Der Tag, an dem ich beschloß, nicht mehr zu lachen

  • Es war ein Donnerstag. Die ganze Chose hier wieder und wieder zu beschreiben muß nicht sein. Meine Freundin hat sich umgebracht.


    Schwups war sie weg und nun stand ich da, mit einem von Tränen zugeqollenen Gesicht. Und immer wenn ich mich im Spiegel sah, beschloss ich, nie wieder zu lachen. Ich konnte auch gar nicht, das Lächeln tat mir weh. Ich zählte die Stunden, die seit ihrem letzten Herzschlag vergingen, war mir jeden Tag bewußt, der wievielte es nach ihrem Tod war.


    Wochen vergingen. Und natürlich lachte ich auch mal. Doch sobald sich meine traurige Miene in eine fröhliche verwandelte, fühlte ich mich schlecht. Schuldig meiner Freundin gegenüber. Wie konnte ich nur lachen, wo sie jetzt nicht mehr da war? Hatte ich das etwa schon vergessen?


    Nein. Ich war mir nur nicht bewußt, dass ich vielleicht gerade wegen ihr viel öfter lachen sollte. Das Leben jetzt erst recht auskosten.


    Letzte Woche waren genau 4 Monate nach ihrem Selbstmord. Der 17. Der 17. Ich war mir am 17. dessen nicht bewußt und merkte erst wenige Tage später, dass es mal wieder so weit war. Sollte ich mir Vorwürfe machen? 4 Monate und ich hab nicht an dieses Datum gedacht?


    Das Datum ist mir egal geworden. Denn ich denke jeden Tag an sie. Jeden verdammten Tag. Und es macht mich immer wieder traurig, nicht nur am 17.


    Ich kann nicht mehr halten, was ich mir geschworen habe. Ich lache. Und das ist auch gut so. Und ja, ich liebe mein Leben. Gerade in den schönen Momenten denke ich jetzt an sie, lasse sie mitfühlen.



    Vielleicht bin ich einfach zu jung, damit fertig zu werden.


    Aber ich lache wieder.

  • Hallo "Nachbarin":-)


    Da ich nicht weiß, ob die Geschichte wahr oder fiktiv ist, gehe ich mal auf nummer sicher und gehe die Sache mit Vorsicht an. Ich denke schon das Du möchtest, das man dazu etwas sagt außer "Wow, Toll oder Schlimm und Traurig..."


    Du beginnst mit einem echten Hammer, eine Bombe direkt zu Beginn Deiner Geschichte... "Meine Freundin hat sich umgebracht."


    Das sitzt erstmal, bei wohl jedem Leser... Was mir persönlich im folgenden Text fehlt, ist das Drama deiner Gefühle, Deine echte Trauer...
    Man könnte den Leser hier noch viel intensiver teilhaben lassen, an der zusammengebrochenen Welt des Erzählers. So richtig ganz tief mit runterziehen...um dann zum schluß hin dieses zerbrechliche Fünkchen Leben, das "Ich lache wieder" so richtig erstrahlen zu lassen, um jedem der ähnliches erlebt hat, diese Hoffnung zu geben, irgendwann wieder lachen zu können...


    Inso

  • diese Kurzgeschichte erinnert mich an mich selbst.


    Ein Kollege hatte im Februar einen Autounfall und dabei verstorben. Das ging mir sehr nah, denn wir haben uns sehr gut verstanden, hatten in der Zeit davor zwar nicht so viel Kontakt, aber da war so ein Grundverständnis.


    Danach habe ich immer gedacht, "letzte Woche", "vor 2 Wochen", "vor einem Monat" usw. ist das passiert.
    Neulich war sein Geburtstag, an dem Tag ging es mir auch nicht besonders gut. Zu Anfang habe ich noch oft daran gedacht, dass man trauert, aber mit der Zeit vergeht das alles, zumal es nicht, wie in Deiner Geschichte ein so naher Mensch war.


    Deine Geschichte ist vielleicht zu knapp, was Insomnia "bemängelt" hat, kann ich verstehen, aber jeder, der so ein Gefühl kennt, kann sich in diese Geschichte hineinversetzen.

  • Zitat

    Original von geli73
    Deine Geschichte ist vielleicht zu knapp, was Insomnia "bemängelt" hat, kann ich verstehen, aber jeder, der so ein Gefühl kennt, kann sich in diese Geschichte hineinversetzen.


    Auf jeden Fall...
    Auch ich habe einige Menschen verloren, sei es durch Krankheit oder Suizid, da war wohl fast alles schon dabei :cry
    Eben aus diesem Grund wünsche ich mir ja mehr "Tiefgang" wenn ich sowas lese - damit auch Menschen, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben, das mitfühlen - erleben können...

  • Schwieriges Thema, weil elementares und deshalb "großes" Thema.


    Die Umsetzung ist -- meiner unmaßgeblichen Meinung nach -- weder Fisch noch Fleisch. Das Lakonische finde ich grundsätzlich sehr gut, weil du damit den weinerlichen Ton umgehst, zu dem solche Themen verleiten, allerdings paßt er weniger zu Traurigkeit als zu Zorn. Z.B. Zorn darauf, daß die Freundin sich quasi einfach davongemacht hat, daß sich der/die ErzählerIn im Stich gelassen fühlt, verletzt, geradezu verraten!
    Auch das sind Empfindungen, die zur Trauer gehören -- gerade bei einem Selbstmord. Du deutest sie im Grunde an, aber du läßt dich nicht darauf ein.
    Damit meine ich nicht, daß man sich in Emotionen suhlen soll -- Gott bewahre! Das wäre Kitsch pur! :grin Eine (scheinbar) kühle, distanzierte Erzählhaltung kann Gefühle in Kurztexten hervorragend herausmodellieren.