20 Jahre Grenzöffnung berührt Euch das noch!?!?

  • Zitat

    Original von Voltaire



    Man erinnert sich mit großem Bimborium an den 9.11.1989. Wurde eigentlich auch irgendwo erwähnt, dass gerade das Datum "9.11." in Deutschland ein ganz besonderes Datum ist? 1918 wurde da der Kaiser "abgedankt" und am 1938 brannten die Synagogen und die jüdischen Geschäfte. Aber gefeiert wird am 9.11. doch eigentlich immer nur "Schabowskis Zettelwirtschaft".


    Es gab auch die letzten Jahren viele Gedenkveranstaltungen an die Progrome, das fand ich auch richtig und hoffe, dass auch in den nächsten Jahren weiter gedacht wird. Diese wurden gestern auch in den Reden erwähnt!

  • Hallo, Voltaire.


    Der Progromnacht wurde vielerorts gedacht, und übrigens waren am Brandenburger Tor auch DDR-Bürgerrechtler und andere Zeitzeugen dabei, nicht nur Staatsmänner und -frauen aus aller Herren Länder.


    Niemand hat behauptet, dass heute alle in Bananenröckchen herumrennen und nur noch das Leben feiern. Russland ist fraglos von echter Demokratie weit entfernt, aber immerhin etwas näher dran als noch vor zwanzig Jahren. Die ehemaligen Seilschaften sind nicht nur teilweise noch existent, sie haben sogar ihre Fühler weit nach Westen ausgestreckt. Alles nicht sehr schön und zweifelsfrei beklagenswert. Aber unterm Strich ist die Welt in dieser Hinsicht definitiv besser geworden.


    Wer nicht feiern will, muss nicht (das war in der DDR auch anders). Ich habe gestern auch nicht gefeiert. Ich habe mich erinnert und eine persönliche Bilanz gezogen, nicht frei von Egoismus. Meine Frau würde ich nicht kennen, hätte es den 9. November 1989 nicht gegeben. Und das ist nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs. Wie gesagt, ganz persönlich.

  • ja, eigentlich haben wir doch gefeiert. Gestern waren unsere besten Freunde da, die wir auch nicht kennen würden, wenn die Mauer nicht gefallen wäre. Als uns das bewusst wurde, haben wir die letzte Flasche Lemberger-Weißherbst Sekt aus dem Keller geholt und uns gefreut. :-]

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Wenn jemand im Alter von BJ behauptet von der Maueröffnung nichts mitbekommen zu haben, so mag das für die Emotionen, die wir Älteren damals hatten gelten- für die Auswirkungen gilt es definitiv nicht.


    Das habe ich nicht gesagt.
    Ich habe gesagt, daß ich es nicht anders kenne, als so, wie es ist. eben weil ich mit 9 Jahren mich mit den damaligen wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Gegebenheiten nicht befaßt habe.


    Kann man hier nicht einmal sagen, daß einen etwas NICHT bewegt, ohne gleich Ignoranz unterstellt zu bekommen?


    Und Tom, ich hatte gewiß kein Fähnchen am Auto und habe bei der WM einen auf Volksfest gemacht...


    @ Draper
    Dagegen spricht ja auch nichts...
    Warum nicht?
    Was ich nervig finde ist dieses: "DU MUSST JETZT ABER ZU TRÄNEN GERÜHRT SEIN!"
    Mein erster Gedanke, als wir gestern zufällig auf den Festakt geschaltet haben, war daß das ja das perfekte Anschlagsziel wäre.... lauter Staatschefs und Repräsentanten, ne Menge Symbolwert.... ich weiß, ich bin böse...
    aber für die Kohle, die der Kram gekostet hat, hätte man sicherlich ein paar Schulen sanieren können... :grin

  • @BJ:


    Zitat

    aber für die Kohle, die der Kram gekostet hat, hätte man sicherlich ein paar Schulen sanieren können...


    Mit der Kohle, die Du für Dinge ausgibst, die Du nicht wirklich zum Leben brauchst, könnte man wahrscheinlich Dutzende Familien in armen Ländern durchfüttern.


    Will sagen: Was ist das für ein Argument? :wow

  • Tom, das ist richtig.
    Trotzdem bin ich der Meinung und diese darf ich wohl auch kundtun, der Festakt sei nicht nötig gewesen und man hätte die Kosten für Styropormauerblöcke und den mit Sicherheit notwendigen Polizeieinsatz, die Aufräumaktion, die Beleuchtungselemente, etc.... durchaus einsparen und etwas Sinnvolles damit machen können.


    Eigentlich fällt mir auch grad auf, daß sich hier ausnehmend die Menschen positiv äußern, die tatsächlich aus den neuen Bundesländern stammen oder aber direkt im Grenzgebiet wohnen/wohnten... alle anderen wirken eher nicht berührt....

  • Naja, ist vielleicht verständlich. Ich denke für die Leute aus den ehemaligen DDR-Gebieten hat das ganze auch eine recht extreme Tragweite, ich glaube da ist es schwer, dem ganzen die kalte Schulter zu zeigen, wenn man wirklich mal über die Konzequenzen nachdenkt, die es für einen selbst gehabt hätte, wenn die Mauer stehen geblieben wäre. In vielen Fällen wäre das Leben komplett anders (im Sinne von eher schlechter vielleicht.. bei mir jedenfalls) verlaufen. Wenn das kein Grund ist, mal kurz inne zu halten und sich zu beglückwünschen...

  • @BJ: Man kann immer "etwas Sinnvolleres" machen. Die Frage bleibt: Was ist das für ein Argument? Im Idealfall macht man übrigens einfach beides - das (nach BJs Gusto) weniger sinnvolle und das andere.


    Die (vermeintliche) Tatsache, dass solche Leute, die weiter entfernt leben, die Geschehnisse anders oder weniger emotional oder sogar negativ wahrnehmen, liegt einfach daran, dass vielen Leuten ihr persönliches Wohlbefinden wichtiger ist als irgendein "Wert" oder ethisches Gut. Das ist schade, aber vermutlich nicht zu ändern. Solange "Frauentausch" nicht abgesetzt wird, sind ihnen Freiheit und Demokratie egal.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Da fällt mir ein: mein Kind kam gestern ganz stolz aus der Schule (2. Klasse):


    Kind: ich weiß, heute vor 20 Jahren ist die Mauer gefallen
    Mutter: welche Mauer?
    Kind: na die zwischen der DDR und der SPD!


    *kreisch* :rofl


    Sowas können nur Kinder. :lache

  • nun ja, in München war ich damals doch ziemlich weit weg vom Geschehen und ich hatte auch keine Verwandtschaft (mehr) in der DDR. Also eigentlich keinen direkten Bezug. Und trotzdem hat es mich bewegt und es bewegt mich noch heute. Immerhin ist es mal ein Teil positive Geschichte, die in Deutschland passiert ist.
    Sicherlich schreiben wir jeden Tag ein klein wenig an der Geschichte mit, aber Zeuge eines so gewaltigen Umbruchs zu sein fand / finde ich schon toll.
    In ein paar Jahrzehnten kann es sich keiner mehr vorstellen, wie es war in einem geteilten Deutschland zu leben, so wie wir es uns nicht wirklich vorstellen können in einer Monarchie zu leben und als Frauen keine Selbstbestimmungsrechte zu haben. So etwas miterlebt zu haben finde ich schon besonders.


    Ob die Feierei nötig war? Ich weiss es nicht, aber ich denke einige die dort waren haben sich noch einmal daran erinnern können wie es damals war. Ich denke da waren auch viele, die damals schon dabei waren. (Nicht nur Politker, die sich selbst beweihräuchern wollten. Wobei mich würde schon interessieren würde, was Genscher und Gorbatschow gestern durch die Köpfe gegangen ist....)

  • Zitat

    Original von Tom


    Die (vermeintliche) Tatsache, dass solche Leute, die weiter entfernt leben, die Geschehnisse anders oder weniger emotional oder sogar negativ wahrnehmen, liegt einfach daran, dass vielen Leuten ihr persönliches Wohlbefinden wichtiger ist als irgendein "Wert" oder ethisches Gut. Das ist schade, aber vermutlich nicht zu ändern. Solange "Frauentausch" nicht abgesetzt wird, sind ihnen Freiheit und Demokratie egal.



    Das verstehe ich jetzt nicht so ganz. Nur weil man etwas weiter entfernt lebt - wovon eigentlich weiter entfernt? - ist das eigene Wohlbefinden wichtiger als irgendein Wert oder ein ethisches Gut? Im Umkehrschluss würde das ja bedeuten, dass die Menschen die mittendrin leben, die Werte und ethischen Güter für sich gepachtet haben.


    Auch wenn ich nicht mit in diese Jubelarien miteingestimmt habe, sind mir doch Freiheit und Demokratie doch nicht egal. Aber man muss doch nicht mit den Wölfen heulen, zum Mitklatsch-August werden, nur weil einige meinen sie wären im Besitz der Werte und ethischen Güter - wahrscheinlich sogar noch selbstdefiniert. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Voltaire.


    Nein, ich habe das ganz allgemein gesagt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass möglicherweise viele von denen, die das positiv/emotional sehen, das nur tun, weil sie ganz persönlichen Nutzen haben oder hatten. Ob das oder die Gegenbehauptung stimmen, müsste man im Einzelfall prüfen, aber für wahrscheinlich halte ich das durchaus.


    Niemand ist verpflichtet, den Mitklatsch-August zu geben. Und natürlich ist es zulässig, ob der vermeintlich vielen Mitklatsch-Auguste befremdet zu sein. Allerdings mag es auch den einen oder anderen M-A gegeben haben, der die Festivitäten als angemessene Würdigung eines bedeutenden geschichtlichen Ereignisses empfunden hat. Man kann es sowieso nie allen recht machen. Aber Voltaire darf seine ganz persönliche Mauerfallparty so gestalten, wie er will. ;-)

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Eigentlich fällt mir auch grad auf, daß sich hier ausnehmend die Menschen positiv äußern, die tatsächlich aus den neuen Bundesländern stammen oder aber direkt im Grenzgebiet wohnen/wohnten... alle anderen wirken eher nicht berührt....


    Nur weil man sich nich äußert heißt es nicht, daß man nicht in der einen oder anderen Weise "berührt" ist.


    Wir wohnten seinerzeit noch im Rhein/Main-Gebiet. Die Schwiegereltern zogen einige Wochen vor der Grenzöffnung nach Bad Hersfeld (= erste "richtige" Stadt auf westlicher Seite), wir im Sommer 1992 hierher. Wir haben also aus westlicher Sicht gesehen die direkten negativen Folgen der Einheit mitbekommen. Da bekommt der Glanz schon einige schwarze Flecken.


    Ich habe übrigens Verwandte "drüben"; damals hat der Bruder meines Vaters noch gelebt, der auf Grund des Mauerfalls zu unserer Hochzeit 1990 kommen konnte. (Inzwischen gibt es jedoch keine Kontakte mehr.)


    Was mir persönlich allerdings inzwischen die ehemals reine Freude über die Einheit, die politisch sicher richtig war, weitgehend getrübt hat ist, daß die SED inzwischen im Deutschen Bundestag sitzt, in Landesregierungen verteten ist und im Westen Fuß faßt. Etwas, was seltsamerweise noch nirgendwo erwähnt wurde.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ Tom
    Sorry, aber dein Niveau in diesem Fred ist irgendwie ein seltsames....
    Nur weil ich sage, mir berührt der Mauerfall nicht, habe ich keine ethischen Wertvorstellungen und bin glücklich so lange ich Frauentasch gucke? Also bitte.... :help


    Im übrigen habe ich nirgendwo eine Wertung vorgenommen, nur weil mich der Mauerfall nicht BERÜHRT, heißt das doch noch lange nicht, daß ich ihn nicht als positiv empfinde....


    @ Si
    auch das habe ich nicht geschrieben, ich schrieb, daß die meisten, die sich hier positiv äußern in irgendeiner Form betroffen sind/waren, ich habe mit keinem Wort die erwähnt, die sich gar nicht äußern....

  • Zitat

    Original von BJ: igentlich fällt mir auch grad auf, daß sich hier ausnehmend die Menschen positiv äußern, die tatsächlich aus den neuen Bundesländern stammen oder aber direkt im Grenzgebiet wohnen/wohnten... alle anderen wirken eher nicht berührt....


    Okay, ich geb dann mal den negativen Quotenossi:
    Geboren in der DDR, die Wende erlebt, 1992 in den Westen gegangen und hier immer noch lebend, direkter Kontakt in den Osten vorhanden.
    Frauentausch schaue ich nicht und die gestrige Feier habe ich bewusst nicht im TV verfolgt.
    So wie ich die Befürworter der Feier verstehe, so verstehe ich die Gegner der Berliner Party. 20 Jahre Mauerfall ist auch für Europa ein Ereignis, ebenso für die Amerikaner. Gestern hat nicht nur die Politprominenz ein politischen Kraftakt gefeiert, sondern auch hunderttausende Menschen haben das Jubiläum ihrer Freiheit gefeiert. Und viele von diesen Gästen können und sollen sich daran erinnern dürfen, dass dem Mauerfall eine friedliche Revolution vorausgegangen ist, an der sie beteiligt waren und Deutschlands Geschichte nachhaltig beeinflusst haben. Ob eine derartige Party in den Nachwehen der Wirtschaftskrise derart üppig ausfallen muss, ist sicherlich eine andere Frage.
    Eine Antwort habe ich nicht parat, für meine Person habe ich ähnlich wie Tom gestern eine persönliche Bilanz im Stillen gezogen.
    Und wenn Menschen aus Ost und West im Privaten auf 20 Jahre Mauerfall angestoßen haben, dann haben sie vielleicht auf die bestmögliche Art gezeigt, wie Wiedervereinigung aussehen kann.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Eigentlich fällt mir auch grad auf, daß sich hier ausnehmend die Menschen positiv äußern, die tatsächlich aus den neuen Bundesländern stammen oder aber direkt im Grenzgebiet wohnen/wohnten... alle anderen wirken eher nicht berührt....


    Ich stamme aus BaWü :-)
    Allerdings verband mich schon immer viel mit der DDR: Ich wollte meinen Freund Mirko heiraten, da war ich mir ganz sicher. Leider wohnte der in Guben. Das Projekt scheiterte, weil wir uns nicht einigen konnten, wo wir gemeinsam leben wollten (ok, die Frage, ob ich Schleier oder Hut bei der Hochzeit tragen würde, sorgte auch für Zwist). Da war ich sechs.
    Mehr als 30 Jahre später sind wir immer noch eng befreundet (auch wenn er zwischenzeitlich eine andere geheiratet hat :cry), das wäre ohne den Mauerfall sicherlich nicht der Fall.


    SiCollier : dass die NPD im Osten Fuß gefasst hat und in unsrerer Landesregierung vertreten ist, finde ich viel bedenklicher

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Mich berührt es nicht im Sinne von "Ich erinnere mich und empfinde dabei wieder irgendwelche Emotionen". Kann ich nicht. Ich war nicht dabei, kann mich nicht erinnern, habe keine Veränderung gespürt in meinem Leben.


    Aber mir ist durchaus bewusst, dass auch für mich vieles hätte anders laufen können und ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich gehe davon aus, dass mein Leben etwas "unbequemer" verlaufen wäre, wenn die Mauer noch stehen würde. Insofern finde ich schon, dass es ein wichtiger Teil der Geschichte ist und auch gebührend bedacht werden sollte. Ob eine derartige Feier, wie es sie in Berlin gab, nötig war, darüber kann man sich streiten. Aber bei "20 Jahren Mauerfall" wird man ja wohl noch ein Auge zudrücken können. Es wird in Deutschland (und wohl auch in anderen Ländern) weitaus mehr Geld in irgendwelche Fehlinvestitionen gepumpt, als diese Feier gekostet hat.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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