Berlin Verlag, Oktober 2009
gebunden, 448 Seiten
OT: Ordinary Thunderstorms
übersetzt von Chris Hirte
Bei der Genre-Zuordnung war ich mir unsicher. Würde auch zu Krimi/Thriller passen oder Belletristik :gruebel.
Kurzbeschreibung
Eine scheinbar unbedeutende Entscheidung, und nichts ist mehr, wie es einmal war - in einer Millisekunde entgleitet ein ganzes Leben. Virtuos erzählt William Boyd davon, was es heißt, alles zu verlieren - und neue Wege zu beschreiten. Ein Roman so packend und so mitreißend wie Ruhelos, mit dem Boyd vor drei Jahren das deutsche Lesepublikum eroberte (über 100 000 verkaufte Exemplare). Ein Mann. Eine Zufallsbekanntschaft. Ein Aktenordner. Ein Toter. Von einer Sekunde auf die andere muss Adam Kindred, angesehener Klimatologe auf Durchreise in London, untertauchen. Jeder Weg zu seinem früheren Leben ist versperrt. Kontakt zur Familie nicht möglich, Kreditkarte und Mobiltelefon nicht zu benutzen, das Hotelzimmer außer Reichweite. Nur Stunden zuvor hatte er in einem kleinen italienischen Restaurant in Chelsea Philip Wang kennengelernt, Chef-Entwickler des Pharmakonzerns Calenture-Deutz. Als er ihn wenig später in seinem Apartment aufsucht, um einen vergessenen Ordner vorbeizubringen, findet er einen sterbenden Mann vor. In Panik flieht Adam, alle Indizien weisen auf ihn. Er versteckt sich auf Brachland nahe der Themse und muss nun, wie tausend andere in London, im Untergrund, im Verborgenen leben. Schnell hofft er, seine Unschuld zu beweisen, doch ahnt er nicht, welchen Mächten er gegenübersteht. William Boyd erzählt die Geschichte eines Mannes, dem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Er erzählt, welche Kräfte jemand entwickelt, dem alles genommen ist, und welch unerwartete Wege sich in düsterer Stunde auftun. Ein Roman über die Zerbrechlichkeit unserer Identität, in dem Boyd einmal mehr sein großes Können entfaltet. Und wie bei Ruhelos fasziniert er auch hier durch glänzend recherchierte Hintergründe, Glaubwürdigkeit und ein hohes Maß an Authentizität.
Über den Autor
William Boyd, 1952 in Ghana geboren, gehört zu den über - ragenden europäischen Erzählern der Gegenwart. Er schreibt Romane, Kurz - geschichten und Drehbücher und wurde vielfach ausge - zeichnet, zuletzt für seinen Roman Ruhelos (BV 2007, BvT 2008) mit dem Costa Novel Award. Außerdem erschienen im Berlin Verlag Das Schick sal der Nathalie X (2007, BvT 2009) sowie Brazzaville Beach (BvT 2007), Unser Mann in Afrika (BvT 2008), Eines Menschen Herz (BvT 2008) und Die blaue Stunde (BvT 2009). William Boyd lebt mit seiner Frau in London und Südfrankreich.
Meine Meinung
Das Leben des Klimatologen Adam Kindred, gerade aus den USA nach London zurückgekehrt, nimmt eine dramatische Wende, als er zufällig Dr. Philip Wang in einem kleinen Restaurant in Chelsea kennen lernt. Dr. Wang, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung des Pharma-Unternehmens Calenture-Deutz, lässt eine Mappe mit Unterlagen liegen und als Adam ihm diese in seiner Wohnung übergeben möchte, findet er Wang mit einem Messer in der Brust sterbend vor.
Adam muss sich in einem Sekundenbruchteil entscheiden. Er flieht und wird nun, nicht nur von der Polizei, gesucht.
Adam taucht unter und versteckt sich zunächst am Themseufer. Um unentdeckt zu bleiben, nutzt er kein Telefon, keine Bank, keine sozialen Leistungen oder Verkehrsmittel und schlüpft so durch das Erkennungsraster der modernen Großstadt London. Aber Adam gibt nicht auf. Auf eigene Faust stellt er Nachforschungen zum Tod Wangs an.
William Boyd schreibt lebendig und temporeich. In relative kurzen Kapiteln wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, aus Adams Blickwinkel, aus der Sicht des kampferprobten Ex-Soldaten und Auftragskillers Jonjo, der jungen Polizistin Rita Nashe und dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Calenture-Deutz Ingram Fryzer. Dadurch entsteht ein hohes Spannungspotential bis zum Ende hin.
Mit diesem mitreißend zu lesendem Roman ist William Boyd ein Genre-Mix gelungen. Spannend wie ein Thriller erhält der Leser weit gefächerte Einblicke In das Untergrundleben Londons im 21. Jahrhundert. Auch die Hintergründe krimineller Machenschaften, die im heutigen Wettbewerb der Pharma-Industrie bezüglich neu entwickelter Medikamente und feindlicher Übernahmen leider immer wieder zutage treten, werden von dem Autor detailliert beschrieben. Am Beispiel Adams wird deutlich, dass ein sozialer Aufstieg von ganz unten oft nur durch außergewöhnliche und nicht immer legale Mittel möglich ist.
William Boyds Protagonisten sind klug ausgearbeitet, facettenreich und man erkennt, dass der Autor gründlich recherchiert hat. Seine Figuren scheinen Erfahrungsspannen eines ganzen Lebens dichtgedrängt in Wochen zu durchleben.
„Einfache Gewitter“ ist ein spannender, sozialkritischer Thriller und wiedermal ein herausragendes Werk William Boyds.
10 Punkte mit *Sternchen.