Ich liebte eine Bestie. Die Frauen der Serienmörder - Stephan Harbort

  • Ich muss unbedingt mal wieder eine Rezension abgeben. Und was eignet sich zu diesem Zweck besser als der neueste Schmöker von Stephan Harbort. Viele Menschen befassen sich mit Mord und Totschlag ausschließlich in Form von Krimis, leider ist das Thema in der Realität sehr viel ernster und nicht nach 90 Minuten oder 250 Seiten für alle Beteiligten befriedigend abgeschlossen. Harbort hat ja nun schon diverse Bücher zum Thema Serienmord geschrieben, nun liegt wieder ein spannendes Werk vor:



    Klappentext:


    Serienmörder stehen im Blickpunkt des öffentlichen Interesses - aber was ist mit ihren Ehefrauen? Viele Menschen fragen sich: Hat sie etwas gewusst? Hat sie denn nichts gemerkt? Wie ist das, wenn man mit einem Serienkiller zusammenlebt? Welche Qualen muss sie aushalten, die nicht ahnte, wer sich hinter der Maske des fürsorglichen Familienvaters verbarg? Und nicht zuletzt: Was ist das überhaupt für eine Frau?


    Der Kriminalist Stephan Harbort hat mit den Frauen der Mörder gesprochen und erzählt ihre Geschichten vor dem Hintergrund der spektakulärsten Serienmord-Fälle der jüngeren Vergangenheit - spannend, authentisch und mit großem Einfühlungsvermögen.



    Der Autor:


    Stephan Harbort, Jahrgang 1964, arbeitet als Kriminalbeamter in Düsseldorf. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten des Themas Serienmord und hat bereits einige Bücher veröffentlicht. Auf seiner Webseite veröffentlicht er auch Forschungsergebnisse zum Thema.



    Meine Meinung zum Buch:


    Im Vordergrund des Buches stehen diesmal weder die Täter noch die direkten Opfer von Serienmördern sondern Menschen, an die man sicher nur selten denkt, wenn man von schweren Verbrechen hört. Der Täter wird (bestenfalls) irgendwann inhaftiert und verurteilt, das Opfer ist tot, der Fall damit scheinbar erledigt. Zurück bleiben Angehörige, Partnerinnen und Ehefrauen der Täter. Ratlos, unschuldig, mitschuldig, vollkommen unwissend oder auch schon lange etwas ahnend und dennoch schweigend. Und manchmal auch selbst aktiv am brutalen Geschehen beteiligt.


    Sie geraten ins Abseits. Auch sie sind Opfer - der Umstände, ihres eigenen Verhaltens und das ihres Partners. Doch sie können sich nirgendwo offenbaren und dieses Opfersein für sich beanspruchen. Sie müssen schweigen und sich zurückziehen, wollen sie nicht ins Fadenkreuz der Selbstgerechten geraten, die ja schon immer etwas ahnten und nun nicht mit Vorwürfen geizen. Doch ist es immer so einfach wie es von außen aussieht?


    Harbort zeichnet Beziehungsverläufe nach von Menschen, die Stück für Stück in den unguten Sog von Abhängigkeit, enttäuschter Liebe und Hoffnung hineingeraten und dennoch nicht erkennen, welchem Abgrund sie sich unaufhaltsam nähern. Er spricht mit einer Mutter, die auch nach dem Geständnis brutalster Verbrechen ihres Sohnes noch die Kraft hat, ihm zu schreiben, sie wolle ihn nicht ganz verlieren. Partnerinnen, die angesichts eindeutiger Geständnisse noch wegsehen, schweigen und ausblenden können. Er hat sich mit Familienangehörigen und Partnerinnen von Serientätern unterhalten, die zum Teil unvorstellbar grausame Verbrechen verübt haben, die den Beobachter nur ratlos zurücklassen.


    Was von außen so einfach und klar zu sein scheint, bekommt hier eine Dimension, die erahnen lässt, wozu familiäre und Liebesbindungen führen können, was Menschen mitzumachen oder auch selbst aktiv zu tun bereit sind, um eine Beziehung zu bewahren, was sie zu übersehen oder gar zu tolerieren vermögen, um eine einmal errichtete Fassade aufrechtzuerhalten. Frei nach dem Motto: Lieber so einen Mann als gar keinen Mann. Beziehungen, in denen von Anfang bis Ende vor allem eines herrscht: Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit.


    Harbort glänzt auch diesmal mit Fall- und Tatbeschreibungen, die Gänsehaut verursachen. Seine punktgenaue und treffsichere Beschreibung lässt den Leser tief ins Geschehen eintauchen und mitfühlen, aber auch darüber nachdenken, was man selbst (nicht) tun würde, wenn man einen schrecklichen Verdacht gegen den eigenen Partner hegen würde.


    Wieder einmal ein sehr spannendes Buch, das einen Aspekt von Serienmorden beleuchtet, der meist übersehen wird. Und ein erschreckendes Lehrstück menschlicher Beziehungen, Abhängigkeiten und wechselseitiger Manipulationen.



    Meine Wertung:


    Unbedingt lesenswert für Menschen, die sich ernsthaft mit dem Thema Serienmord auseinandersetzen und nicht nur die Scheinwelt der Krimis sondern die harte Realität betrachten wollen.

  • Vielen Dank Chaoshexchen für die ausführliche Rezi. Es steht bereits auf meiner Liste. Ich liebe die Bücher von Stephan Harbort. :-]


    Im Oktober habe ich die Mail bekommen, dass sein neuestes Buch erschienen ist:
    "100 Prozent tot. Das Phantom vom Grunewald". :wave