Robert Enke ist tot

  • An die Hinterbliebenden denken Selbstmörder eben nicht, das finde ich auch sehr schlimm.


    Ein sehr typischer Vorwurf von Leuten, die keine Ahnung haben wie ein Depressiver mit verzerrter Wahrnehmung der Wirklichkeit denkt. In ihrer eigenen "Logik" denkt so mancher Selbstmoerder naemlich wirklich an die Hinterbliebenen. Sie sehen sich selber als Versager, die nur eine Buerde fuer die Familie sind. Ohne sie waere der Rest der Familie viel besser dran. Der eigene Selbstmord also zum Wohle der Hinterbliebenen.


    Gab es frueher mehr oder weniger Depressionen? Sind die Menschen heute labiler?


    Frueher gab es nicht das Vokabular. Die Maenner, die nach dem 2. Weltkrieg nach Hause kamen, waren sicherlich nicht weniger von "Posttraumatischen Stress" betroffen als die Maenner, die heute von Afghanistan zurueck kommen. Nur gab es kein Wort dafuer, keine Moeglichkeit der Behandlung.


    War jemand frueher depressiv, hatte Schlafstoerungen, so wurde man vielleicht als "schwermuetig" oder "melancholisch" bezeichnet, aber das Wort "Depressionen" gab es nicht dafuer. Es gab auch keine Antidepressiva dafuer, aber vielleicht hat er/sie dann mehr Alkohol getrunken, um besser einschlafen zu koennen.


    Und noch ein ganz anderer Punkt: die Frage wie Depressionen in der Oeffentlichkeit behandelt werden, ob sie Tabu sind oder nicht, ist auch eine kulturelle Frage. In D ist es sehr viel mehr TABU als es in Nordamerika ist. Nicht dass hier jeder mit solch einer Krankheitsgeschichte hausieren ginge, aber ganz so tabu ist es nicht.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Noch einmal zurück zum konkreten Fall "Robert Enke":


    Ich habe oben wortreich begründet, warum ich die Aufmerksamkeit, die dieser Todesfall in der Öffentlichkeit gefunden hat, durchaus verstehen kann (>> Bedeutung des Fußballs in unserer Gesellschaft auf der einen und die sympathische Ausstrahlung des Sportlers und Menschen Robert Enke auf der anderen Seite ... ). Auch die spontane Gedenkfeier am Mittwoch abend hat mich beeindruckt.


    Was inzwischen aus der Sache geworden ist, lässt mich allerdings den Kopf schütteln. Trauerfeier im Stadion - Ok. Aber muss da wirklich der Sarg im Mittelkreis aufgebahrt werden? Müssen da Ministerpräsident und Oberbürgermeister reden? Werden da nicht Dimensionen geschaffen, die absolut übertrieben sind?


    Man schreibt erklärend, die Witwe habe diese Möglichkeit der Verabschiedung möglichst vieler Fans gewollt.


    Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Teresa Enke zur Zeit generalstabsmäßig eine Verabschiedungstour plant ... Zu viele wollen sich da präsentieren und im Zusammenhang mit der Sympathie für Enke ihre eigene steigern ...


    Dass jetzt tatsächlich darüber nachgedacht wird, einen Platz in Hannover nach Robert Enke zu benennen, dass die Nationalelf ein Abschiedsspiel für ihn erwägt, sind in meinen Augen (zumindest was die Sache mit dem Platz in Hannover angeht) populistische Aktionen.


    Man tut mit diesem Hype dem menschen Robert Enke und seiner Familie letztendlich keinen Gefallen.


    Fünf Fernsehsender werden nachher übertragen, wie Robert Enke noch keine Ruhe finden kann ...


    (und die BILD hat sicher schon ihre Kameras für die Beerdigung zwischen Grabsteinen und Bäumen in Stellung gebracht ...)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Meine Gedanken gehen in eine ähnlich Richtung wie die Deinen, Churchill...


    Mich dünkts auch, dass solche Abschieds- oder Trauerfeiern immer mehr zu einer Art "Event" aufgebaut werden, von wem auch immer....und wahrscheinlich liege ich nicht so sehr daneben, dass beim Organisieren solcherart "Grossänlässe" halt eben Leute stehen, die damit einen Haufen Geld verdienen.


    Geld zu verdienen ist ja nicht a priori etwas Ungutes, und es dient sicher auch in solchen Fällen der Erhaltung von Arbeitsplätzen....trotzdem kommt bei mir ein etwas schales Gefühl auf, wenn der Tod eines Menschen derart gigantisch kommerzialisiert wird.


    Ich hoffe einfach, dass zu dieser Trauerfeier vor allem solche Menschen hingehen, die wirklich Abschied nehmen möchten von Robert Enke....und nicht einfach nur aus dem einzigen Grunde, an einer Art "Volksfest" teilzunehmen, um mal wieder bisschen "Action" zu haben.

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
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  • Ich kann mich da den Gedanken von Churchill und seiner Meinung über diesen Besetzungshype nahtlos anschließen.
    Natürlich ist es wichtig für die Fans das sie ihn verabschieden können, aber muss man ihn wirklich in einem Stadion aufbahren.
    Ich kann mir nicht vorstellen das dies Robert Enke s größter Wunsch war. Das seine Frau und seine Familie so in der öffentlichkeit ausgezehrt werden. Und ihre Trauer und ihr leid so sehr portraitiert werden. Natürlich möchte man wachrütteln, aber wurde dies in den letzten Tagen nicht genügend getan?!
    Zu Loeckchen, ich weiß was du meinst und verstehe deine Haltung hier zu. Ich habe selbst vor 11 Jahren meinen Partner durch einen Suizid verloren. Es hat sehr lange gebraucht bis ich den Tod verarbeitet habe. Ich selbst habe keine Medikamente genommen.

  • Ich werd mir vielleicht Feinde machen, aber was solls...


    Ich find das schon in Ordnung, wie die Trauerfeier läuft. Teresa Enke ist wahrscheinlich gefühlsmäßig so weggetreten, dass ihr das alles egal sein wird. Und ich finde es schön, dass die Fans die Möglichkeit haben, Abschied zu nehmen, egal, wie gut oder schlecht sie Robert Enke wirklich kannten, unabhängig davon, ob sie um den Menschen oder um den Fußballer trauen.
    Ist die Trauerfeier in solchem Maße nötig? Vielleicht nicht. Aber schadet sie wirklich jemandem? Glaub ich kaum. Das einzige, was mich wirklich traurig macht, ist, dass Robert Enke nicht sehen kann, wieviele Menschen an ihn denken und um ihn trauen. Dass er diese Unterstützung nicht erfahren hat, als er am Leben war. Dass er sich dieser Unterstützung anscheinend nicht sicher war. :-(


    Es bleibt nur zu hoffen, dass sein Tod wenigstens zum Umdenken bewegt.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Zitat

    Original von Booklooker
    Die wollen jetzt tatsächlich einen Platz nach ihm benennen? Das find ich nun wirklich übertrieben.


    Naja, die meisten Wege um alle Stadien herum sind nach ehemaligen Spielern des Clubs benannt.. sogenannte "Legenden".. Für Leute die viel für den Verein getan haben..

  • Zitat

    Original von Gummibärchen Das einzige, was mich wirklich traurig macht, ist, dass Robert Enke nicht sehen kann, wieviele Menschen an ihn denken und um ihn trauen. Dass er diese Unterstützung nicht erfahren hat, als er am Leben war. Dass er sich dieser Unterstützung anscheinend nicht sicher war. :-(


    Es bleibt nur zu hoffen, dass sein Tod wenigstens zum Umdenken bewegt.


    Gerade dies finde ich sehr traurig. Das es erst zu einem Umdenken kommt und das man Unterstützung erhält, wenn es eigentlich schon viel zu spät ist.
    Ich denke kaum das es ein Umdenken mit dem Tabuthema Depressionen gibt. Ob dies nun im Profisportbereich, noch in anderen Bereichen ist. Es haben sich früher nur sehr wenige öffentliche Personen ihrer Krankheit gestellt und wenn dann war dies Jahre später.
    Vielleicht kann aber diese Unterstützung die Robert nun entgegen gebracht wird etwas seiner Familie bei dem Verarbeiten der Trauer helfen.

  • Nachdem ich mir die Trauerfeier angesehen habe, muss ich zugestehen, dass es im Rahmen des Möglichen eine würdevolle Sache war.


    Fasziniert war ich von der Rede des DFB - Präsidenten Theo Zwanziger. Es tut gut, wenn an der Spitze eines so großen Sportverbands kein Selbstdarsteller, sondern ein Mensch steht ...

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  • Wer hier von Spektakel spricht, hat sich die Trauerfeier nicht angesehen, denke ich. Es war, wie ich finde, sehr angemessen und würdevoll.
    Und ich muß auch sagen: ich finde es gut so. Denn auch das bringt das Thema ins Bewusstsein und je mehr jetzt gesagt wird, umso schwieriger wird es, einfach wieder zu Tagesodnung über zu gehen.
    So stehen die Chancen vielleicht doch wieder etwas besser, dass etwas in Bewegung gerät.


    Hier hat sich jemand darüber negativ geäußert, dass das Thema Selbstmord und Depressionen gerade überall diskutiert wird: ich kann dazu nur sagen, ich bin froh, dass es überall diskutiert wird und ich hoffe, dass das Thema noch lange bleibt.

    :lesend
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  • Ich habe mir die Trauerfeier nur in Abschnitten angeschaut. Ich hätte nur geheult.



    Ich fand den Rahmen der Trauerfeier sehr angemessen. Ich finde Fußballspieler müssen sich auch äußern dürfen, auch in der Öffentlichkeit und wenn sie es machen nicht von Vereinsbossen mit Geldstrafen belegt werden.

  • Zitat

    Original von churchill
    Nachdem ich mir die Trauerfeier angesehen habe, muss ich zugestehen, dass es im Rahmen des Möglichen eine würdevolle Sache war.


    Fasziniert war ich von der Rede des DFB - Präsidenten Theo Zwanziger. Es tut gut, wenn an der Spitze eines so großen Sportverbands kein Selbstdarsteller, sondern ein Mensch steht ...


    Das kann ich genau so :write

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Ich werd mir vielleicht Feinde machen, aber was solls...


    Ich find das schon in Ordnung, wie die Trauerfeier läuft. Teresa Enke ist wahrscheinlich gefühlsmäßig so weggetreten, dass ihr das alles egal sein wird. Und ich finde es schön, dass die Fans die Möglichkeit haben, Abschied zu nehmen, egal, wie gut oder schlecht sie Robert Enke wirklich kannten, unabhängig davon, ob sie um den Menschen oder um den Fußballer trauen.
    Ist die Trauerfeier in solchem Maße nötig? Vielleicht nicht. Aber schadet sie wirklich jemandem? Glaub ich kaum. Das einzige, was mich wirklich traurig macht, ist, dass Robert Enke nicht sehen kann, wieviele Menschen an ihn denken und um ihn trauen. Dass er diese Unterstützung nicht erfahren hat, als er am Leben war. Dass er sich dieser Unterstützung anscheinend nicht sicher war. :-(


    Es bleibt nur zu hoffen, dass sein Tod wenigstens zum Umdenken bewegt.


    :write

  • Zitat

    Original von **Line**


    Ja, das habe ich auch mitbekommen und bin da etwas zwiegespalten, ob Herr Enke selbst das auch so gewollt hätte...


    ich weiss auch nicht, was man damit bezwecken will... ist es das schlechte gewissen des fussballverbandes etc., weil sie jahrelang einen psychisch kranken menschen unter sich hatten und es nicht bemerkt haben?
    ich denke mal, nun ist es zu spät so hinter herrn enke zu stehen...

  • Zitat

    Original von Minerva1978
    ich weiss auch nicht, was man damit bezwecken will... ist es das schlechte gewissen des fussballverbandes etc., weil sie jahrelang einen psychisch kranken menschen unter sich hatten und es nicht bemerkt haben?
    ich denke mal, nun ist es zu spät so hinter herrn enke zu stehen...


    Aber nicht zu spät, für all die, die bleiben.
    Der Fußballverband muß genauso ein "schlechtes Gewissen" haben, wie der Rest der Gesellschaft. Denn es ist doch im Berufsleben nirgendwo anders.

    :lesend
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  • Zitat

    Original von janda
    Der Fußballverband muß genauso ein "schlechtes Gewissen" haben, wie der Rest der Gesellschaft. Denn es ist doch im Berufsleben nirgendwo anders.


    Allerdings :-(
    In diesem Zusammenhang fand ich die Worte von Christian Wulff irgendwie treffend. (Wobei ich ja nur ihn und Zwanziger zu hören bekam, glaub ich)

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  • Zitat

    Original von Foer
    Enkes Tod war aber doch ein Tod durch Suizid wegen Depressionen, oder?????
    Warum sollten wir denn woanders weiter diskutieren?



    Und Edith findet den Ton etwas komisch. Kann man auch anders sagen. Der Befehlston kommt zumindest bei mir nicht gut an....


    Pingel! Aber gut...


    Meiner bescheidenen Meinung nach - und wie bereits von jemand anders geschrieben (finde die Stelle nicht mehr) - war dies einmal ein Informations- und kein Diskussionsthread. Daher hielte es mein minderbemittelter Verstand für passender, höchstverehrte Mitschreiber, einen gesonderten Diskussionsthread zu erstellen und die Beiträge zu differenzieren. Meine allerdemütigste und -höflichste Bitte ist demnach auch meinen neuerstellten Thread zu nutzen. Ich hoffe inständigstens, niemandem auf die Füße getreten zu sein, wenn doch lag das nicht in meiner Absicht. Bitte nimm meine untergebenste Entschuldigung an.



    Ps: Ab sofort werde ich mich hier auf Buchrezensionen beschränken, da mir hier zu viele irgendwelche Tonfehler suchen...

    Ein Deutscher ist großer Dinge fähig, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sie tut. (Friedrich Nietzsche)