Kurzbeschreibung
Kaum jemand im Westen kennt Transnistrien (auch Pridnestrowien oder PMR genannt). Es ist international nicht anerkannt, hat keine wahrnehmbare Stimme und die wenigen Medienberichte zeigen ein eindimensionales Bild. Die EU hätte das Problem gerne vom Tisch.
Seit sechs Jahren erkunden die Autoren Kramar und Marcell Nimführ das Land links des Flusses Dnjestr. Auf ihren Reisen haben sie Land und Leute kennengelernt, Reportagen und Portraits aufgezeichnet. Glück hatten sie auch: Sie lernten den Dolmetscher, Radiomoderator und Uni-Lektor Andrey Smolensky kennen. Er zeigte ihnen Orte, die westlichen Augen bisher verwehrt blieben und machte sie mit Leuten bekannt, die sonst keinen Journalisten so freundlich Auskunft gegeben hätten.
Transnistrien gehört zur Republik Moldau (sagen die Moldauer), Transnistrien ist unabhängig (sagen die Transnistrier), Transnistrien darf es nicht geben (sagt die westliche Welt). Unter den Westlern kann man Kramar und Marcell Nimführ als die wirklich intimen Kenner der PMR bezeichnen. Die Autoren verteidigen kein Regime und unterstützen keine möglichen kriminellen Handlungen des Regimes. Es gibt keine einzige Wahrheit und dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf eine solche. Es zeigt vielmehr, wie Pridnestrowier (Transnistrier) dieses Land wahrnehmen.
Ein Fotoband, ein Reisebericht, ein Buch über Propaganda und Gegen-Propaganda: Mit „Hier spricht Radio PMR“ ist den Wiener Journalisten ein grandioses fotografisches Portrait gelungen. In zahlreichen Interviews und transkribierten Radioberichten wird ein differenziertes Bild der kleinen Sowjetunion gezeichnet.
Meine Meinung
Ich hatte von Transnistrien gehört, eine „antrünnige“ Sowjetrepublik, die partout nicht zu Moldawien (und damit zu Rumänien und damit zur EU) gehören will, einen eigenartigen halbkapitalistischen Sozialismus hätschelt und damit ein Witz auf der Landkarte ist.
Dass es so einfach nicht ist, hätte ich mir denken können, und dieses Buch führt dies eindrucksvoll vor:
Das Land ist einerseits ein Dinosaurier,es feiert weiterhin die sowjetischen Feiertage, schmückt seine Lenindenkmäler, pflegt eine etwas dubiose offizielle Geschichtsschreibung und trägt noch immer stolz Hammer und Sichel in seiner Nationalflagge.
Auf der anderen Seite jedoch ist das genau der Grund, warum es den Menschen in diesem Land, das es nicht gibt, genau betrachtet besser geht als denen im ungeliebten Mutterland Moldawien: Sowohl blieb ihm das Aufflammen nationalistisch motivierter Gewalt wie auf dem Balkan und im Kaukasus, als auch die Vernichtung der Industrie und damit eine rapide Verarmung der breiten Bevölkerung wie eben in Moldawien, aber auch Rumänien, erspart.
Dieses Buch zeigt nun in beeindruckenden Bildern (weshalb ich mich für die Rubrik Bildband entschieden habe) den Alltag in Transnistrien, das Leben und Arbeiten der Menschen, aber auch die allgegenwärtige Propaganda in diesem Land. Zusammen mit den Texten verschiedenster Transnistrier führt dies zu der verblüffenden Erkenntnis: In diesem kuriosen Land, dass entgegen aller Unkenrufe und trotz aller Knüppel, die ihm zwischen die Beine geworfen wurde, seit 15 Jahren stabil funktioniert, kann man ein ganz normales, zufriedenes Leben führen.
Der Titel des Buches stammt übrigens von einem enthusiastischen transnistrischen Deutschstudenten, Andrey Smolensky, der aus Liebe zu dieser Sprache eine deutsche Nachrichtensendung im transnistrischen Radio moderiert.
Ach ja, die Qualität des Bandes ist top, offensichtlich ist der Verlagsname, Verlag für bildschöne Bücher, Programm.