Psychisch kranke Schriftsteller und ihre Werke

  • Hallo allerseits :wave


    Eigentlich wollte ich zuerst ein Posting über solche Schriftsteller in den Robert Enke-Thread stellen, habe dann aber gemerkt, dass ich damit das Thema dort irgendwie verfehle. :rolleyes


    Ein spezieller Thread dazu ist sicher angebrachter.


    Es gibt eine ganze Reihe von Schriftstellern die von Depressionen betroffen waren/sind, und die versucht haben, dieses ihr Leiden in Worte zu fassen, es auf diese Weise verarbeiten zu können wohl auch.


    Manchmal "übergeben" Schriftsteller ihre eigene Krankheit unter der sie leiden der einen oder anderen Person in ihren Werken, die dann mit den diversen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die solche Erkrankungen mit sich bringen. Sie lassen diese Personen quasi für sich selber "sprechen"....


    Bei dem einen und anderen sind es auch "nur" Versuche geblieben, seine Empfindungen zu artikulieren oder Andeutungen nur....


    Bei Remarque z.B. (bei ihm war es vielleicht sogar noch eher die Scheu davor, dass man entdecken könnte, dass er selber damit zu kämpfen hat) ....andere wollten sich erklären und sind irgendwo steckengeblieben, ganz so, als hätten sie es sich eingestehen müssen, dass es ihnen einfach nicht ganz so recht gelingt, ihre tatsächlichen Empfindungen in Worte zu fassen.


    Wer eigentlich immer drangeblieben ist an diesem Thema, das ihn auch über viele Jahrzehnte belastet/umgetrieben hat, zusätzlich noch mit einigen anderen schwerwiegenden Auswirkungen, welche psychiche Erkrankungen auch beinhalten können (z.B. Suchtprobleme....) das war der Hermann Hesse.


    Silja Walter hat dazu ganz eindrückliche Gedichte geschrieben.


    Und im Moment bin ich an den Tagebüchern dran von Klaus Mann. In Tagebüchern hat die Thematik Depressionen meistens wieder eine ganz andere "Dynamik/Dimmension".....


    Wer mir zu diesem Thema noch durch den Kopf geht, so auf die Schnelle: Sylvia Plath, Hemingway, Virginia Wolff, Dostojewski....mit deren Werken ich mich aber zu wenig befasst habe, um dazu was sagen zu können.


    Vielleicht weiss jemand von Euch mehr darüber....oder kennt weitere solche Schriftsteller in deren Werken sich ihre Krankheiten "niederschlagen"...


    Grüessli ...Joan

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    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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  • The Bell Jar (zu deutsch Die Glassglocke) von Sylvia Plath habe ich gelesen. Der Titel sagt ja schon einiges darüber aus, wie sie die Depression beschreibt. Ich kann das Buch sehr empfehlen.

  • Vor langer Zeit und vielleicht für das Thema passend ist Louis-Ferdinand Celines "Reise ans Ende der Nacht". Der Autor nahm am 1.Weltkrieg teil, wurde verwundet und man bescheinigte ihm im Anschluss eine Angstpsychose.
    Ob die Krankheit oder die Verarbeitung seiner Kriegsererlebnisse Gegenstand in seiner "Reise ans Ende der Nacht" sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
    Sein Buch "Von einem Schloss zum anderen" habe ich damals abgebrochen. Als zu wirr empfand ich die Gedanken.

  • Oh ja Salonlöwin, ganz genau.....Du sagst es, traumatische Erlebnisse jeglicher Art werden auch oft in Werken verarbeitet....

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  • Sorry Clio....sieht jetzt grad so aus, als hätte ich Dich übergehen wollen.


    Von diesem Buch DIE GLASGLOCKE habe ich in diesem Zusammenhang doch schon sehr oft gehört, wie eindrücklich dieses Werk sei. Leider bin ich über ihre Tagebücher und eine Biografie über sie noch nicht hinausgekommen. :rolleyes

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  • Mir fällt da sofort die amerikanische Lyrikerin Anne Sexton ein, die mit Sylvia Plath befreundet war und sich selbst 1974 das Leben nahm.


    Ich kaue schon das ganze Jahr immer mal wieder an der englischen Gesamtausgabe ihrer Gedichte herum - nicht nur, weil das ein Backstein von Buch ist, sondern auch, weil ihre Gedichte schwere Kost sind, in ihrer Intensität und schon fast exhibitionistischen Offenheit nicht immer leicht verdaulich.


    Einzelne ihrer zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichtbände sind auch ins Deutsche übersetzt worden.

  • Zitat

    Original von Clio
    Die Tagebücher wollte ich auch noch lesen, sie sollen eine gute Ergänzung zu ihrem Roman sein.


    Clio....es ist schon einige Zeit her, seit ich sie gelesen habe, und ich befürchte beinahe, dass sie mich nicht so sehr beeindruckt haben, sonst hätte ich mich doch noch weitergehend in das Leben und Werk von ihr eingelassen, so wie ich mich kenne....


    Es kann aber auch durchaus sein, dass ich diese Tagebücher und auch die Biografie zu einem für mich "ungünstigen" Zeitpunkt gelesen habe, auch sowas ist schon öfters mal vorgekommen.

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  • Zitat

    Original von Nicole
    Mir fällt da sofort die amerikanische Lyrikerin Anne Sexton ein, die mit Sylvia Plath befreundet war und sich selbst 1974 das Leben nahm.


    Auwaaaa....an ihr muss ich bisher völlig vorbeigeschlittert sein, mich demnächst mal auf die Suche nach ihr mache.... gucken auch, ob einige Gedichte von ihr im I-Net zu finden sind.


    DAnke Nicole....

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  • @ Joan


    so ungeprüft ins Blaue rein g'schwätzt würd ich mal behaupten, dass Du im Inet bestimmt fündig wirst. Ich bin auch sehr lange um Anne Sexton rumgeschlichen, bis ich mich endlich mal getraut habe - und ich kann mit ihren Gedichten nun doch sehr viel mehr anfangen als mit denen von Sylvia Plath.

  • Interessant in dem Zusammenhang ist auch ein tagebuchartiger Bericht einer erfolgreichen Psychologin, die selbst an einer schweren Depression erkrankt. Eine Art Innenansicht sozusagen.

    [SIZE=7]. [/SIZE] Lg, Ann O'Nym [SIZE=7] ........................ ..............:spinne.............. .[/SIZE]

  • Wow....da ist ja schon Einiges zusammen gekommen, Bekanntes und Unbekanntes was mich betrifft.


    Danke Euch.


    Zum Trinker von Fallada - ein weiteres jener zahllosen Bücher, das ich auch schon längst mal hätte lesen wollen:bonk - da möchte ich noch eins draufgeben DIE LEGENDE VOM HEILIGEN TRINKER von Joseph Roth - noch ein weiteres solches MUSS- ich-unbedingt-mal-lesen-Buch....jedoch der Titel alleine sagt für mich schon Einiges aus....


    Ich weiss aus dem Leben Roths, dass es keine "Legende" ist, dass er sich buchstäblich zu Tode getrunken hat, was für die Allermeisten seiner literarischen und sonstigen Zeitgenossen als ein grosses Drama empfunden wurde....denn er war weitherum beliebt, er muss im Grunde genommen ein sehr sympathischer Mensch gewesen sein (aber nicht gerade ein Heiliger) und er wurde geachtet, weil er ein hochbegnadeter Denker und Schriftsteller war.
    Jedoch, wenn er zuviel getrunken hatte, und das war in seinen letzten Lebensjahren eigentlich beinahe tagtäglich der Fall, dann muss er unerträglich geworden sein, selbst ein Grossteil seiner engsten Freunde konnten und wollten das nicht laufend miterleben....am Ende blieben ihm nur paar ganz wenige, die es um ihn herum ausgehalten haben.


    Roth nannte diese seine letzte Erzählung "mein Testament".


    Kurzbeschreibung
    Roths 1939 entstandene letzte Erzählung vom frommen Tor, der noch an Wunder glaubt und seinen eigenen Tod mit Würde inszeniniert.
    Am Ziel seiner Odyssee durch Paris ruft Andreas »Fräulein Therese!«, seufzt ein letztes Mal und stirbt »einen so leichten und so schönen Tod«, wie man ihn sich nur wünschen kann. Der Clochard und Trinker hatte zweihundert Francs von einem eleganten Herrn erhalten, mit der Auflage, die Rückzahlung der Kapelle der »kleinen heiligen Therese von Lisieux« zugute kommen zu lassen.


    Scheinbar zufällig und blitzhaft, ist das Zusammentreffen für Andreas willkommener Anlass, seine Wiedergeburt zu feiern - als Tag der Umkehr und Läuterung. Zunächst gönnt er sich aber eine feine Mahlzeit und macht sich eine schöne Zeit. Aus seinem festen Vorhaben, der heiligen Therese zu ihrem Recht zu verhelfen, will vorerst so recht nichts werden ...


    Wie stets in seinen Erzähltexten setzt Roth einen mühelos gleitenden, melodiösen Sprachfluss in Gang, dem dennoch das Gepräge eines »Testaments« zu Eigen ist: So charakterisierte der Autor selbst in düsterer Vorahnung seine 1939 entstandene »Legende«. Der eigene Tod mit 45 Jahren wird mit bestürzender Konsequenz und gleichwohl in hoffnungsvollem Tonfall vorweggenommen - sollte dies doch wirklich die letzte Erzählung einer sensiblen Künstlernatur bleiben, für die Poetsein bedeutete, den »Narren, oder Bettler, oder alles zugleich« vorzustellen.

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  • Mir erscheint oft, unter den Schriftstellern finden sich überdurchschnittlich viele psychisch Erkrankte. Ich meine einmal gelesen zu haben, daß 30 % aller Schriftsteller an irgendeiner Art psychischer Erkrankung leiden, vor allem bipolare Störungen finden sich oft (bitte nagelt mich nicht auf diese Zahl fest, ich konnte die Quelle nicht mehr finden).


    Charles Dickens etwa wird eine bipolare Störung nachgesagt, inwieweit sich das in seinen Werken niedergeschlagen hat, kann ich noch nicht beurteilen, da seine Bücher noch vor mir liegen. David Foster Wallace litt ja bekanntlich viele Jahre (schon von Jugend an) unter schweren Depressionen, was leider schlußendlich zum Suizid führte. Weitere Beispiele von betroffenen Autoren gibt es zuhauf, wobei nicht jeder seinen persönlichen Leidensweg vorsätzlich in seine Bücher einbaute. Dennoch denke ich, daß viele Bücher von den Erkrankungen beeinflußt wurden, auch wenn es vielleicht nicht in der Intention des Autors lag.


    Interessant am Rande auch, daß die Dementoren aus den Harry Potter-Büchern von Joanne K. Rowling eine Art Symbol für Depressionen sein sollen, unter denen die Autorin nach eigener Angabe einmal gelitten hat. Tatsächlich finde ich den Vergleich ganz treffend, auch wenn ich nicht weiß, ob Rowling tatsächlich an Depressionen litt oder "lediglich" an depressiven Verstimmungen.

  • Hallo Mankell,


    auf Rowling wollte ich auch gerade verweisen. Vor einigen Monaten kam mal ein Bericht über sie auf ARTE, der sehr spannend und auch sehr berührend war. Darin hat sie so einiges aus ihrem Leben erzählt, unter anderem auch die Dementoren-Geschichte. Offenbar hat sie nach ihrer Scheidung und ihrer Rückkehr nach England an einer ziemlich heftigen depressiven Verstimmung gelitten (sie sagte selbst "Depression") - und sie gab an, dass sie diese Erfahrung in der Gestalt der Dementoren bildlich dargestellt hat (die Schwärze, das Aussaugen, das Hoffnungslose, das Rauben der Seele etc.).


    Ansonsten fällt mir noch Guy de Maupassant ein. Ich weiß nicht, ob er an Depressionen erkrankt war, dafür litt er aber auf jeden Fall an Angstzuständen und Halluzinationen. Er starb in einer psychiatrischen Klinik. Von ihm stammt die meiner Meinung nach gruseligste Vampirstory aller Zeiten, "Der Horla", und darin geht es um die Schnittstelle zwischen Wahnsinn und Einbildung und tatsächlicher Bedrohung.


    Viele Grüße
    Nina

  • Sebastian Deisler hatte vor einigen Jahren ebenfalls schwere Depression und hat nun darüber ein Buch geschrieben!


    Ich würde mich übrigens sehr über eine Rezi zu diesem Buch freuen!


    Kurzbeschreibung
    Die Geschichte Sebastian Deislers ist die eines jungen Mannes, der als fußballerisches Jahrhundert-Talent gilt, mit 21 Jahren Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wird und dessen Ja-Wort dem FC Bayern München ein Handgeld von 20 Millionen D-Mark wert ist.
    Aber es ist auch die Geschichte eines unfertigen Burschen aus dem südlichsten Rand der Republik, der von den Medien und dem Fußball zum Heilsbringer stilisiert wird, von dem die Öffentlichkeit Besitz ergreift, der von ihr vereinnahmt wird, der zahlreiche körperliche und seelische Verletzungen erleidet und sich immer weiter zurückzieht.
    Wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag steigt er aus entkräftet, entnervt, gebrochen. Dann verschwindet er von der Bildfläche. Für die Öffentlichkeit kommt diese Entwicklung nicht ganz überraschend.
    Es war ein langsamer Tod einer Medienfigur, und wir alle haben diesem Verschwinden über Jahre zugesehen. In zahlreichen Gesprächen hat Deisler sich in den zwei Jahren nach seinem Rücktritt dem Journalisten Michael Rosentritt anvertraut.
    Entstanden ist daraus ein Buch über Begeisterung und Liebe zum Fußball, aber auch über Ängste, Qualen, Selbstzweifel, Depressionen und den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.