Robert Enke ist tot


  • Du beleidigst niemanden, aber ich frage mich, ob die Menschen, die das bemängeln, einfach Folgendes nicht versteht: Wenn ich sterbe, werden sich Menschen von mir verabschieden können. Einige davon hab ich oft in meinem Leben gesehen, einige müssten meinetwegen gar nicht zu der Beerdigung kommen, werden dennoch da sein. Und wiederum andere kommen nur, weil sie in meinem Seminar saßen oder mir mal in meinem Job begegnet sind. Für sie alle wird genug Platz auf dem Friedhof sein, weil ich nun mal nicht berühmt bin und auch nicht beabsichtige, dies zu werden. Im Gegensatz zu Robert Enke, den viele Menschen "kannten". Ist es sooo wild, wenn sie die Möglichkeit bekommen, von ihm Abschied zu nehmen?
    Auf meiner Beerdigung werden ein-zwei Menschen sprechen. Ist es so schlimm, dass es bei Robert Enke mehr waren? Dass sie sich Gedanken um das "Warum?" und "Wie können wir Ähnliches in Zukunft verhindern?" machen?
    Ich glaube nicht.


    Auch zu lichts Post wollte ich eigentlich noch was schreiben, aber als ich es abschicken wollte, war meine Verbindung weg und somit auch der Beitrag :rolleyes

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  • @ Gummi
    Menschen können auch von mir Abschied nehmen wenn ich nicht als Showevent im Sarg mitten ins Stadion gekarrt werde.


    Gestern haben sie Fans gezeigt, die wirklich bitterlich weinend da herum saßen. Sorry, für sowas hab ich kein Verständnis und bei diesen Menschen läuft aus meiner Sicht irgendwas komplett schief.
    Natürlich mag man traurig sein, auch wenn man ihn als Person nicht kannte, aber sich heulend vor eine TV Kamera zu schmeißen, entschuldige, das entbehrt jeglichen guten Geschmacks.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    @ Gummi
    Menschen können auch von mir Abschied nehmen wenn ich nicht als Showevent im Sarg mitten ins Stadion gekarrt werde.


    Gestern haben sie Fans gezeigt, die wirklich bitterlich weinend da herum saßen. Sorry, für sowas hab ich kein Verständnis und bei diesen Menschen läuft aus meiner Sicht irgendwas komplett schief.
    Natürlich mag man traurig sein, auch wenn man ihn als Person nicht kannte, aber sich heulend vor eine TV Kamera zu schmeißen, entschuldige, das entbehrt jeglichen guten Geschmacks.


    Sehe ich im Prinzip auch so.


    Aber das ist die heutige Zeit. Im täglichen Leben werden die Menschen immer rücksichtsloser und egoistischer, setzen die Ellenbogen ein und kümmern sich wenig um Nachbarn und Mitmenschen. Aber wenn irgendwo ein Unglück geschieht, oder ein Promi unglücklich aus dem Leben scheidet, werden jede Menge Kerzen angezündet, Blumen abgelegt und Tränen vergossen.

  • Es war in keinster Weise ein Showevent und das war auch gut so.
    Und ich glaube nicht, dass diese Menschen sich vor die Kamera geschmissen haben, sondern dass sie von der Kamera gefilmt wurde, die sicher auch noch weit genug weg war, dass sie es selbst kaum gemerkt haben, dass sie in diesem Moment gefilmt wurden.


    Jeder Mensch ist anders. Bei Robert Enke musste ich nicht weinen, aber wenn ein Star stirbt, den ich bewundert habe, könnte ich nicht garantieren, dass ich nicht weinen müsste.
    Und ich kann auch das Bedürfnis verstehen, zu einer Trauerfeier gehen zu wollen, gut nachvollziehen, auch wenn ich den Menschen kaum persönlich kannte. Auch mir gehen Tode manchmal nah, auch wenn ich mit dem Menschen kaum ein persönliches Wort gewechselt habe und auch ich bin dann schon zu einer Trauerfeier gegangen. Und ich sehe nicht, wieso da jetzt komplett etwas schief läuft.
    Es geht doch nicht darum, wie eng ich mit der verstorbenen Person war, oder wie dicke wir befreundet waren, sondern es geht darum, was die verstorbene Person für mich bedeutet. Und Prominente haben eine Bedeutung für uns, der eine mehr, der andere weniger.


    Einen interessante Artikel finde ich den im Focus im Moment, der ganz gut versucht die Ursache für diese Massentrauer zu ergründen. http://www.focus.de/wissen/wis…chen-enke_aid_454392.html

    :lesend
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  • Zitat

    Original von Lumos


    Sehe ich im Prinzip auch so.


    Aber das ist die heutige Zeit. Im täglichen Leben werden die Menschen immer rücksichtsloser und egoistischer, setzen die Ellenbogen ein und kümmern sich wenig um Nachbarn und Mitmenschen. Aber wenn irgendwo ein Unglück geschieht, oder ein Promi unglücklich aus dem Leben scheidet, werden jede Menge Kerzen angezündet, Blumen abgelegt und Tränen vergossen.



    Das :write ich sofort.

  • @ Janda
    Oh doch haben sie.... da herrschte ein regelrechtes Gedränge, wer da vor die Kamera heulen durfte und seinen Senf dazu abgeben. Wir haben schnell umgeschaltet, weil ich mir ganz ehrlich so eine Scheiße nicht antun muß.
    Und aus meiner Sicht läuft da etwas komplett schief, wenn ich um einen wildfremden Menschen, welcher sich SELBST für den Tod entschieden hat, so sehr trauere, daß ich kein gerades Wort mehr herausbringe, da stimmt irgendwas mit der Einstellung zum Tod nicht und von dieser Meinung wird man mich auch durch noch so viele Worte nicht abbringen können.


    Aus meiner Sicht hat Enke seinen Weg gewählt, warum man da groß trauern sollte, erschließt sich mir nicht.


    Und natürlich ist es ein Showevent wenn man einen SARG mit den vermutlich ziemlich zerfetzten Überresten eines Toten, in die Mitte eines Fußballstadions stellt, damit in 10 Jahren eine Menge Leute sagen können, ich war dabei... also bitte... wozu?

  • Zitat

    Original von janda
    Wer hier von Spektakel spricht, hat sich die Trauerfeier nicht angesehen, denke ich. Es war, wie ich finde, sehr angemessen und würdevoll.
    Und ich muß auch sagen: ich finde es gut so. Denn auch das bringt das Thema ins Bewusstsein und je mehr jetzt gesagt wird, umso schwieriger wird es, einfach wieder zu Tagesodnung über zu gehen.
    So stehen die Chancen vielleicht doch wieder etwas besser, dass etwas in Bewegung gerät.


    Hier hat sich jemand darüber negativ geäußert, dass das Thema Selbstmord und Depressionen gerade überall diskutiert wird: ich kann dazu nur sagen, ich bin froh, dass es überall diskutiert wird und ich hoffe, dass das Thema noch lange bleibt.


    :write :write :write :write :write

  • Es geht nicht darum, daß es diskutiert wird, es geht darum, WIE es diskutiert wird.
    Das hat für mich nichts mit konstruktiver Arbeit an verschiedenen Einstellungen zu tun, sondern einfach mit Effektheischerei. Da wird ein ungarischer Torwart ausgegraben, der "auch mal Depressionen" hatte, da wird die Frau in einer Pressekonferenz dazu gebracht die privatesten Details der Krankheit auszupacken... ich würde das nicht wollen.... und einem Erkrankten hilft das aus meiner Sicht ganz sicher ebenfalls nicht.

  • Frau Enke wurde nicht auf einer Pressekonferenz zum Reden gebracht und auch nicht dazu überredet, sondern sie hat diese Pressekonferenz gemeinsam mit dem Arzt aus freien Stücken besucht, sogar auf ihre eigene Initiative hin und hat von sich aus, ohne ausgefragt zu werden, gesagt, was sie sagen wollte.


    So weit ich mich erinnere, gab es gar keine Fragen, sondern Frau Enke und der Arzt haben geredet , das was sie wollten und sind gegangen.


    Auch hier: jeder geht mit Trauer und Verlust anders um. Der eine vergräbt sich, will nicht darüber reden, und der andere möchte gerne die Karten auf den Tisch legen und reden. Das ist und soll jedem selbst überlassen werden.


    Ich habe Ausschnitte von der Pressekonferenz gesehen und hatte den Eindruck, dass es der Frau wichtig war, von der Krankheit ihres Mannes zu berichten. Und das war ihr gutes Recht.



    Robert Enke hilft es nicht - aber es schadet den hunderttausenden Depressionskranken auch nicht, wenn das Thema Aufmerksamkeit bekommt. Im Gegenteil.

    :lesend
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  • Zitat

    Original von Babyjane
    @ Janda
    Oh doch haben sie.... da herrschte ein regelrechtes Gedränge, wer da vor die Kamera heulen durfte und seinen Senf dazu abgeben.


    Ich habe vermutlich eine andere Sendung gesehen. Ich habe mir die Trauerfreier angeschaut und so etwas nicht gesehen.

    Zitat

    Original von Babyjane
    Und aus meiner Sicht läuft da etwas komplett schief, wenn ich um einen wildfremden Menschen, welcher sich SELBST für den Tod entschieden hat, so sehr trauere, daß ich kein gerades Wort mehr herausbringe, da stimmt irgendwas mit der Einstellung zum Tod nicht und von dieser Meinung wird man mich auch durch noch so viele Worte nicht abbringen können.


    Was das selbst entscheiden angeht, solltest du vielleicht in Betracht ziehen, dass der Mann krank war und unter schweren Depressionen litt.
    In diesem Zusammenhang fällt es mir schwer von Entscheidungsfreiheit zu reden.


    Es ist mir bei den Todesfällen, um die ich getrauert habe, noch nie darum gegangen, wie ein Mensch zu Tode gekommen ist. Ob vermeintlich aus freiem Willen, ob durch Unfall, ob nach langem Leiden oder in hohem Alter. Wenn ein Mensch mir etwas bedeutet hat und der Tod mich schockiert, dann ist es so - und wenn ich traurig bin, dann bin ich traurig.



    Zitat

    Original von Babyjane
    Und natürlich ist es ein Showevent wenn man einen SARG mit den vermutlich ziemlich zerfetzten Überresten eines Toten, in die Mitte eines Fußballstadions stellt, damit in 10 Jahren eine Menge Leute sagen können, ich war dabei... also bitte... wozu?


    Mit dieser Begründung ist jede Beerdigung aber ein Showevent - nur eben im kleineren Rahmen.

    :lesend
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  • @ Janda
    Das kann man sehen wie man mag.
    Ich finde, daß gerade in solchen Momenten eine Schutzfunktion von Freunden und Bekannten greifen sollte, die einen eben vor solchen Handlungen, die man hinterher ganz sicher bereuen wird bewahren.
    Ich selbst habe wie gesagt, die Pressekonferenz nicht gesehen, weil ich jedes Mal weggeschaltet habe. Weil mich diese Thema bereits jetzt nach einer Woche unheimlich nervt.
    Die heutige Medienwelt schafft es tatsächlich ein solches tiefgehendes Thema innerhalb einer Woche so auszureizen, daß ich es schlichtweg nicht mehr hören kann und diese Reaktion nehme ich in meinem Bekanntenkreis durchweg wahr.


    Ob das Menschen hilft, die an Depressionen erkrankt sind, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.
    Seriöse Berichterstattung, Anleitung was man tun kann, welche Möglichkeiten und Anlaufstellen es gibt, so etwas würde helfen.
    Die derzeitige Berichterstattung, die mir ob ich will oder nicht aufgedrängt wird, hilft aus meiner Sicht nicht.
    Ich seh schon den ersten Depressiven, wie er sich überwindet und über seine Krankheit spricht und dann der Spruch kommt: "Ah Depressionen, kenn ich hab ich bei der Bild drüber gelesen, hatte der Torwart doch auch, der hat sich ja vorn Zug geworfen, hast du das auch vor? " Heureka, was ein Schritt in die richtige Richtung.... bevor ich Brechreiz bekomme gehe ich aus diesem Fred hinaus.....


    Nur zur Kenntnis, ich selbst war jahrelang in psychologischer Behandlung, habe in meinem Umfreld ausreichend von Suizid und Suizidversuchen mitbekommen, die derzeitige Form des Umgangs mit dieser Thematik in den Medien erschreckt mich.

  • Ich glaube, Robert Enke hätte sich im Grab, bzw. Sarg umgedreht - insofern von seinen Gebeinen nach dem Unfall noch etwas funktioniert hat; wenn er den ganzen Zirkus, den man um seinen Tod veranstaltet hat, mitbekommen hätte.

    [SIZE=7]. [/SIZE] Lg, Ann O'Nym [SIZE=7] ........................ ..............:spinne.............. .[/SIZE]

  • Zitat

    Original von janda
    und wenn ich traurig bin, dann bin ich traurig.


    Das will ich auch niemandem absprechen, ich habe nur eine andere Einstellung zum Tod, er gehört zum Leben dazu und wer stirbt hat im gewissen Sinne das Ziel erreicht. Trauer ist doch zum größten Teil das egoistische Gefühl, daß man selbst keine Zeit mehr mit diesem Menschen verbringen kann, daß er einem genommen wurde....


    Wir wollten einen Enkefreien TV-abend verbringen, was leider nahezu nicht möglich war, da man in jeder Werbepause beim zappen mit der Thematik bombardiert wurde. Ich glaube, der Beitrag den ich meine lief auf Spiegel TV, dafür würde ich meine Hand allerdings nicht ins Feuer legen.
    Heute morgen wurde ein weinender Fan im Radio zu Wort kommen gelassen, dieser verabschiedete sich tatsächlich weinend von HUBERT ENGEL... sorry, aber wenn ich mir nicht mal den Namen merken kann, dann ist meine Trauer doch wirklich ein wenig seltsam anmutend.



    Enke konnte mit seiner Depression nicht mehr leben, natürlich wird durch eine solche Krankheit das Urteilsvermögen getrübt und er ist nicht so frei in seiner Entscheidung. Aber wer ist das schon? Er hatte die Wahl und hat für sich selbst entschieden mit dieser Krankheit nicht leben zu können, seine Frau und sein adoptiertes Kind sind finanziell abgesichert, er hat sich verabschiedet.
    Wie gesagt, vermutlich geht es ihm besser dort wo er jetzt ist, was also ist daran traurig?
    Daß wir ihn nie mehr im Tor sehen werden? Daß seine Frau jetzt zwar um ihn trauert, aber später wieder zu einem hoffentlich depressionsfreien Leben zurück finden wird?


    Wie gesagt, meine Einstellung zum Selbstmord ist eine ganz spezielle, aber ich finde ganz ehrlich, die Entscheidung dafür oder dagegen ist eine sehr private und persönliche und die Art und Weise wie in den letzten Tagen mit dem Tod umgegangen wurde in den Medien verletzt einfach mein Gefühl von Anstand und Würde.

  • Zitat

    Original von Erna
    habe jetzt die anderen Beiträge nicht gelesen, daher meine Frage: denkt irgendjemand auch an den Zugführer??? Der ist doch die wahre arme Sau!


    Hättest du die Beiträge gelesen, wüßtest du, daß das der Fall ist...

  • @BJ: Sorry, gerade hab ich nicht die Zeit, deine Beiträge (und auch die anderen) komplett durchzulesen, daher seh mir das bitte nach, wenn ich dies später nachhole und vorher zu etwas schreibe, was ich glaube, richtig verstanden zu haben ;-)


    Du hast deine Meinung, ich hab meine. Wir werden da nicht auf nen gemeinsamen Nenner kommen, was das angeht. Das ist auch weiter nicht schlimm. Einigen Dingen könnte ich zustimmen, die meisten seh ich jedoch anders. Solange wir beide damit leben können - und ich behaupte, das können wir - ist es in Ordnung.


    Ich kenne es eben so, dass ein Toter aufgebahrt wird und man selbst an dem Sarg vorbeigehen kann. Dies heißt jetzt nicht, dass ich erwarte, dass alle Fans noch an dem Sarg vorbeigehen, das wäre allein schon zeitlich nicht zu machen. Aber ich finde es nicht weiter schlimm, dass der Sarg im Stadion stand. Da waren die Menschen, die sich verabschieden wollten. Und da war eben auch Robert Enke. Ja, in einem Zustand, in dem ihn keiner sehen wollte. Aber er war auch da. Es war die letzte Möglichkeit, ihm nahe zu sein. Auch wenn es sich deinem Verständnis entzieht - ich kann es nachvollziehen, dass der eine oder andere Fan dabei sein will. Und wie ich schon paarmal sagte - geschadet hat es sicher keinem. Und wenn es nur einem bei seiner Trauer geholfen hat, reicht es doch.


    Was die Trauer um einen Menschen angeht, den man nicht kannte - ich finde das völlig normal und nichts Gestörtes daran oder sonstwas. Sicher trauert man da anders als um einen Nahestehenden, aber man darf ja wohl traurig sein. Enkes Tod hat mich zwar etwas mitgenommen, weil ich das einfach nicht erwartet hätte, aber geweint hab ich jetzt nicht sonderlich, so sehr hab ich seine Karriere gar nicht verfolgt. Ich weiß, dass ich bei Heath Ledger geweint habe, auch wenn sicherlich nicht wie ein Schlosshund. Und ich weiß, dass ich bei einem oder anderen Promi auch ein Tränchen verdrücken würde. Wenn mich jemand deswegen schief ansehen möchte, bitte ;-)


    Ansonsten - ich glaube, janda hat so ziemlich das gesagt, was ich denke. Und meine Meinung zum Selbstmord schenk ich mir jetzt, die ist nämlich auch etwas speziell, was allerdings einfach persönlich bedingt ist.

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  • Zitat

    Original von Babyjane


    Enke konnte mit seiner Depression nicht mehr leben, natürlich wird durch eine solche Krankheit das Urteilsvermögen getrübt und er ist nicht so frei in seiner Entscheidung. Aber wer ist das schon? Er hatte die Wahl und hat für sich selbst entschieden mit dieser Krankheit nicht leben zu können, seine Frau und sein adoptiertes Kind sind finanziell abgesichert, er hat sich verabschiedet.
    .


    Sorry, aber das ist absoluter Bullshit.
    In einem akuten depressiven Stadium hast Du keine Wahl mehr. Nicht mehr annähernd die Möglichkeit einer freien Entscheidung. Du brennst in der Hölle, jede Sekunde, jeden Tag und Du kommst da nicht mehr raus. Es gibt keine Hoffnung mehr, keine Ziele, keine Aussicht auf Linderung Deiner Qualen, da ist nur noch ein fürchterliches Nichts, das Dich von innen heraus auffrisst bis Du bloß noch eine wandelnde Hülle bist. Du zeigst zwar die üblichen Vitalfunktionen, bist aber eigentlich schon tot.
    Es gibt keine Worte, die auch nur einigermaßen adäquat beschreiben könnten, was an einer Depression Erkrankte durchmachen.
    Enke hat nicht den Tod gewählt, er hat sich nicht gegen das Leben entschieden, er hat ganz einfach den Kampf gegen die Krankheit verloren.


    Ich habe den ganzen Thread inzwischen gelesen und mich wundert es nicht, weshalb Depressionen nach wie vor von vielen Betroffenen verheimlicht werden. Einige Aussagen hier illustrieren sehr "schön", wie groß die Vorurteile doch sind.
    Depressive sind keine schwachen Menschen, die den Weg des geringsten Widerstands gehen, wenn sie sich das Leben nehmen. Sie sind im Gegenteil die größten Kämpfer, die man sich nur vorstellen kann. Robert Enke hat seinen Kampf gegen die Krankheit verloren (wie 11.000 andere Menschen jedes Jahr, zumindest sagt das die Sonntags-FAZ von gestern) und das ist auch insofern tragisch, als ihm vielleicht doch geholfen hätte werden können. Er hat wohl nicht mehr daran geglaubt ...


    Mich stört auch die Trauerfeier als Großereignis nicht. Ich muss mir das nicht anschauen, wenn ich nicht will (und habe es auch nicht getan), andererseits kann es vielleicht vielen Menschen helfen, ihre Bestürzung und Trauer besser zu verarbeiten.
    Erheblich mehr stören mich da einige ignorante Meinungsäußerungen, da es um ein derart sensibles Thema geht. Einfach mal die Klappe halten, wenn man keine Ahnung hat und froh sein, dass man bei bestimmten Punkten nicht mitreden kann.


    Edit: Die letzten beiden Absätze sind allgemein gemeint und beziehen sich nicht auf BJs Zitat.

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Zitat

    Original von Babyjane
    Das will ich auch niemandem absprechen, ich habe nur eine andere Einstellung zum Tod, er gehört zum Leben dazu und wer stirbt hat im gewissen Sinne das Ziel erreicht. Trauer ist doch zum größten Teil das egoistische Gefühl, daß man selbst keine Zeit mehr mit diesem Menschen verbringen kann, daß er einem genommen wurde....


    Meine Einstellung zum Tod und zum Leben ist da vermutlich etwas anders. Für mich ist das Leben das Ziel und nicht der Tod. Und darum stimmt es mich traurig, wenn ein Lebensweg zu ende ist und der Mensch diesen Weg nicht mehr gehen kann.
    Sicher hat Trauer auch eine "egoistische" Komponente, auch wenn mir dieses Adjektiv so nicht in den Sinn kommen würde, weil es schon auch etwas mit Empathie zu tun hat.
    Ja, ich trauere auch, weil ich diesem Mensch nicht mehr begegne, weil ich keine Zeit mehr mit diesem Menschen verbringen kann und - bei nahestehenden - dieser Mensch nicht mehr ein enger Teil meines Lebens ist.


    Aber wenn du Trauer in diesem Mass als egoistisch bezeichnest, nenne mir ein Gefühl, was nicht egoistisch ist.





    Edit: und was das Thema "Freie Entscheidung" und Depressionen angeht: besser als Seestern hätte ich es nicht ausdrücken können. Danke für diesen Beitrag.

    :lesend
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  • Zitat

    Original von Babyjane
    Trauer ist doch zum größten Teil das egoistische Gefühl, daß man selbst keine Zeit mehr mit diesem Menschen verbringen kann, daß er einem genommen wurde....


    Das ist vollkommen richtig. Aber das find ich auch in Ordnung. Im Endeffekt besteht doch unser ganzes Dasein und unser Miteinander aus egoistischen Handlungen, die aber auch anderen helfen. Wenn du etwas verbockt hast und du dich entschuldigst, dann tust es doch nicht nur, damit sich dein Gegenüber besser fühlt. Du tust es für dich, weil du dich schlecht fühlst, diesem Menschen wehgetan zu haben. Du willst, dass er wieder mit dir spricht. Du hilfst Menschen, weil du dich besser fühlst, wenn du geholfen hast. Aber den Menschen kann es egal sein, warum du wirklich hilfst, solange du hilfst. Warum sagen viele, dass es schöner ist zu schenken als beschenkt zu werden? Nicht, weil sie gern Geld ausgeben oder gern basteln (was sicher bei vielen so ist :grin), sondern weil sie sich besser fühlen, wenn sie etwas schenken. Weil es ihnen selbst Freude bereitet.
    Was ich sagen will - du hast recht, Trauer basiert zum Großteil auf Egoismus. Ich sehe nur nicht, was daran schlimm sein soll.


    Zitat

    Wie gesagt, vermutlich geht es ihm besser dort wo er jetzt ist, was also ist daran traurig?
    Daß wir ihn nie mehr im Tor sehen werden? Daß seine Frau jetzt zwar um ihn trauert, aber später wieder zu einem hoffentlich depressionsfreien Leben zurück finden wird?


    Vermutlich geht es ihm besser...ist es nicht auch nur so ne Formulierung, damit sein Tod überhaupt einen Sinn hat? Niemand von uns weiß wirklich, wo er jetzt und wie es ihm geht. Vielleicht geht es ihm gar nicht besser. Das nur mal am Rande.
    Und ja, es ist traurig (für uns), dass wir ihn nicht mehr sehen werden. Es ist traurig für seine Frau. Das ist der egoistische Teil, ja. Aber es ist auch für ihn selbst traurig, denk ich. Aber das kann ich nur denken, denn er wüsste es selbst. Es ist einfach traurig, dass ein Mensch so verzweifelt sein kann, dass er sein Leben "wegwirft". Wenn du das aufgrund deiner speziellen Einstellung zum Selbstmord anders siehst, ist es okay. Genauso solltest du es okay finden, wenn andere es anders sehen und nicht dauernd nur dein Unverständnis in die Welt schreien. Ist nun mal nicht jeder so wie du, Menschen sind verschieden, das ist auch gut so.


    Naja...wie du siehst, hab ich jetzt doch alles gelesen :lache
    Das Einzige, was aus dem Ganze folgt, ist einfach - wir werden uns wohl nicht einig. Was solls. Wäre doch langweilig, wenn alle der gleichen Meinung wären.

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  • Wie Gummi sagt, ihr habt eure Meinung und ich meine.
    Lassen wir das...


    Mir allerdings nach meinen Worten, daß ich selbst jahrelang in Behandlung war, von Seestern erklären lassen zu müssen, was Depression ist und was nicht, finde ich doch reichlich anmaßend.... aber gut. So scheint der Trend zu sein.... richtig ist, was man selbst für richtig hält, andere Meinungen sind böse und intolerant.... wenn man das so sehen möchte bitte....es ist aber genau das was ich meinte, als ich leicht überzeichnet dies hier schrieb:


    Zitat

    Ich seh schon den ersten Depressiven, wie er sich überwindet und über seine Krankheit spricht und dann der Spruch kommt: "Ah Depressionen, kenn ich hab ich bei der Bild drüber gelesen, hatte der Torwart doch auch, der hat sich ja vorn Zug geworfen, hast du das auch vor? " Heureka, was ein Schritt in die richtige Richtung.... bevor ich Brechreiz bekomme gehe ich aus diesem Fred hinaus.....


    Ihr predigt Toleranz und Offenheit und sagt mir im gleichen Tonfall, daß mein Umgang mit MEINER Krankheit der Falsche ist... interessant... sehr interessant... hinterfragt ihr euch eigentlich hin und wieder mal?


    Edit:
    Depressionen sind vielschichtig, jeder Mensch, jeder Erkrankte hat eine auf sich selbst ganz persönlich in sich liegende Form dieser Erkrankung. Nicht zu vergessen, daß Depressionen nicht nur selbst Krankheit, sondern eben auch Sympthome anderer psychischen Erkrankungen sein können.
    Eben darum geht mir die derzeit in den Medien und ganz offensichtlich auch hier vorhandene Hobbypsychologie unwahrscheinlich auf den Sender. Nicht jeder Depressive denkt an Selbstmord, nicht jeder Depressive leidet unter Erfolgsdruck, nicht jeder Depressive leidet an einem Trauma.
    Aber jeder Depressive muß die Möglichkeit erkennen, sich aus seiner Krankheit zu befreien, denn diese Befreiung ist eine sehr persönlich und kann nur ihm selbst gelingen, wenn ihm diese Möglichkeit der Befreiung und Entscheidung bereits im Vorfeld abgesprochen wird, glaubt ihr ernsthaft, daß dadurch die Heilungs und Rettungschance gesteigert wird.
    Wenn man sich vor seinem Selbstmord auch noch hinter dem Schutzschild verstecken kann, daß man nciht selbst verantwortlich für die Flucht ist, sondern von der Krankheit getrieben... glaubt ihr ernsthaft, daß würde auch nur einem Depressiven helfen, den Schritt nicht zu tun?
    Ich behaupte das Gegenteil....