkelheit mein’ Geist ich quäl.Ich dank, welch Gott es geben mag,dass unbezwung’n ist meine Seel.


    Trotz Pein, die mir das Leben war,man sah kein Zucken, sah kein Toben.Des Schicksals Schläg in großer Schar.Mein Haupt voll Blut, doch stets erhob’n.


    Jenseits dies Orts voll Zorn und Tränen,ragt auf der Alp der Schattenwelt.Stets finden mich der Welt Hyänen.Die Furcht an meinem Ich zerschellt.


    Egal, wie schmal das Tor, wie groß,wieviel Bestrafung ich auch zähl.Ich bin der Meister meines Los’.Ich bin der Käpt’n meiner Seel.


    Draußen zu heiß ;), darum eine der sehr sehenswerten arte-Dokus - diesmal über den Ku-Klux-Klan:


    Der Ku-Klux-Klan - Eine Geschichte des Hasses (2/2) | Doku HD Reupload | ARTE - YouTube


    Das Gedicht wählte Timothy McVeigh, der Oklahoma-Attentäter, als Botschaft anstelle eines letzten persönlichen Wortes vor seiner Hinrichtung. Selten wurde Poesie so missbraucht.

    McVeigh war weniger Rassist als Regierungsgegner. Was ein einzelner (er hatte nur 2 Helfer) anrichten kann, sieht man hier eindruckvoll. "Es steht 168:1 für mich", meinte er zynisch.

    Die Doku ist großartig. Mir fiel Heine ein, der angesichts der Bestialität gegenüber den Schwarzen sinngemäß schrieb, dass die Herrschaft der Fürsten furchtbar drückend, aber nichts schlimmer sei als die "Herrschaft des Pöbels". Heine starb 1856. Das ging dann in den Südstaaten weiter und weiter ...

  • Heute zum Weltkatzentag:


    Wie heißen die Katzen


    Wie heißen die Katzen? gehört zu den kniffligsten Fragen

    Und nicht in die Rätselecke für jumperstrickende Damen.

    Ich darf Ihnen, ganz im vertrauen, sagen:

    Eine jede Katze hat drei verschiedene Namen.


    Zunächst den Namen für Hausgebrauch und Familie,

    Wie Paul oder Moritz (in ungefähr diesem Rahmen),

    Oder Max oder Peter oder auch Petersilie

    Kurz, lauter vernünft'ge, alltägliche Namen.


    Oder, hübscher noch, Murr oder Fangemaus

    Oder auch, nach den Mustern aus klassischen Dramen:

    Iphigenie, Orest oder Menelaus

    Also immer noch ziemlich vernünft'ge, alltägliche Namen.


    Doch nun zu dem nächsten Namen, dem zweiten:

    Den muß man besonders und anders entwickeln.

    Sonst könnten die Katzen nicht königlich schreiten,

    Noch gar mit erhobenem Schwanz perpendikeln.


    Zu solchen Namen zählt beispielsweise

    Schnurroaster, Tatzitus, Katzastrophal,

    Kralline, Nick Kater und Kratzeleise

    Und jeden der Namen gibt's nur einmal.


    Doch schließlich hat jede noch einen dritten!

    Ihn kennt nur die Katze und gibt ihn nicht preis.

    Da nützt kein Scharfsinn, da hilft kein Bitten.

    Sie bleibt die einzige, die ihn weiß.


    Sooft sie versunken, versonnen und

    Verträumt vor sich hinstarrt, ihr Herren und Damen,

    Hat's immer und immer den gleichen Grund:

    Dann denkt sie und denkt sie an diesen Namen


    Den unaussprechlichen, unausgesprochenen,

    Den ausgesprochenen unaussprechlichen,

    Geheimnisvoll dritten Namen.


    T. S. Eliot


    ASIN/ISBN: 3717516140

  • Na ja, in Anbetracht der Tatsache, dass Katzen jährlich MILLLIARDEN Vögel töten (Repetitio est mater studiorum: MILLLIARDEN!!!), hier mal ein Vogelgedicht:



    Joseph Freiherr von Eichendorff


    Morgendämmerung

    Es ist ein still Erwarten in den Bäumen,

    Die Nachtigallen in den Büschen schlagen

    In irren Klagen, können's doch nicht sagen,

    Die Schmerzen all und Wonne, halb in Träumen.

    Die Lerche auch will nicht die Zeit versäumen,

    Da solches Schallen bringt die Luft getragen,

    Schwingt sich vom Tal, eh's noch beginnt zu tagen,

    Im ersten Strahl die Flügel sich zu säumen.

    Ich aber stand schon lange in dem Garten

    Und bin ins stille Feld hinausgegangen,

    Wo leis die Ähren an zu wogen fingen.

    O fromme Vöglein, ihr und ich, wir warten

    Aufs frohe Licht, da ist uns vor Verlangen

    Bei stiller Nacht erwacht so sehnend Singen.

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  • Herbst des Einsamen


    Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,

    Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.

    Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;

    Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.

    Gekeltert ist der Wein, die milde Stille

    Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.


    Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel,

    Im roten Wald verliert sich eine Herde.

    Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;

    Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.

    Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel

    Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.


    Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;

    In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden

    Und Engel treten leise aus den blauen

    Augen der Liebenden, die sanfter leiden.

    Es rauscht das Rohr, anfällt ein knöchern Grauen,

    Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen

    Weiden.


    ( Georg Trakl)

  • Wir sind, sagen die Lauen,

    Wir sind nicht objektiv.

    Wir sollten doch tiefer schauen,

    Doch schauen, ob nicht tief

    Am Nazitum was dran sei,

    Ob Hitler nicht doch ein Mann sei.


    Wir haben alles erwogen,

    Wir wussten alles zuvor,

    Mal hat man uns nicht betrogen,

    Man machte uns nicht vor,

    Dass rechts links und gerade schief sei

    Und dass alles relativ sei.


    Unrelative Lumpen hausen bei uns zu Haus,

    Und hauen das Land in Klumpen.

    Ist relativ der Graus?

    Da sollen wir objektiv sein,

    Wir sollen so naiv sein!


    Wir kennen die einfache Wahrheit,

    Wir sehen durch ein scharfes Glas.

    Und unsere Lehre ist Klarheit.

    Und unsere Lehre ist Hass.

    Der Hass, der groß und weitsichtig ist,

    Der schaffende Hass der wichtig ist.


    Joachim Ringelnatz

  • Fremde sind wir auf der Erde alle

    Tötet euch mit Dämpfen und mit Messern,

    Schleudert Schrecken, hohe Heimatworte,

    Werft dahin um Erde euer Leben!

    Die Geliebte ist euch nicht gegeben.

    Alle Lande werden zu Gewässern,

    Unterm Fuß zerrinnen euch die Orte.


    Mögen Städte aufwärts sich gestalten,

    Niniveh, ein Gottestrotz von Steinen?

    Ach, es ist ein Fluch in unserm Wallen ...

    Flüchtig muß vor uns das Feste fallen,

    Was wir halten, ist nicht mehr zu halten,

    Und am Ende bleibt uns nichts als Weinen.


    Berge sind, und Flächen sind geduldig ...

    Staunen, wie wir auf und nieder weichen.

    Fluß wird alles, wo wir eingezogen.

    Wer zum Sein noch Mein sagt, ist betrogen.

    Schuldvoll sind wir, und uns selber schuldig,

    Unser Teil ist: Schuld, sie zu begleichen!


    Mütter leben, daß sie uns entschwinden.

    Und das Haus ist, daß es uns zerfalle.

    Selige Blicke, daß sie uns entfliehen.

    Selbst der Schlag des Herzens ist geliehen!

    Fremde sind wir auf der Erde Alle,

    Und es stirbt, womit wir uns verbinden.

    (1915)


    Franz Werfel

  • Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

    Wirf deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

    und auf den Fluren laß die Winde los.


    Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;

    gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

    dräng zur Vollendung sie und jage

    die letzte Süße in den schweren Wein.


    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

    und wird in den Alleen hin und her

    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


    ( R. M. Rilke )

  • Dem einen ist meine Nase

    Zu weit links im Gesicht.

    Zu weit rechts erscheint sie dem anderen

    Und das gefällt ihm nicht.

    Und flugs ergreift das Wort der dritte

    Und bemerkt sodann:

    "Sie sitzt zu sehr in der Mitte"

    Und ich sollt was ändern daran..


    Ich bedenk' was ein jeder

    Zu sagen hat

    Und schweig' fein still

    Und setz' mich auf mein achtel Lorbeerblatt

    Und mache, was ich will.


    Die einen hör ich sagen,

    Ich sei der alte nicht mehr

    Die andern wieder sich beklagen,

    Dass ich noch der alte wär.

    ...


    Ich bedenk', was ein jeder zu sagen hat

    Und schweig' fein still

    Setz' mich auf mein achtel Lorbeerblatt

    Und mache, was ich will.


    Mit großer Freude sägen

    Die einen an meinem Ast.

    Die anderen sind noch am überlegen

    Was ihnen an mir nicht passt.

    Doch was immer ich tun würde,

    Deren Gunst hätt ich längst verpatzt,

    Also tu ich, was ein Baum tun würde,

    Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt.


    Ich bedenk', was ein jeder zu sagen hat

    Und schweig' fein still

    Setz' mich auf mein achtel Lorbeerblatt

    Und mache, was ich will.

    ...


    (Reinhard Mey)

  • O wie kalt ist es geworden

    und so traurig, öd und leer!

    Rauhe Winde wehn von Norden,

    und die Sonne scheint nicht mehr.


    Auf die Berge möcht ich fliegen,

    möchte sehn ein grünes Tal

    möcht in Gras und Blumen liegen

    und mich freun am Sonnenstrahl.


    Möchte hören die Schalmeien

    und der Herden Glockenklang

    möchte freuen mich im Freien

    an der Vögel süßem Sang!


    Schöner Frühling, komm doch wieder

    lieber Frühling komm doch bald.

    Bring uns Blumen, Laub und Lieder

    schmücke wieder Feld und Wald.

    ...


    ...

    ASIN/ISBN: 116847017X

  • Lieber Frühling, kommst du zurück

    Biete ich dir einen guten Handel

    Ich jauchze laut vor so viel Glück

    Und du vergisst den Klimawandel


    Vergiss die Dürren, Stürme, Fluten

    Bring milde würzige Frühlingsluft

    Du gehörst zum besten aller Guten

    Mit Blumen-, Obst- und Beerenduft


    So träume ich von schönen Zeiten

    Die einmal waren, sie sind nun fort

    Katastrophen uns nun oft begleiten

    Die Erde ist ein beschissener Ort

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Der Winter ist kommen


    Der Winter ist kommen,

    verstummt ist der Hain;

    nun soll uns im Zimmer

    ein Liedchen erfreun.


    Das glitzert und flimmert

    Und leuchtet so weiß

    Es spiegelt die Sonne

    Im blitzblanken Eis.


    Wir gleiten darüber

    Auf blinkendem Stahl

    Und rodeln und jauchzen

    Vom Hügel ins Tal.


    Und senkt sich der Abend,

    geht's jubelnd nach Haus

    ins trauliche Stübchen

    zum Bratapfelschmaus.


    Autor: unbekannt

  • Das Blaubeerentanzen

    und Dackelwanzen

    Clowns bestellen

    und Pommerellen.

    Das Meisenzweigen

    Im Funkenreigen

    Das Brathuhnlupfen

    und blaue Tupfen

    Das Glühwürmchenmeckern

    und Rheinwein verkleckern.


    Das Blättertragen

    Im Wolkenkragen

    Das helle Zimmer

    und Erdbeeren immer

    Das Fliegenkriegen

    und Taubenbiegen

    Blassblaue Torten

    In fünfeinhalb Sorten

    Richtig verbuffzen

    zum uffzen fluffzen


    Sofort, jetzt und hier

    Wünsche ich dir.