Gaslicht/Gaslight - Patrick Hamilton

  • Gaslight
    Patrick Hamilton
    (wiki), 1938


    Es existiert eine über amazon frei erhältliche englische Ausgabe:
    Samuel French Ltd., ISBN: 978-0573115790


    Es existiert eine deutsche Theater-Ausgabe (nicht frei bestellbar) unter dem Titel "Gaslicht" in einer Übersetzung von Günter Blöcker bei Kiepenheuer Bühnenvertrieb (Uraufführung 1946)


    Momentan ist meine Lektüre ein wenig theater- und gedichtlastig, und zu diesem Stück brachte mich meine Mutter, die es einst mit einer Amateurtheatergruppe aufführte.


    Es ist die Atmosphäre des zweifach verfilmten Stückes (1940, 1944), die schnell in ihren Bann zieht: Wir befunden uns in England, Ende des 19. Jahrhunderts in einem kleinen viktorianisch eingerichteten Häuschen irgendwo in einem etwas heruntergekommenen Viertel Londons. Schon allein von der Einrichtung und der Gasbeleuchtung wird ein etwas unheimlicher Eindruck erzeugt, der durch die Ereignisse nur noch verstärkt wird.


    Bewohnt wird dieses Haus vom sowohl anziehend als auch kalt wirkenden Jack Manningham, seiner zehn Jahre jüngeren Gattin Bella sowie deren Dienerschaft. Haushälterin Elisabeth ist die gute, mitfühlende Seele des Hauses, während das junge Hausmädchen Nancy ungeniert mit dem Hausherrn flirtet und auf der verschreckten Bella herumtrampelt.


    Doch Nancy ist nicht die Ursache für Bellas schlechte Verfassung, für Bellas nahezu durchsichtigen Teint und die Ringe unter den Augen. Etwas anderes geht vor im Hause Manningham. Das Gaslicht flackert, im oberen Stockwerk wird von Geisterhand umhergelaufen und immer wieder verschwinden Gegenstände und finden sich später in Bellas Habseligkeiten wieder an.


    Regelmäßig wird sie von ihrem Mann wegen dieser seltsamen Vorkommnisse zur Rede gestellt, höhnisch und kalt wirkt er in diesen Momenten, macht sie vor den Dienstboten lächerlich und bestärkt sie in ihrem Glauben, den Verstand zu verlieren. Von einer Einweisung ins Irrenhaus ist schon die Rede, von pathologischem Verhalten... Und doch beteuert Bella, nichts mit diesen Geschehnissen zu tun zu haben.


    Aufklärung in den Fall bringt William Rough, ein Sergeant a.D., der ein vergangenes Verbrechen noch weiterhin im Auge behält, Bella die grausame Geschichte des Hauses enthüllt sowie ihren Mann beschuldigt und für die schleichende Unruhe verantwortlich macht, die sie in den Wahnsinn treibt.


    Doch was liegt dahinter, ungesühnte Verbrechen, Gier nach dem Vermögen Bellas oder doch etwas anderes - die Lösung wird relativ schnell klar, und auch die Ermittlung mit dem Deus ex machina, der diesmal jedoch dem begehbaren Kleiderschrank entspringt, ist nicht sonderlich einfallsreich.


    Interessanter ist es die Charaktere zu beobachten, wie sie sich gegenseitig demütigen oder unterstützen. Der gefühlskalte Jack, der sich gegen Bella richtet, sie demütigt, ist eine schöne rolle für den charmanten Bösewicht, und Bella, die sich vom blassen Nervenbündel immer weiter entwickelt, ist eine Frauenrolle, die eine Herausforderung darstellt.
    Es ist faszinierend zu verfolgen, mit welchen Mitteln eine Frau mit völlig klarer Auffassungsgabe in Selbstzweifel gestürzt wird - Isolation, scheinbares Eingehen auf ihre Wünsche und kurz davor die umso größere Enttäuschung, Demütigungen - ein wenig länger hätte es da durchaus bis zur übermäßig schnellen und doch recht zufallsbedingten Aufklärung dauern können - aber gespielt wirkt es immer noch anders als im Manuskript, da kann man etwas retten - viel kann aber auch vermasselt werden, da das Stück vor allem von den Personen abhängt.


    Auch wenn es auf der englischen Ausgabe als "Victorian Thriller" angepriesen wird, gelingt es nämlich trotzdem nicht, eine Thriller-Atmosphäre aufzubauen. Viel mehr geht es, wenn überhaupt, in die Richtung des leichten Kamingruselns, die Faszination liegt im Schicksal Bellas, ihren scheinbaren Anfällen und dem etwas bösartigen Humor.


    Zudem ist das Stück an vielen Stellen leider ein wenig ausufernd, der Brief von Bellas Verwandten, der ständige Vergleich mit ihrer Jugend - viel hätte gekürzt werden können um dem Stück eine stärkere Prägnanz zu geben -, manchmal verschwimmt die Atmosphäre ein wenig. Und das ist schade, weil der Stoff genug geboten hätte ohne ihn so zu verlängern.


    Trotz allem ist es allerdings ein Vergnügen in die schummerige Atmosphäre des Stückes und die Ermittlungen um Bellas Gemütszustand einzudringen, und Gaslight/Gaslicht zu lesen oder zu sehen. Wenn man also über eine Aufführung des Stückes stolpert, rate ich dazu, es auszuprobieren!


    Ab dem 21. November ist es z.B. in Wetzlar zu sehen - leider nicht ganz in meiner Nähe.


    7/10 Pkt.


    Liebe Grüße,
    bartimaeus