Alle Zeit - Kathrin Gerlof

  • Über den Autor
    Kathrin Gerlof, geboren 1962 in Köthen/Anhalt. Journalistikstudium, Redakteurin bei verschiedenen Tageszeitungen. Lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Ihr Debütroman »Teuermanns Schweigen« erschien 2008 im Aufbau- Verlag und wurde von der Kritik gefeiert.


    Kurzbeschreibung
    Die traurig-schöne Geschichte von fünf Frauen, die einander sehr viel näherstehen, als sie glauben. Ein beeindruckender Roman über das Altwerden und Neugeborensein, über Liebe, Verlust und neu gewonnenes Vertrauen. Als Juli und Klara einander im winterlichen Park begegnen, ahnen sie nicht, wie ihre beiden Leben verwoben sind. Die eine ist blutjung, hochschwanger und mutterseelenallein. Die andere, alt und gebrechlich, verliert mehr und mehr den Bezug zur Welt und weiß, fürs Erinnern bleibt nicht mehr viel Zeit. Warum nur fühlt Juli sich der alten Frau so nah? Spürt sie, was Klara und das Kind in ihrem Leib verbindet? »Alle Zeit« erzählt, wie ein tragisches Ereignis die ohnehin lose verknüpften Familienbande endgültig kappen konnte und weshalb das Baby und die vergessliche Frau mehr als nur drei Generationen trennen. In den Frauenschicksalen spiegelt sich zugleich die deutsche Geschichte auf tragische Weise. Ein faszinierendes Erinnerungsspiel in einer berührenden Familiengeschichte über das Altwerden, das Neugeborensein und eine Liebe am Ende des Lebens.


    Meine Rezension
    Ich habe schon zweimal mit der Rezi begonnen und beide Anläufe wieder verworfen, so schwer fällt es mir, meine Meinung in Worte zu fassen. Es ist vor allem auch sehr schwierig, diesem Buch gerecht zu werden, ohne zuviel zu verraten. :gruebel


    Das Buch erzählt die Geschichte von fünf Frauen aus fünf verschiedenen Generationen, die wir ein Stück weit auf ihren Wegen begleiten:


    Da ist Juli mit dem grünen Haar, noch keine 18 und doch schon Mutter der kleinen, neugeborenen Svenja.


    Da sind Henriette und Elisa, Mutter und Tochter, die sich auf eine Reise in die Vergangenheit machen.


    Und dann ist da noch die alte Klara, die spürt, wie ihr jeden Tag ein wenig mehr ihr Verstand abhanden kommt und sich gegen diese grausame Alterserscheinung zur Wehr setzt, so gut sie kann.


    Das Buch erzählt ganz viele Geschichten, verwoben zu einer einzigen. In Rückblicken und parallelen Erzählsträngen erfahren wir so alles über das Leben der Protagonistinnen und was sie eint. Sie haben allesamt schwierige Zeiten hinter sich, wie man nachlesen kann. Ein wenig verwirrend fand ich dabei allerdings manchmal die Rückblicke, so dass ich ein paar Mal erst überlegen musste: In wessen Geschichte befinde ich mich gerade.


    Doch das passiert mir gelegentlich schon mal bei dieser Erzählweise und es hat mein Lesevergnügen auch nicht ernsthaft beeinträchtigt. ;-)


    Die Geschichte wird vielschichtig auf mehreren Zeitebenen erzählt, doch am Ende werden die losen Fäden miteinander verbunden. Sie erzählt uns vom Beginn und vom Ende des Lebens, von Familienbanden und von Trennungen, vom Krieg und vom Altwerden sowie von der Liebe in jungen und ganz späten Jahren.


    Das Ende, über das ich ebenfalls nicht mehr verraten möchte, hat mir überraschend gut gefallen. Alles andere hätte in meinen Augen nicht zum Buch gepasst.


    Fazit: Ein interessantes Buch, eine tolle Geschichte und eine Autorin, die ich mit Sicherheit im Auge behalten werde.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Alle Zeit – Kathrin Gerlof


    Meine Meinung:
    Der Roman ist stilistisch gut gemacht und lesenwert. Er erzählt von der 80jährigen, inzwischen an Alzheimer erkrankten Klara bis hin zu ihrer Enkelin Juli, die gerade ein Kind bekommen hat.
    Dazwischen werden noch kurz Julis Mutter Henrietta und ihre Großmutter Elisa angerissen.
    Doch die stärkste Figur ist und bleibt Klara, deren durch das Alzheimer geförderte Erinnerungen die Handlung dominieren. Sie erinnert sich an die Zeit nach dm Krieg, als sie sich mit einem Russen eingelassen hatte und an ihre Krebserkrankung.
    Die Zeit, in der Klara als linientreue in de DDR lebte, wird wiederum durch Gespräche Henriettas und Elisas betrachtet.
    In der Summe geschickt gemacht, allerdings ist die Erzählweise über Alzheimererinnerungen auch nicht gerade innovativ. Auch wird die DDR-Zeit nahezu vernachlässigt.
    Der aktuelle Erzählstrang behandelt einerseits Julis erste Erfahrungen als junge Mutter und Klaras Leben in der Klinik. Der Roman suhlt sich geradezu in der Alzheimerthematik, die in letzter Zeit in Romanen und Filmen so sehr oft behandelt wurde. Inkontinenz und vergessene Wörter bestimmen Klaras Leben, aber auch die aufkeimenden Gefühle zu den Juden Aaron, mit dem sie eine späte Liebe erlebt. Das sind für mich die stärksten Momente im Roman neben den Erlebnissen Klaras in der Vergangenheit. Die anderen Figuren können mit Klara nicht mithalten, sie sind bei weiten nicht so stark entwickelt und das ist vielleicht die Schwäche des Buches.
    Die Autorin hätte vielleicht besser daran getan, nicht den großen Bogen durch die Generationen mit mehreren Frauen zu schlagen und sich stattdessen komplett nur auf ihre dominierende Hauptfigur zu konzentrieren.


    Stilistisch ist der Roman gut gestaltet, ab und zu ist die Sprache bei den Passagen in der Nachkriegszeit aber zu gewollt altmodisch gehalten, man denkt bei einigen Passagen an Günter Grass.
    Viele Personen dieser Zeit werden so beschrieben, dass sie an Schauspieler erinnern: Heinz Rühmann wird erwähnt, einer hat Augen wie Hans Albers, ein anderer wirkt wie Johannes Heesters. Also fast die einzigen Schauspieler der NS-Zeit, die heute noch sehr bekannt sind. Das ist zu auffälliges „Namedropping“ und kann als störend empfunden werden.
    Im zeitgenössischen Teil werden unbekannte Filme wie „Sue“(von Amos Kollek) oder von Jim Jarmusch erwähnt. So sieht eine Kellnerin aus wie Sue. Tatsächlich hat man das Bild sofort vor Augen und es funktioniert. Aber es besteht auch die Gefahr, dass Leser diese Filme nicht kennen und die Assoziationen ausbleiben.


    Ein stilistisch interessantes Buch, bei dem einige Passagen sicher länger in Erinnerung bleiben, in der Gesamtkonzeption einiges aber auch nicht stimmig wirkt.
    Es bleiben 7 von 10 Punkten.

  • Ich hatte mich auch mal mit dem Buch begonnen, habe es jedoch nach kurzer Zeit (nach etwa 25 Seiten) abgebrochen. Die Geschichte ist zwar ganz interessant, mir ist die Sprache jedoch zu literarisch.

  • Die Kurzbeschreibung auf dem Buchrücken hat mein Interesse geweckt: "Ein berührender Roman über das Altwerden und Neugeborensein, über Liebe, Verlust und neugewonnenes Vertrauen".


    Leider kam ich mit Sprachstil und Aufbau der Geschichte nicht zurecht. Es war mir, offen gestanden, einfach zu anstrengend und auch zu schwermütig, so dass ich über ein "Anlesen" von wenigen Seiten nicht hinausgekommen bin.

  • Ich schließe mich Batcats Meinung voll und ganz an. Ein wundervolles Buch über das Jungsein und das Alter. Die Rückblicke oder der Wechsel zu einer anderen Person waren für mich kein Problem, denn diese fing immer auf einer neuen Seite an. Auch Aaron wurde sehr gut eingebaut und gefiel mir als Person. Das Ende war sehr stimmig. Ein wunderbares Buch.


    Von mir gibt es 10 Punkte!

  • Kathrin Gerlof zeigt in ihrem Roman die Stärken und Schwächen verschiedener Frauen einer Familie auf. Sie zeigt die Eigenheiten, Schwächen und was sie aus ihrem Leben machen. Nachdenklich haben mich viele Passagen zurück gelassen.
    Die zusätzliche Stärke dieses Buches: das Leben mit Demenz. Wirklich gekonnt beschreibt sie zwei Menschen am Ende ihres Lebens. Ihre Gefühlswelt und ihren sinnlosen und aussichtslosen Kampf gegen das Vergessen. Das ganze ist so realitätsnah und glaubwürdig geschrieben, dass es mir teilweise eine Gänsehaut beim lesen bescherte. Großes Kino! Zehn Punkte


    :wave

    :lesend Jonathan Tropper - Sieben verdammt lange Tage


    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.
    Albert Einstein