Das weisse Band

  • Gestern sah ich den Film "Das weisse Band - Eine deutsche Kindergeschichte" und denke noch immer darüber nach, ob mir der Film gefallen hat oder nicht.


    Inhalt (Quelle:http://www.dasweisseband.x-verleih.de/):


    Ein Dorf im protestantischen Norden Deutschlands. 1913/14. Vorabend des Ersten Weltkriegs.
    Die Geschichte des vom Dorflehrer geleiteten Schul- und Kirchenchors. Seine kindlichen und
    jugendlichen Sänger und deren Familien: Gutsherr, Pfarrer, Gutsverwalter, Hebamme, Arzt,
    Bauern - ein Querschnitt eben. Seltsame Unfälle passieren und nehmen nach und nach den
    Charakter ritueller Bestrafungen an. Wer steckt dahinter?



    Der Film ist in schwarz/weiß gedreht (oder zumindestens wird er so gezeigt), was gut zu der Stimmung passt. Gut gefallen haben mir die Schauplätze des kleinen Ortes. Die Handlung ist vielschichtig, auch wenn man hier und dort fragend zurück gelassen wird. Erst nach einer ganzen Weile ergibt sich ein guter Gesamteinblick in die dörfliche Gesellschaft um 1913/1914. Vor allem wird ein Blick auf die Art und Weise der Kindererziehung geworfen. Was den Film ein wenig unglaubwürdig macht ist der Ich-Erzähler, da dies der Lehrer sein soll, der demnach heute so um die 130 Jahre alt wäre. Auch merkt man dem einen oder anderen jugendlichen Schauspieler eine gewisse Unsicherheit an, was allerdings nicht so tragisch war. Die Leistungen der erwachsenen Schauspieler waren alle ausgezeichnet! Ich will nicht zu viel vom Ende verraten, das ich als zu schnell für diesen gewaltigen Film empfunden habe, so als wollte man nach 144 Minuten endlich fertig werden.


    Im Großen und Ganzen sicherlich ein sehenswerter Film. Vielleicht muss man ihn mehrere Male gesehen haben, um ihn in seiner ganzen Tragweite voll erfassen zu können. Bin schon auf Eure Meinungen dazu gespannt.



    Viele Grüße,


    Dieter.


    PS: Habe keinen anderen Threat dazu gefunden. Hoffe, ich habe keinen zweiten aufgemacht ...

  • Ein mehr als zweistündiges Drama in Schwarzweiß, das eine Landgemeinde vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges porträtiert. Man spürt die Enge der Verhältnisse, der Baron und Gutsherr regiert das Dorf wie ein Pater Familias, auch in den Familien ist das Patriarchat unangefochten. In einer Rückschau und per Voice Over erzählt der (damals) junge Dorflehrer von Gewaltausbrüchen, mit denen die Dorfgemeinschaft nicht umgehen, denen sie sich nicht wirklich stellen kann und bei denen auch die Polizei aus der Stadt eher ratlos bleibt. Ein Anschlag auf den Dorfarzt bildet den Anfang, tödliche Unglücke (?), Racheakte, Selbstmorde, Kindesmissbrauch, drakonische Strafen von Eltern, Tierquälerei, brutale Überfälle, das Ausnutzen von Frauen niederen Standes - all das kommt vor und wird künstlerisch in einer Stimmung zwischen Bedrückung und Idyll gehalten. Auf Schockeffekte wird verzichtet, auch der Ton nimmt sich sehr zurück, die Stille steigert die Atmosphäre.
    Am Schluss teilt der Zuschauer die Ratlosigkeit der Dorfgemeinschaft, denn man ahnt zwar gemeinsam mit dem Lehrer, wer zumindest hinter dem Großteil der Verbrechen steckt, aber viele Fragen bleiben zum Ende hin offen. Ganz zu schweigen von der Gewalt, die von den Protagonisten gar nicht als Verbrechen, sondern als Normalität ihres Lebens wahrgenommen wird.


    Für mich ein Meisterwerk und einer der besten Filme des Jahres 2009, über den ich noch lange nachdenken werde.

  • Ich weiß nicht, ob es an mir lag, aber mich hat dieser Film komplett gleichgültig gelassen. Ja, sehr gut gemacht und glänzend gespielt, vor allem von den Kindern, aber die Aussage blieb mir verborgen. Eine Gemeinschaft schlechter und unterdrückter Menschen, die dies offensichtlich auf ihre Kinder übertragen. OK.
    Daß ich nach wie vor über den Film nachdenke liegt nicht daran, daß er mich so mitgenommen hat, sondern eben, daß ich daran kaue, was er mir eigentlich sagen wollte. Daß ich darüber dankbar sein soll, in der Zeit und Gesellschaft zu leben, in denen ich lebe? Bin ich.
    Obwohl ich mal vermute, daß es auch zu der Zeit und in den Lebensumständen anderen Umgang mit dem Leben, den Menschen, den Kindern gegeben hat.

  • Zitat

    Die Geschichte spielt im spätfeudalen Deutschland, kurz vor dem Beginn des ersten Weltkriegs. Ein kleines Dorf im brandenburgischen, unberührt, unschuldig. Aber es dauert nicht lange bis die scheinbare Idylle sukzessive zerstört wird. Zunächst stürzt der Dorfarzt mit seinem Pferd über ein tückisch gespanntes Drahtseil. Dann kommt eine Arbeiterin im Sägewerk zu Tode. Eine ganze Reihe mysteriöser Vorfälle führen uns immer tiefer in die patriarchalen Strukturen einer repressiven Gesellschaft. In den Mittelpunkt rückt der vom Dorfpfarrer geleitete Kinderchor und die Familien der Kinder und Jugendlichen. Verfehlungen werden mit Stockstrafe und gnadenloser Strenge verfolgt. Ein behindertes Kind wird bis aufs Blut gequält, eine Scheune brennt ab. Wer steckt hinter all dem?


    Meinung:


    Der Regisseur erzählt uns aus einem kleinen brandenburgischen Dorf kurz vor dem 1. Weltkrieg. Der ich-Erzähler ist der junge Dorflehrer. Dieser beschreibt die Vorfälle die sich in diesem Dorf 1913 und 1914 zugetragen haben.
    Wir erleben eine Welt voller Doppelmoral, beängstigender Sittenstrenge und furchtbaren Erziehungsideen.
    Bemerkenswert ist die schauspielerische Leistung eigentlich aller Darsteller, insbesondere die der zahlreichen Kinder. Ausserdem wirkte der Film mit seinen teils klaren, kargen schwarzweiss Bildern gibt kein Urteil ab, er beobachtet nur . Die Details, Bauwerke, Szenerien, Kleidung war einmalig getroffen.
    Insgesammt waren die vielen Kinder ein bisschen verwirrend für mich, man musste manchmal wieder überlegen, wer ist das denn jetzt wieder - zu welcher Familie gehört der denn jetzt ? Ausserdem war mir der Film etwas zu lang, die letzte Stunde hätte man vielleicht ein bisschen kürzen können, da ist stellenweise einfach fast gar nichts mehr passiert. Aber auf alle Fälle ein sehr sehenswerter Film der einen sicherlich mit Diskussionsstoff zurücklässt.

  • Kurzbeschreibung ( von www.amazon.de ):
    s/w
    Der Erste Weltkrieg scheint bereits unaufhaltbar. In einem unauffälligen ganz normalen Dorf in Norddeutschland gehen die Dinge ihren täglichen Gang. Der Dorflehrer leitet auch den Schul- und Kirchenchor, der sich aus den Kindern und Jugendlichen des Ortes zusammensetzt. Sie bilden einen Querschnitt der dortigen Gesellschaft, sind die Kinder von Gutsherren, Hebammen, Ärzten und Bauern. Dann beginnen Unfälle, die sich zunächst niemand so recht erklären kann. Je mehr davon passieren, desto stärker kristallisiert sich heraus, dass eine Methode dahinter zu stecken scheint: Die vermeintlichen Unfälle scheinen eine Art Bestrafung zu sein.


    Ich habe mir den Film eben angeschaut und bin nun auch leicht ratlos.
    Grossartige Schauspieler ( vor allem Leonie Benesch als Eva hat mich überzeugt ), beeindruckende Bilder - aber ich tendiere schlussendlich auch eher in die Richtung der Meinung von Grisel.
    Was genau wollte der Film aussagen? Wurde zuviel in ihn hineininterpretiert? Besteht wirklich ein Zusammenhang in Bezug auf den kommenden Nationalsozialismus?
    Oder ist es eigentlich "nur" eine Geschichte über gedemütigte und geschlagene Kinder - wobei bei dem einen oder anderen die psychischen Folgen nicht mehr zu verbergen sind. Aber sind das nicht zeitlose Ereignisse? Ist dies nicht zu jeder Zeit der Fall?


    Wie gesagt, der Film lässt mich etwas ratlos zurück. Er war keine Minute langweilig, aber trotzdem hat er mich am Ende nicht ganz überzeugt.

  • Ich habe mir den Film gestern angeschaut.


    Ich glaube, Hanekes Hauptintention war, die damaligen Verhältnisse so darzustellen, dass klar wird, wie aus diesen Kindern die späteren Vebrecher des Nationalsozialismus werden konnten. Und das fand ich durchaus nachvollziehbar dargestellt. Wer so erzogen wird, dass er keine eigene Meinung haben darf, sondern immer nur zu gehorchen hat, der wird sicherlich auch als Erwachsener anfällig dafür sein, lieber jemandem zu folgen, als eine eigene Meinung zu vertreten. Außerdem neigen Menschen, die selber unterdrückt werden oder wurden, häufig dazu, sich selber ein schwächeres Opfer zu suchen, damit sie auch mal der Mächtige sein können. Klingt wohl nach Küchenpsychologie - ist es vielleicht auch :chen - , aber ich fand das nachvollziehbar dargestellt.
    Das Meisterwerk, als das er angepriesen wurde, war dieser Film für mich zwar nicht. Aber ich fand ihn durchaus sehenswert.
    Und ich glaube auch nicht, dass Haneke jemand ist, der die Menschen belehren will und sagen: seht her, wisst zu schätzen, wie gut es euch geht im Gegensatz zu denen damals. Für mich ist Haneke jemand, der nicht unbedingt was sagen will, sondern einfach nur zeigen. Was war oder ist oder sein könnte. Und was man mit dem Gezeigeten dann anfängt, das bleibt jedem selbst überlassen. Mich jedenfalls lassen seine Filme immer relativ verstört zurück und ich denke gerne etwas länger darüber nach. So auch über diesen. Und das ist nicht das Schlechteste, was ein Film bewirken kann.


    P.S.:
    Rosenstolz : klar, letztlich ist es vielleicht nur ein Film über geschlagene und gedemütigte Kinder. Und das ist zu jeder Zeit der Fall. Aber ich glaube da schon, dass die Erziehungsmethoden in den letzten 100 Jahren einen gewaltigen Sprung gemacht haben. Heutzutage weiß man, was sowas für psychische Folgen haben kann. Damals nicht. Noch zu Zeiten meiner Mutter (geb. 1941) war das üblich, dass Mädchen kein Abitur machen dürfen, zu heiraten haben etc. Und wenn eine ganze Generation und nicht nur ein paar wenige so behandelt werden, dann kann das schon weitreichende Folgen haben.

  • Mir ging es wie vielen hier - als der Film zu Ende war, musste ich noch eine Weile still sitzenbleiben und darüber nachdenken. Darüber, was das alles jetzt eigentlich bedeuten soll und darüber, ob er mir jetzt eigentlich gefallen hat oder nicht. Ich bin dann zusehends zu dem Ergebnis gekommen, dass er mir gefallen hat - wegen der Atmosphäre, den Kameraeinstellungen, den Schauspielern und Charakteren (den Pastor fand ich besonders faszinierend) und weil es alles in allem ein sehr ungewöhnlicher, besonderer Film ist; ob er einem gefällt oder nicht, er hinterlässt definitiv einen Eindruck und bringt einen zum Grübeln, und auch das ist etwas, was einen guten Film ausmacht, denke ich.
    Aber ich tue mich auch noch schwer damit, die Aussage des Films auf einen Nenner zu bringen - ein paar gute Ansätze wurden hier ja allerdings schon genannt :-)

  • Zweifellos ein Film, der im Innersten nachhallt und über den immer mal wieder nachgedacht wird. Vielleicht wirkt er auch auf unser Unterbewusstsein. Der letzte Film, der atmosphärisch ähnlich stark auf mich nachwirkte, war Hell

  • Zitat

    Original von Ayame
    Mir ging es wie vielen hier - als der Film zu Ende war, musste ich noch eine Weile still sitzenbleiben und darüber nachdenken. Darüber, was das alles jetzt eigentlich bedeuten soll und darüber, ob er mir jetzt eigentlich gefallen hat oder nicht. Ich bin dann zusehends zu dem Ergebnis gekommen, dass er mir gefallen hat - wegen der Atmosphäre, den Kameraeinstellungen, den Schauspielern und Charakteren (den Pastor fand ich besonders faszinierend) und weil es alles in allem ein sehr ungewöhnlicher, besonderer Film ist; ob er einem gefällt oder nicht, er hinterlässt definitiv einen Eindruck und bringt einen zum Grübeln, und auch das ist etwas, was einen guten Film ausmacht, denke ich.
    Aber ich tue mich auch noch schwer damit, die Aussage des Films auf einen Nenner zu bringen - ein paar gute Ansätze wurden hier ja allerdings schon genannt :-)


    :write

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Wolke
    Ich habe die drei Threads zum Thema "Das weisse Band" zusammengefügt. Bitte nutzt die Suche, bevor ihr neue Threads eröffnet. Danke :wave


    tut mir leid, ich habe in film ab gesucht dachte jetzt nicht, dass der schon so alt ist??

  • Falls mein neuer thread gelöscht wird, man braucht ja nicht noch einen zum Thema :rolleyes


    Mich hat der Film richtig mitgenommen, teils weil besonders die Große also die Anführerin soziopathische Züge zeigte, kein Mitleid mit der Kreatur egal welcher, und die restlichen Kinder ihr blind folgten.
    Ob der Film eine Ausage hat?? Wohl die, wohin Erziehung und Umwelt führen kann. und das zu jeder Zeit.


    Dass der Film damals 1913 angesiedelt wurde war wohl der Intention des Regisseurs geschuldet, die möglichen Ursachen des bedingungslosen Folgens im Nationalsozialismus zu zeigen.


    Mich haben eher die Düsternis und die Charakterzeichnungen und Spielkunst der Darsteller beeindruckt.
    Außerdem diese Dunkelheit.
    heutzutage auch wenn in der Wohnung kein Licht brennt kommt immer welches von außen, hier konnte ich mir richtig gut vorstellen, wie es zu Zeiten ohne Stromversorgung war, der Tisch erhellt nur von einer Funzel, eine Leuchter, je nach Geld.
    Einfach großartig.