Kurzbeschreibung
Kyle McAvoy steht eine glänzende Karriere als Jurist bevor. Bis eine junge Frau behauptet, Jahre zuvor auf einer Party in Kyles Appartement vergewaltigt worden zu sein. Kyle weiß, dass diese Anklage seine Zukunft zerstören kann. Und er trifft eine Entscheidung, für die er mit allem brechen muss, was bisher sein Leben bestimmt hat.
kamelin meint
Was ist mit John Grisham los? “Der Meister des Justizthrillers” hat mit diesem Buch ein Werk abgeliefert, das für mein Empfinden von Anfang bis Ende lustlos und unmotiviert vor sich hin plätschert.
Der Held, Kyle McAvoy, ist ein unsympathischer Waschlappen ohne Ecken und Kanten. Er lässt sich mit einem völlig haltlosen Erpressungsversuch einfangen, um ein viel schlimmeres Verbrechen zu begehen als der haarsträubende Unsinn, mit dem man ihn unter Druck setzt.
Diese Tatsache bricht der Glaubwürdigkeit der Story gleich im ersten Viertel der Geschichte das Genick.
Als Leserin habe ich bis zum letzten Kapitel auf eine Wende oder einen Ruck gewartet, der durch die Story geht. Stattdessen musste ich absatzweise McAvoys Gejammer ertragen, der sich nicht wie ein Yale Absolvent, sondern wie ein Stümper aufführt.
Das Erste, das er nach dem Erpressungsversuch hätte überprüfen müssen ist, wie das Objekt der Erpressung, Elaine, zu dieser Sache steht (und ob sie überhaupt noch lebt). Das Naheliegendste wäre doch, sich mit ihr zu unterhalten, mit dem Ziel sich zu einigen. Alles wäre besser gewesen, als der Erpressung nachzugeben. Statt sich also ein Bild über die Situation zu verschaffen und Elaine aufzusuchen, riskiert Kyle McAvoy seine Anwaltslizenz, seine Träume, seine ganze Existenz für etwas, das er nicht getan hat. Wie glaubwürdig ist das?
Kyle geht also auf die Erpresser ein, und verdammt die Leserschaft dazu mit anzusehen, wie er immer tiefer in einem Sumpf aus Drohungen und Nötigung versinkt.
Als Leserin bin ich bereit einiges mit dem Helden durchzumachen. Aber wie soll man zu jemanden halten, der sich von A-Z wie ein Trottel aufführt? Der seinen Freund anbettelt ihm zu helfen, obwohl eben dieser Freund einer der Urheber dessen ist, wofür Kyle unter Druck gesetzt wird.
So dehnt sich die Geschichte ohne Spannungsbogen, ohne Hochs und Tiefs und ohne überraschende Momente wie Kaugummi dahin.
Das Ende war dann so abrupt wie enttäuschend, und spätestens da wurde mir klar, dass ich zu viel erwartet habe. Die große Überraschung bleibt aus, die geniale Wende kommt nicht, der Held ist und bleibt ein Loser, der nichts besseres verdient hat, als das Buchende ihm zugesteht. Leider kann ich nicht näher auf den Ausgang eingehen, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Nur so viel: Es wird teuer und ist meiner Ansicht nach unbefriedigend.
Nach Romanen wie “Die Begnadigung”, “Die Bruderschaft”, “Die Jury” oder “Der Klient”, ist das meiner Ansicht nach der bisher schlechteste Grisham, gleich hinter “Der Richter”, der ähnlich unmotiviert vor sich hingeplätschert ist.
Der einzige Lichtblick war Charles Brauer, dessen warme Erzählstimme mich bei der Stange gehalten hat, sonst hätte ich das Audiobuch schon in der Mitte abgebrochen.
Wie immer muss sich jeder selbst ein Bild machen, denn die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Meiner Meinung nach liegt die Geschichte weit hinter Grishams Möglichkeiten - da wäre mehr drin gewesen.
Der Anwalt
von John Grisham
Gekürzte Lesung
6 CDs
7 Std. 38 Min.
Gelesen von Charles Brauer