Fundamentalistische Christen in Deutschland
Kurzbeschreibung
Sie sind radikal, sendungsbewusst und zunehmend erfolgreich: christliche Fundamentalisten in Deutschland. Die Bibel ist für sie Lebens- und Glaubensgrundlage, andere Religionen lehnen sie ab, alle Nichtchristen wollen sie bekehren. Homosexualität gilt als Sünde, Sex vor der Ehe ist verpönt, die Evolutionstheorie stellen sie in Frage. Nach Schätzungen leben in Deutschland mehr als eine Million von ihnen. Die Autoren haben zahlreiche fundamentalistische Gemeinden und deren Veranstaltungen besucht, mit Anhängern, Aussteigern und Theologen gesprochen, Internetforen beobachtet, Veröffentlichungen der bibeltreuen Christen ausgewertet, unzählige Predigten analysiert. Das Buch zeigt die Arbeit von entsprechenden Vereinen, Missionswerken und Lobbygruppen, informiert über autoritäre Strukturen, angebliche Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen. Und es fragt, wie Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland mit diesen radikalen Gruppen umgehen.
Meine Meinung
Für mich war dieses Lektüre eine Reise in eine fremde, manchmal nahezu abstoßende aber doch irgendwie vertraute Welt, bin ich doch mit dem Pietkong, Zeltmission und einem Pfarrer, der einst in Pakistan missionierte, großgeworden.
Fundamentalisten, damit sind im heutigen Sprachgebrauch in den meisten Fällen Islamisten gemeint. Doch eigentlich stammt der Begriff aus der christlichen Szene, als durch die Verbreitung der Naturwissenschaften im 19. Jhd viele fromme Amerikaner um ihr Fundament, eben die Bibel bangten. Diese bis zum heutigen Tage wortgläubigen Christen, Evangelikale, bekommen auch in Deutschland immer mehr Zulauf. Dabei ist schon die Begriffsbestimmung ausgesprochen schwierig, zum einen, weil sich unter diesem Sammelbegriff die verschiedensten freikirchlichen Vereinigungen tummeln, zum anderen sind auch die Übergänge zu den „etablierten“ Religionsgemeinschaften fließend.
Dieses Buch versucht nun dieses Phänomen zu erklären und Glaubensgrundsätze aber auch Entwicklung dieser Gruppen nachzuzeichnen. Zunächst werden die Besonderheiten dieser bibeltreuen Christen thematisiert, etwa die radikale Ablehnung von Homosexualität als Sünde und Perversion, dem teilweise ziemlich martialischen Missionsauftrag oder den Glauben an Wunderheilung. Dafür haben die Autoren evangelikale Veranstaltungen besucht, Interviews mit Gläubigen, aber auch Aussteigern geführt und jede Menge Werbematerial, Bücher, CDs und Filme, ausgewertet.
Und da fühlte ich mich plötzlich wieder in die 70er Jahre zurückversetzt, als ich als Achtjährige in einem Zelt auf dem Dorfplatz saß und fassungslos zuhörte, wie da vorne ein erwachsener Mensch mit dem Teufel drohte und den Herrn Jesus anflehte, diese armen Seelen zu retten, wenn sie nun auf der Stelle auf die Bühne treten würden, um ihre Sünden zu bekennen.
Heutzutage füllen solche Prediger jedoch Konzerthallen, betreiben Radio- und Fernsehsender und sind auch im Internet vielfältig präsent.
Nun könnte man meinen: lass die doch muddeln. Doch offensichtlich zeitigt die massive Überzeugungsarbeit ihrer Lobbyisten deutliche Erfolge. So scheinen sich vor allem die evangelischen Landeskirchen eine Scheibe vom evangelikalen Erfolg abschneiden zu wollen und vertreten immer bibeltreuere und erzkonservative Positionen, während Bundesminister als Schirmherren evangelikaler Veranstaltungen auftreten, auf denen offen verfassungswidrige Standpunkte vertreten werden, und diese sogar mit erheblichen Summen unterstützen. Eine derartige Aufweichung der Grenzen zwischen Staat und Kirche und eine damit einhergehendes Einsickern reaktionärer gesellschaftlicher Vorstellung in die aktuelle Politik ist meines Erachtens ausgesprochen bedenklich.
Nun ist dieses Buch, ebenso wie meine Rezension, weder unparteiisch noch emotionslos. Doch die gründliche Recherche und die Fülle an Quellenangaben in diesem Buch lassen es durchaus legitim und sogar wichtig erscheinen, Position zu beziehen. Und das tun die Autoren.