Werwölfe zu Weihnachten - Charlaine Harris, Toni L.P. Kelner (Hrsg.)

  • Für die Freunde der Minimal-Information stelle ich drei der Kurzgeschichten öffentlich vor. Wer über die anderen auch ein bisschen was wissen will, für den habe ich die "Appetithäppchen“ mittels Spoilerfunktion versteckt.


    ***


    Charlaine Harris, Toni L.P. Kelner (Hrsg.): Werwölfe zu Weihnachten, OT: Wolfsbane and Mistletoe, 15 Kurzgeschichten, München 2009, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN: 978-3-423-21175-8, 479 Seiten, Format: 12 x 19 x 2,8 cm, EUR 9,95 (D), EUR 10,30‚(A)


    Jede Wette: Die beiden Herausgeberinnen hatten eine Menge Spaß mit dieser Kurzgeschichtensammlung. Nachdem ihre vorige Anthologie „Happy Bissday“ – Vampirgeschichten zum Thema Geburtstag – so gut ankam, haben Charlaine Harris und Toni Kelner dieses Erfolgsrezept erneut aufgegriffen. Sie haben sich zwei Begriffe ausgedacht, die auf den ersten Blick unvereinbar sind – Werwölfe und Weihnachten –, dann eine Reihe bekannter Autorinnen und Autoren angeschrieben und sie um eine Kurzgeschichte zu diesem Thema gebeten.


    J. K. Rowling hatte etwas Besseres zu tun, aber die meisten anderen Schriftsteller haben noch eine Story in ihrem Terminplan untergebracht. Charlaine Harris und Toni Kelner konnten für diese Anthologie wieder mal aus dem Vollen schöpfen. Herausgekommen ist eine wilde Mischung aus spannenden, witzigen und gruseligen Werwolf-Geschichten, geschrieben von ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet.


    „Am besten bei Vollmond lesen – aber die Türen gut verschlossen halten“, empfiehlt der Verlag. Ob Sie das wagen möchten, müssen Sie selbst entscheiden. Hier ein kleiner Einblick in das, was Sie in diesem abwechslungsreichen Band erwartet:


    Charlaine Harris: Ein unvergessliches Weihnachtsfest, OT: Gift Wrap, deutsch von Britta Mümmler. Weil Freunde und Verwandte andere Pläne haben, muss Sookie Stackhouse, die gedankenlesende Kellnerin, das Weihnachtsfest dieses Jahr alleine verbringen. Dass es trotzdem weder einsam noch langweilig wird, dafür sorgen ein verletzter Werwolf, den Sookie bei einem Waldspaziergang findet, und ihr Urgroßvater Niall Brigant.



    Simon R. Green: Lucy, alle Jahre wieder, OT: Lucy at Christmastime, deutsch von Christine Blum. Er ist ein Werwolf, und wie jedes Jahr verbringt er Heiligabend im „Strangefellows“, der ältesten Kneipe der Welt. „Dort, wo Träume wahr werden können, wenn man nicht gut aufpasst“ (S. 46). Er trifft sich mit Lucy, die seine erste große Liebe war. Doch das ist nicht das einzige, was die beiden verbindet ...


    Dana Cameron: Die Nacht, die alles verwandelte, OT: The Night Things Changed, deutsch von Britta Mümmler. Psychiaterin Claudia ist Vampirin, ihr Bruder Gerry Privatdetektiv und Werwolf. Werwölfe, so erfahren wir, sind auf der Welt, um das Böse auszulöschen, Vampire, um Blut zu reinigen und zu heilen. Beide gehören zu den Guten. Ein Patient, der Claudia in ihrer Praxis angreift, bringt das Weltbild der Geschwister ins Wanken ...


    Kat Richardson: Ein Werwolf zu Weihnachten, OT: The Werewolf Before Christmas, deutsch von Barbara Ostrop. Durch einen Flugzeugabsturz hat es den Werwolf Matt an den Nordpol verschlagen. Nachdem er dort das Leit-Rentier des Weihnachtsmanns gefressen hat, hat er ein Problem. Kurzerhand macht ihn Santa-Claus nämlich zum Ersatz-Zug- und Flugtier. Und auch sonst ist der alte Herr für manche Überraschung gut ...


    Alan Gordon: Ungebetene Gäste. OT: Fresh Meat, deutsch von Britta Mümmler. Sam Lehrmann ist Hundetrainer und ein Werwolf. Vor seiner Freundin Mona konnte er letzteres geheim halten, doch nicht vor Mr. Taylor. Der hat etwas gegen Werwölfe und rückt ausgerechnet an Heiligabend mit seinen Söldnern an, um Sam den Garaus zu machen. Doch Sam ist nicht so wehrlos und unvorbereitet wie Taylor meint. Und auch nicht so allein ...


    Carrie Vaughn: Il es né, OT: Il Est Né, deutsch von Ute Brammertz. Werwolf David hat keine Ahnung, wie er seine Verwandlungen kontrollieren kann. An Weihnachten trifft er zum ersten Mal im Leben auf eine Artgenossin. Doch ehe sie ihm hilft, wäre noch zu klären, ob David nicht ein gesuchter Serienmörder ist. Aufgrund seiner Erinnerungslücken wäre alles möglich. In Wolfsgestalt leisten die beiden Detektivarbeit ...


    Dana Stabenow: Das perfekte Geschenk, OT: The Perfect Gift, deutsch von Britta Mümmler. „Wenn wir ihre Population nicht dezimieren, wird bald auf alle Jagd gemacht“ (S. 202). Mennaro, seine Männer und seine Nichte Neri rüsten sich zum Kampf. Doch wer jagt hier wen? Dass die Polizei den oder die Wolfsmörder sucht ist klar. Aber wie passen Mennaro und seine Leute ins Bild? – Wer auf die Personennamen achtet, kommt vielleicht den raffinierten Wendungen in dieser erotischen Geschichte auf die Spur ...


    Keri Arthur: Der Geist der vergangenen Weihnacht, OT: Christmas Past, deutsch von Christine Blum. Hannah hat ein untrügliches Gespür für das Böse und arbeitet im Dezernat für paranormale Angelegenheiten des FBI. Jetzt steht sie frierend im Elfenkostüm auf der Straße, als Lockvogel für den vampirischen Spendensammler-Mörder, und muss ausgerechnet mit ihrem Ex, dem Werwolf Brodie, zusammenarbeiten ...


    J.A. Konrath: Das Buch Bob, OT: SA, deutsch von Christine Blum. Kommt ein Mann mit einer Stuhlprobe zum Arzt ... Was wie ein Stammtischwitz beginnt, steigert sich zu einer furiosen Geschichte, originell, tierisch komisch und unheimlich abgefahren. Knöpfe, Reißverschlüsse, Schmuckstücke und Zähne findet der Arzt in der Stuhlprobe von Robert Weston Smith. Smith, der sicher ist, nichts dergleichen verzehrt zu haben, fragt sich, wie diese Fremdkörper in seinen Körper kommen. Seine Internetrecherchen ergeben, dass er ein Therianthrop sein könnte, ein Wergeschöpf.


    Auch dafür gibt es zum Glück Selbsthilfegruppen. Smith tritt einer solchen bei und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, dass er Wereichhörnchen, Werschildkröten und sogar Werkorallen (!) begegnet, er erfährt auch wer die schlimmsten Feinde der Therianthropen sind. Wenn er das mal vorher gewusst hätte!



    Nancy Pickard: Besser nicht schmjollen, OT: You’d Better Not Pyout, deutsch von Barbara Ostrop. Die russischen Vampir-Vettern Pascha und Serge machen sich von Miami Beach aus auf den Weg zum Nordpol um zu überprüfen, ob der Weihnachtsmann und seine Elfen tatsächlich Vampire sind wie sie. Wie sie dann allesamt in Südafrika landen, wo die Werwölfin Ingrid dem Wildhundrudel helfen möchte, von dem sie großgezogen wurde, das ist eine Geschichte für sich. – Abgedreht und ein bisschen, äh, mjerkwürdig.


    Karen Chance: Schwarze Schafe, OT: Rogue Elements, deutsch von Christine Blum. Fünf Werwölfinnen sind verschwunden. Die Clans bitten den „Silbernen Kreis für Weiße Magie“ um Hilfe, und der Fall landet auf dem Schreibtisch der Kriegsmagierin Accalia de Croisset. Weil ihre Mutter eine Werwölfin war, erhofft ihr Chef sich Insider-Informationen. Doch Accalia ist eine Ausgestoßene, die Clans werden ihr nicht helfen. Dass sie sich mit einem anderen Außenseiter-Wolf zusammentut, bringt überraschende Resultate ...


    Rob Thurman: Milch und Plätzchen, OT: Milk and Cookies, deutsch von Britta Mümmler. Blöde Weihnachten! Der dreizehnjährige Nikolai trauert der Zeit hinterher, als er sich noch auf den Weihnachtsmann freuen konnte. Außerdem hat ihn Jed, der mieseste Schläger der Schule, auf dem Kieker. Zwar hat Nikolai seinem Vater versprochen, sich keinen Ärger einzuhandeln, aber manchmal darf man die A***löcher dieser Welt einfach nicht gewinnen lassen ... – Eine blitzböse Geschichte, in der nichts so ist wie es zunächst scheint.



    Die Disney-Cola-Plastik-Weihnachtsstimmung in den Geschichten wirkt auf einen europäischen Leser schon sehr amerikanisch. Andererseits ... je kitschiger die heile Welt, desto größer ist der Kontrast zu den unheimlichen Geschöpfen, die sich darin herumtreiben. Und dann passt’s ja wieder.


    Auf jeden Fall ist die Kurzgeschichtensammlung sehr abwechslungsreich und vergnüglich und durchaus nicht nur was für minderjährige weibliche Fans des Urban-Fantasy-Genres. Romantik pur darf man in dieser Anthologie nicht erwarten. Bei manchen Geschichten ist es hilfreich, wenn man bei etwas derberem Humor und grob gestrickter Wildwestmoral nicht gleich schockiert in Ohnmacht sinkt. (Gerade diese Beiträge erweisen sich oft als besonders unterhaltsam.)


    Kurzbiographien sämtlicher teilnehmender Autorinnen und Autoren runden den Band ab und bescheren dem Leser manch eine überraschende Erkenntnis. Und wer auf den Geschmack gekommen ist und von dem einen oder anderen Schriftsteller noch mehr lesen möchte, erfährt auch etwas über sein übriges Werk. Bei ein paar TeilnehmerInnen dürfte es sich durchaus lohnen, sie im Auge zu behalten.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • Also, eigentlich wollte ich gerade bemerken, dass "absatzgeilen" Autoren nichts mehr heilig ist und sie vor nichts mehr Halt machen, wenn es um den Verkauf ihrer Bücher geht.
    Die Kombiniation Weihnachten und Werwölfe ... was soll das?
    Aber nachdem ich deine ungespoilerten und beneidenswert professionell geschriebenen Zeilen durchgeschaut und was von Humor gelesen habe, führst du mich hier ganz arg in Versuchung, Vandam.


    Was meinst du? Ist das auch was für 40jährige Fantasy-Liebhaberinnen, die aufgehört haben über Vampire und Werwölfe zu lesen, als es zum allgemeinen Trend wurde?

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Naja, wenn's mich - eine fast 50-jährige Leserin, die seit rund 20 Jahren auf dem SF- und Fantasymarkt nicht mehr viel Interessantes findet - amüsiert hat, wäre es immerhin möglich, dass dir das auch gefällt.


    Klar, es ist ein hochkommerzielles US-amerikanisches Projekt und durchaus dazu geeignet, religiöse Gefühle zu verletzen. Aber es waren lauter Profis zugange, und das merkt man. Da ist kein Füllmaterial drin, bei dem man denkt, na, der Autor müsste noch 'ne Weile auf die Weide, bis das was wird.


    Es gibt natürlich Stories im Buch, die einem vom Ansatz her weniger liegen, das ist in Anthologien immer so. Aber es hat auch ein paar Klopper dabei, für die sich die Anschaffung des Buchs allein schon lohnt. Finde ich.


    Das Buch Bob - da war ich nur am dreckig Lachen. Und das in der Bahn! Eines Tages werden sie mich noch abholen kommen ...

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Ich les das Buch grad im englischen Original und unterhalte mich im Großen und Ganzen sehr gut - einige Geschichten sind ein wenig eigen, aber andere gefallen mir dafür ganz ausgezeichnet.
    Gekauft hab ich mir die Sammlung - wiedermal - wegen der Sookie Stackhouse Geschichte ;)
    Dana Cameron: Die Nacht, die alles verwandelte, OT: The Night Things Changed fand ich von der Grundidee ziemlich originell und Claudia's T-Shirts sehr lustig - 'I <3 Spike' und 'Try it, Buffy' (oder so ähnlich) ;)

  • Hallo Zusammen,


    ich bin jetzt schon halb durch mit dem Buch, und ich bin begeistert ! :anbet
    Bisher gefallen mir die Geschichten sehr gut und ich werde wohl nun auch einen Blick auf die Sookie Stackhouse-Reihe und auf die Midnight Hour-Reihe werfen. Die beiden Hauptfiguren haben mir sehr gefallen, davon will ich mehr. :-)


    Sieben Geschichten hab ich bisher gelesen und siebenmal wurde ich wirklich gut unterhalten. Eine der Geschichten fand ich ein bischen schwächer, aber auch nicht total schlecht, vielleicht selbst für eine Kurzgeschichte zu kurz um wirklich warm mit ihr zu werden.


    Jetzt gehts zum zweiten Teil des Buches. :lesend



    newmoon : Ja alle Geschichten haben einen weihnachtlichen Hintergrund.

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Hallo,


    habe das Buch inzwischen beendet und ich bin fast ein bischen traurig ! Das Buch ist wirklich super klasse ! Es hat mir wirklich die Weihnachtszeit versüßt, und mich gut unterhalten.


    Bei den Geschichten waren ein paar wirklich tolle dabei, aber keine wirklich schlechten,also alles in allem ein tolles Buch. Ich kann es jedem Fantasy-Fan nur empfehlen.


    10 von 10 Punkten. :-)

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Im Vorwort steht, dass Charlaine Harris und Toni P. Kelner nach dem Erfolg von "Happy Bissday" wieder etwas Ähnliches machen wollten. Sie schrieben Autoren an und gaben ihnen die Stichworte "Weihnachten und Werwölfe", daraus sollten dann Kurzgeschichten entstehen. Fast alle sagten sofort begeistert zu, nur J. K. Rowling war gerade mit irgendwas Anderem beschäftigt. Sarkasmus von Frau Harris? Wer weiß. :grin


    Jedenfalls sind unterhaltsame Geschichten entstanden.
    Es gibt ein Wiedersehen mit Sookie Stackhouse, die am Heiligen Abend in ihrem Waldstück einen verletzten Werwolf findet und ihr eine abenteuerliche Geschichte erzählt.

    Radiomoderatorin Kitty Norville trifft an Heiligabend auf einen frei umher streifenden Werwolf. Dann geschieht eine Mordserie. Steckt David dahinter, der sich an nichts erinnern kann? Gemeinsam gehen sie auf die Jagd nach dem Täter.

    Auch Kat Richardson, die einige sicher von ihrer Greywalker-Reihe kennen, hat sich hier an ihrer ersten Werwolfgeschichte versucht, was ihr gut gelungen ist. Sie führt uns zum Nordpol, wo Werwolf Matthias am Weihnachtsabend als Leit-Rentier den Schlitten des Weihnachtsmannes ziehen muss, da er Rudolph leider gefressen hat. :lache


    Also wer mal etwas andere Weihnachtsgeschichten lesen möchte und Fantasy und Werwölfe mag, der liegt mit diesem Band genau richtig.

  • Die 15 Geschichten dieser Anthologie stehen unter den Mottos „Weihnachten“ und „Werwölfe“, die zwar sehr gegensätzlich erscheinen, aber gar nicht so schlecht zueinander passen, wenn man nicht unbedingt heile Weihnachtswelt erwartet.


    Die Geschichten sind bunt gemischt, einige lustig, einige gruselig, einige sehr skurril, die meisten spannend, auch leicht kitschige Weihnachtsgeschichten sind darunter, einige haben richtig gute Pointen, wirklich vorhersehbar ist keine (wenn man mal davon absieht, dass natürlich durch die Mottos schon einiges vorgegeben ist). Mir hat es sehr gefallen, wie unterschiedlich und mit welcher Fantasie die einzelnen Autoren/Autorinnen das Thema bedient haben.


    Die Autoren sind (offenbar) bekannte us-amerikanische Fantasyautoren, ich muss allerdings gestehen, das ich außer Charlaine Harris keinen kannte, aber durchaus Lust auf den einen oder anderen bekommen habe.


    Mir hat die Anthologie sehr gefallen, ich kann sie nur empfehlen. Genrefans werden ihren Spaß haben, wer allerdings herkömmliche Weihnachtsgeschichten sucht, ist hier falsch.


    Ich vergebe 9 Sterne.