Pflege der eigenen Sprache?

  • Guten Morgen an alle Büchereulen,


    angeregt und zugegebenermaßen auch ein bißchen entsetzt...;-)...über einige verbale "Stilblüten" und voreilige Aussagen in einigen Threads hier, möchte ich doch mal Eure geschätzte Meinung hören, wie ihr zu der Thematik (siehe Threadüberschrift) steht.


    Wir hatten früher einen Deutschlehrer, der meiner Meinung nach ein recht vernünftiges Verständnis und Verhältnis zur deutschen Sprache hatte und der Meinung war, daß man zum Beispiel Fremdwörter besser sparsam benutzen sollte und zwar am besten nur dann, wenn man ein Fremdwort oder einen spezifischen Fachausdruck ansonsten nur langatmig mit vielen Einzelsätzen erklären könnte.


    Als Beispiel: das Wort obsolet ist ja gleichbedeutend mit überflüssig, also wird nur ein Wort gegen das andere sozusagen ausgetauscht.


    Altruistisch dagegen bezeichnet/beschreibt eine komplette Sinnesrichtung oder Lebensweise, die man nicht so einfach mit einem einzelnen Wort definieren kann. Man bräuchte im Gegenteil fast eine halbe Seite dafür, um es gleichwertig zu erklären.


    Letztens kam nun noch ein Beitrag im Fernsehen über eine Gruppe, die sich der - für mich gesehen - strikte, angebliche Pflege des deutschen Sprachschatzes zur Aufgabe gemacht haben soll und Worte wie "Internet", "online" usw. am liebsten komplett wieder aus den Duden entfernt sähe.


    Das hörte sich zwar für mich leicht abgedreht und witzig an, weil ich mich innerlich darüber mokiert hab, in wieviel Bereichen der Mensch doch fanatisch sein kann, wenn er nur will und ich rein sachlich der Meinung bin, daß Sprache etwas sein sollte, was "lebt" und sich weiterentwickelt, aber gerade deswegen würde mich ja auch interessieren, wie Eure Meinungen dazu ausfallen.


    :wave
    Baumbart

  • Mich stört es immer, wenn ich das Gefühl habe, dass jemand Fremdwörter benutzt, obwohl derjenige selbst nicht genau weiß, was sie bedeuten. Ich bemühe mich, verständlich zu sprechen und erwarte das auch von anderen.


    Die Anstrengung, die deutsche Sprache "deutsch" zu halten, finde ich einerseits notwendig, denn zu viel zu verenglischen mag ich nicht, gerade was die Werbung angeht. Natürlich hört sich "Come in and find out" besser an als "Komm rein und guck Dich um".
    Aber Begriffe, die einfach an sich notwendig sind, wie Internet oder online, zu vermeiden, finde ich überflüssig.


    Es gibt doch auch deutsche Worte wie "Kindergarten", die sich im Englischen etabliert haben. Dafür leben wir doch in einem Europa.

  • Sprache an und für sich ist doch etwas wundervolles, nicht? Was damit alles möglich ist. Z.Bsp. Bücher schreiben oder lesen :-)


    Ich finde, eine gepflegte Sprache (was nicht heisst, dass jedes zweite Wort ein Fremdwort sein muss) sagt viel über eine Person aus. Genauso wie Schnoddrigkeit. Vielleicht auch über den Respekt, den man seinem Gegenüber entgegenbringt.


    Für mich ist die Deutsche Sprache eigentlich eine Fremdsprache. Das ist sie im Übrigen für jeden Schweizer, der die deutsche Schriftsprache erst in der Schule lernt (oder beim Fernsehgucken...). Bei mir kommt noch hinzu, dass ich in Spanien aufgewachsen bin. Ich besuchte zwar deutschsprachige Schule , aber trotzdem ist Deutsch bei mir nur "angelernt".


    Dass sich gewisse Anglizismen :grin in der deutschen Sprache eingebürgert haben, finde ich nicht so tragisch. Manches kommt auf Englisch einfach eleganter daher.

  • Ich habe nichts gegen Fremdwörter im deutschen Sprachgebrauch, ganz im Gegenteil...
    Das was mich persönlich ankekst, ist die enorme Vermehrung von Anglizismen, DAS tut mir in der Seele weh :cry


    Aus der Sitzung wird ein Meeting, aus der Telefonseelsorge wird eine Support-Hotline, aus der Fahrgemeinschaft wird Car-Sharing usw. usw. usw.


    Wozu? Klingt Deutsch nicht mehr "hip"? Ich kann durchaus verstehen, das sich einige Menschen darüber wirklich aufregen! Es ist für mich auch eine Verunreinigung der Deutschen Sprache.


    "Hey Dad, bleib mal cool. Ich will doch nur kurz durch die Channels zappen. Krasse Music mit fetten Beats, das grooved doch, oder?"


    O-Ton vieler Deutscher Wohnzimmer, oder etwa nicht? Also ich zweifle doch ganz stark daran, ob das wirklich noch eine lebendige, bzw. "weiterentwickelte" Sprache ist...

  • Ich war neulich zu einem Seminar über Toleranz zwischen Tugend und Torheit. Dort hat auch der Komponist Helmut Lachenmann gesprochen. Er sagte: "Wir sollten die Sprache in Sicherheit bringen." Der Satz hat mir sehr gefallen.
    Fremdwörter lassen sich nicht immer vermeiden. Viel schlimmer ist für mich, dass man auch mit deutschen Worten viel Unheil anstellen kann. Was zum Beispiel bedeutet der Satz: "Wenn das ICH in der Schwebe des SEINS aufgeht, verliert es sich in der Grausamkeit der Schönheit." Ich kenne jedes einzelne Wort, habe aber keine Ahnung, was mit dem Satz gemeint sein könnte. So etwas finde ich wirklich schlimm. Wir sollten nicht vergessen, dass wir sprechen, um von anderen verstanden zu werden. Und das ist mehr, als nur zu beeindrucken.
    Ich lese sehr gern die FAZ und auch die ZEIT. Aber manchmal geht es mir dort so, wie oben beschrieben. Ich kenne die Worte, finde jedoch keinen Sinn und habe sogar das Gefühl, dass es möglicherweise gar keinen Sinn gibt. Hmm. Geht euch das auch manchmal so?

  • Wie Geli73 schon andeutete, in Sprachen findet immer ein gegenseitiger Austausch statt. Gerade in der Technik sind Fremdwörter einfach nicht zu vermeiden. Natürlich dreht sich mir auch der Magen um, wenn ich zu einer Eröffnungssitzung eingeladen werde, die als "Kick off"-Veranstaltung bezeichnet wird. Höchst bedenklich finde ich dann allerdings, daß du als ungebildet angesehen wirst, wenn du dich dagegen mokierst. Nicht jeder Modetrend ist auch gleichbedeutend mit Bildung.
    Beim Studium alter Akten aus dem 18. Jahrhundert fiel mir auf, daß bereits damals die Verwendung von Fremdwörtern resp. Pseudofremdwörtern als besonderes Bildungszeichen angesehen wurden. So verwendete ein hoher Beamter einer Renthkammer einen pseudofranzösischen Begriff, den der Briefempfänger unmöglich kennen konnte. Französisch war damals der inbegriff der Weltoffenheit, so wie heute englisch. Bereits im Antwortschreiben wurde dieser Begriff erneut benutzt und nach wenigen Wochen war dieses Unsinnwort allgemeiner Sprachgebrauch. Ich hab mich köstlich amüsiert. Dieses Verfahren klappt auch heute noch. Es lebe die "Bildung".

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von geli73
    Natürlich hört sich "Come in and find out" besser an als "Komm rein und guck Dich um".


    ich dachte, das heißt: komm rein und finde wieder hinaus! :lache


    bo


    PS: diese unsägliche kick-off höre ich auch immer öfter@demo

  • Zitat

    Original von bogart
    ich dachte, das heißt: komm rein und finde wieder hinaus! :lache



    Zitat

    diese unsägliche kick-off höre ich auch immer öfter


    Ich hab mal die Frage eines Geschäftspartners, ob ich zu dem und dem Kick-off käme, mit einem beiläufigen "Denke nicht. Ich stehe nicht auf Fußball" beantwortet.
    Der hat vielleicht geschaut!

  • Die Plausibilität und auch Verifizierbarkeit so mancher Message bei den Eulen scheint manchmal fernab von Tuten und Blasen und jeglichem linguistischen Highscores zu liegen. :-) Sehr spooky, aber oft auch very funky.


    Live long und Prost,


    Doc as gueststar

  • ich komm nicht mehr drauf, aber wie heißt denn "Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln" auf ausländisch??
    Irgendwas mit reziprokem Verhältnis des Intelligenzquotienten des Agrarökonoms zur Ausbringungsmenge
    Weiß ich echt nicht mehr. Kennt noch jemand diesen Spruch?


    @ Bo: Punkt für Dich!!


    @ Iris: Jau, hast recht!! (Krieg den passenden Smilie, äh: Lächler nicht hin)

  • Ahja, Doc, das gab aber auch früher schon: Das Volumen der Nachtschattenknollengewächse steht im reziproken Verhältnis zur Intelligenz des sie kultivierenden Agrariers.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallöchen an alle...heil und ohne große Verzögerungen angekommen, trotz strömendem Regens...:-)


    @Demo, was ist eine Renthkammer?...Vermutung: eine Rentenkammer?


    .....................................


    Auch möchte ich den Thread hier - und an dieser Stelle gleich erstmal noch ein DANKE für Eure interessanten Beiträge...:-) - um eine weitere Frage erweitern (und heb sie daher mal farbig hervor, damit sie nicht überlesen wird):


    Was haltet Ihr von den Angeboten in den Schulen, der plattdeutschen Sprache bzw. den regionalen dialekten mehr Unterrichtsraum einzuräumen?


    Teilweise wird das nicht in freiwilligen Kursen angeboten, sondern steht bei uns zumindest auf dem normalen Stundenplan, wie ich erfahren hab.


    Ist das bei Euch auch so und was haltet Ihr davon?


    LG und :wave
    Baumbart

  • Hi Baumbart...Pflege der eigenen Sprache..hört sich schön an..und ich mag es sehr, wenn mit jemand etwas kompliziertes ohne Fremdwörter erklären kann, ist wohl weitaus schwieriger als Ohne....Gestern fragte mich mein Jüngster z. B. was Synonyme sind..naja ich konnte es mit EINEM Wort nicht erklären..obwohl es sicherlich eines gibt.


    Zum Thema Dialekt..das brauchst du niemanden beizubringen, schon gar nicht in der SChule, dass kann jeder der in einer Dialektstarken Gegend aufwächst...Und Fremden einen Dialekt beibringen zu wollen finde ich nicht erstrebenswert und sie werden es auch nie vollkommen schaffen..näää da kriiesch die Gaasegischtern, wann Leit versuche, blatt zu babbele..dies nett känne :-)

  • Insomnia .... :lache


    Soll heißen? Nichts, oder?...;-)


    alex .... :lache :lache :lache.... :knuddel1


    Isch han`s verstanne und mag gerne Dialekte, aber Zwang in den Schulen fände ich auch verfehlt....:-)


  • Mein Vater war Deutschlehrer und hat sehr lange nebenbei eine "Dialekt-AG" angeboten, weil er es für wichtig hielt, Brauchtum (und dazu gehört auch der Dialekt) zu pflegen. Als er damit begann, dachte ich, dafür würde sich niemand interessieren. Aber letztendlich bestand die Gruppe immer aus 20-25 Schülern!
    Ich halte es schon für wichtig, seine Heimatgeschichte zu kennen und den Dialekt ein bißchen zu verstehen, zumindest so lange es noch Menschen im Ort gibt, die den Dialekt auch wirklich sprechen. Was ich z.B. doch sehr erstaunlich fand, war, dass einige der teilnehmenden Schüler den Dialekt kaum verstanden, obwohl ihre Großeltern den noch benutzten.
    Als Pflichtfachthema sollte man vielleicht weniger "Dialekt" wählen als eher "Heimatunterricht". Eins ohne das andere geht nicht, finde ich. Denn viele Begriffe sind doch erst in bestimmten Situationen geprägt worden.
    Übrigens: ich wohne seit einigen jahren im Saarland. Hier diskutiert niemand darüber, ob sowas Pflichtfach sein soll. Hier sprechen die Schüler und Lehrer ohnehin fast alle im Dialekt! Dafür haben viele dann allerdings Probleme mit Hochdeutsch.

  • *hüstel*


    Das ich die deutsche Sprache vom klang her eifnach nur grottig finde hab ich ja schon mehrfach zum Ausdruck gebracht.


    Anglizismen stimmen mich da auch nicht milder, weil sich Englisch meiner Meinung nach genauso furchtbar hart anhört.


    Fremdwörter hasse ich regelrecht (nein, nicht weil ich sie nicht verstehe, sondern weil ich sie überflüssig finde). Ich möchte mich so ausdrücken, daß mich jeder versteht auch die Menschen, die vielleicht keine umfangreiche Schulbildung genießen konnten, Fremdwörter helfen mir da nicht weiter.


    Regelrecht putzig finde ich das falsche Verwenden von Fremdwörtern oder das vermeintliche Verstehen von Fremdwörtern. (wir dürfen das Wörtchen taktil nicht mehr in Anzeigen verwenden.... weils das angeblich nicht gibt)


    Was die deutschen Dialekte angeht... nun ja.... Bei einem alt eingessenen Bayer in Lederhosen und mit Rauschbart mag sich der bayrische Dialekt ja vielleicht irgendwie urig anhören. Mir dreht sich allerdings der Magen um wenn ich Kindern begegne die nicht mal in der Lage sind sich Hochdeutsch auszudrücken und statt dessen munter in Kölsch palavern. Da kann ich gar nicht drauf.
    Sehr erheiternd fand ich letztlich jedoch einen Öscherplatt (Mundart in und um Aachen) sprechenden Ghanesen dunkelster Hautfarbe und in traditionelle Gewänder gekleidet. Ich hab mich mit ihm regelrecht vor Lachen unter den irritierten Blicken meines Kollegen über den Boden gewälzt. ("ich dachte ihr sprecht Französisch") *GRÖHL*


    Ich selbst beherrsche dank meiner Eltern das Hochdeutsch akzentfrei (zumindest sagt man mir immer, ich würde nicht so schrecklichen Singsang sprechen wie der tüpische Aachener) Kann allerdings auf Knopfdruck in ÖscherPlatt umschalten und verstehe seit einiger Zeit auch das Tiefste KÖLN-KALKER-KÖLSCH *JUCHU* (Das Sprechen unterdrücke ich aber lieber, will mich ja nicht lächerlich machen, gell?)


    Aufgrund diverser Urlaube im schönen Kastelruth kann ich mich auch in der Tiroler Mundart durchaus verständlich machen. Wobei ich da eine kleine Anlaufphase und ein bißchen unterstützung brauche, um wieder in die Betonungen und Verwurstungen diverser Wörter hineinzu finden.

  • @Baumgart


    Zitat

    daß Sprache etwas sein sollte, was "lebt" und sich weiterentwickelt


    Genau so sehe ich es auch.


    @ALL
    Allerdings versteh ich die „Nörgelei“ über die Anglizismen nicht so ganz.
    Die Sprache auf fast allen relevanten Gebieten ist nun einmal Englisch (bitte hier immer Englisch/Amerikanisch lesen). Da ist es doch ganz normal, das die englischen Begriffe mehr und mehr in die Alltagssprache einfließen. Und das hat für mich nichts mit einer „Mode-Erscheinung“ zu tun.


    Worte sind doch nichts anderes als eine Zusammenfassung eines Bildes und dient vorwiegend der Kommunikation.


    Und die vorherrschende Kultur bestimmt nun einmal das Geschehen. War das schon jemals anders??


    Was heute Englisch ist war einmal Latein. Warum? Weil es eine so wunderschöne Sprache ist? Ich glaube nicht. Eher weil es die Amtssprache der Kirche in Rom war und die über Jahrhunderte die europäischen Kulturen prägte (Ich weiß, Lateiner sehen das ganz anderes).


    Und hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, was auf die Europäer in den nächsten Jahrzehnten zukommt??


    Ich kann mir kein „Vereintes Europa“ vorstellen, dass 25 verschiedene Amtssprachen hat. In welcher Sprache sollen Gesetze, Verordnungen usw. erlassen werden??
    Heute sind schon Heermassen von „Rechtlern“ damit beschäftigt, die deutschen Gesetze zu interpretieren und auszulegen. Jetzt das gleiche Gesetz in 25 Sprachen, eine Horrorvorstellung für mich, Jurist wäre der angesagteste Beruf).


    Es wird nur eine Amtssprache geben und die wird bestimmt nicht Deutsch sein. Der Rest der Welt zeigt uns schon heute, welche es wohl sein wird (Es sei denn, China macht weiter diese Riesen-Entwicklungs-Schritte. Dann könnte es in 40 – 50 Jahren anders aussehen).


    Wahrscheinlich wird es die „National“-Sprachen zwar weitergeben, aber auf Dauer wohl mehr in die Richtung wie heute „Dialekte“.


    Vielleicht werden schon unsere Urenkel zweisprachig aufwachsen müssen. Wahrscheinlich für die kein Problem, wie die Erfahrungen zeigen.


    Als was macht die Jugend?? Sie stellt sich unbewusst auf die Zukunft ein und wir „Alten“ halten die Vergangenheit fest.


    LG Dyke – der Baumgart für dieses interessante Thema dankt


    PS:
    Für mich ist der Streit um die Rechtschreibreform schon der erste Kampf „Jung gegen Alt“. Die Jungen haben doch keine Probleme mit der neuen Rechtschreibung, wer da gegen angeht sind doch wir Alten.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson