Sturmerprobt - Einar Kárason

  • Kurzbeschreibung
    Rasant und provokant, frech und abgrundtief komisch
    Der Mann ist für viele die Pest, für manche ein Genie und sich selbst gelegentlich ein Rätsel: Eyvindur Jonsson, genannt »Stormur« (was auf deutsch »Sturm« bedeutet), macht es seinen Mitmenschen nicht eben leicht. Ein Hang zur Bequemlichkeit zeichnet ihn aus - und eine Neigung, die Frauen seines Lebens für sich arbeiten zu lassen. Man könnte ihn auch als genialen Schmarotzer bezeichnen. Immer auf der Suche nach dem ganz großen Ding, das seinem Dasein die alles entscheidende Wendung gibt. Immer im Besitz genialer Ausreden, wenn es dann doch nicht klappt. Aber weil er immerhin über die glückliche Gabe verfügt, mitreißend und herzerfrischend erzählen zu können, erreicht ihn eines Tages tatsächlich ein ungewöhnliches und viel versprechendes Angebot: Er soll für einen bekannten isländischen Verlag vor den Medien möglichst authentisch den Autor eines Buches mimen, das im Milieu der Obdachlosen und Alkoholiker spielt, aber anderweit geschrieben wurde. Stormur wittert seine große Chance - und verkalkuliert sich wieder mal gewaltig ...


    Meine Meinung
    also der ganz große Wurf war dieses Buch leider nicht. Das liegt nicht unbedingt daran, dass Stormur ein faules Ekel ist oder dass der Plot so einige Schwächen hat.
    Die Geschichte wird in erster Linie aus Stromurs Sicht geschrieben, auch wenn des öfteren auch seine Mitmenschen zu Wort kommen. Der lebt in den Tag hinein, lässt sich von seiner Frau aushalten und ist ansonsten bemüht, so viel Geld wie möglich dem Sozialstaat aus dem Kreuz zu leiern. Da er es bei seine dubiosen Geldbeschaffungsmaßnahmen irgendwann einmal übertreibt, flieht die Familie nach Odense, Dänemark, wo Stormur auch wieder nichts Besseres zu tun hat, als auf dem Sozialamt Geld einzufordern, mit seinem Kumpel Bössi Bier zu saufen und sich ansonsten bei der isländischen Exilgemeinde unbeliebt zu machen.
    In Island derweil, versucht ein Verlag den Umsatz anzukurbeln, indem die Redaktion den ultimativen Bestseller schreibt, einen dreckigen Straßenroman, der in den untersten Schichten der Gesellschaft spielen soll. Und als Autor bietet sich natürlich Stormur an, der isländische Möchtegern-Boheme im Exil, der genau diesem Millieu entstammt. Dass der natürlich ob seines unverhofften Ruhms größenwahnsinnnig werden und die ganze Sache vergeigen würde, ahnt jeder, der sich nun immerhin schon über einige Seiten mit Stormur beschäftigen durfte.


    Karason hat Stormur als Arschloch angelegt, rassistisch, faul und überheblich. Das ist prinzipiell kein Problem, ein Romanheld muss nicht sympathisch sein. In diesem Fall aber ist daraus leider keine stimmige Persönlichkeit geworden, vielmehr wirkt Stormur aus zumeist unangenehmen Charaktereigenschaften zusammengebastelt, nicht authentisch. Und da es in diesem Roman in erster Linie um Stromurs permanentes Versagen geht, bleibt die ganze Geschichte irgendwie belanglos. Auch die anderen Protagonisten des Romans bleiben blass, ihre Handeln unverständlich.
    Ich weiß nun nicht, ob dieses Buch so unbedeutend ist, wie ich es empfunden habe, oder ob ich was Entscheidendes nicht kapiert habe. Allein deshalb würden mich andere Meinungen interessieren. Bisher nämlich habe ich Karason als ganz hervorragenden Autor wahrgenommen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich habe das Buch gestern zu Ende gelesen. Ich mag Herrn Kárason irgendwie, auch wenn ich das nicht richtig begründen kann. Bisher haben mir alle Bücher, die ich von ihm gelesen habe, gut gefallen.


    Ich muss zugeben, dass ich von diesem Roman erst etwas "irrtiert" war (das trifft es nicht ganz, aber mir fällt irgendwie kein besseres Wort ein). Ich mußte mich erst dran gewöhnen, dass jedes Kapitel von einer anderen Person geschrieben wurde (wenn es auch meist die gleichen 5 oder 6 Charaktere sind, und besonders natürlich Hauptfigur Stormúr).


    Zumal ich den Klappentext auch nicht so gelungen fand. Er ist zwar nicht falsch, aber die ganze Verlagsgeschichte taucht erst im letzten Drittel des Buches auf... Lachen mußte ich auch mal, als Kárason auf sich selbst anspielte (irgendwo kam doch die "Teufelsinsel" vor....). Und überhaupt, ich glaube, solche Dinge sind vermehrt an mir vorbeigegangen


    Wie fand ich das Buch nun? Ich glaube inzwischen, dass es hilft, wenn man Isländer ist und dieses Buch liest (scheint ja dort auch recht erfolgreich gelaufen zu sein), denn dann hat man noch mal eine andere Perspektive auf das Ganze. Dann dürfte einen grundsätzlich nicht mehr wundern, dass das Verhältnis zu Dänemark duchaus mal gespannt sein darf - anderseits will man aber dort wohnen und arbeiten. Einerseits schwingt man große Reden, kriegt dann aber nichts auf die Reihe von dem, was man so angekündigt hat. Es wurde bei der Verlagsgeschichte auch sehr schön deutlich, was für verschiedene und auch widersprüchliche Ansichten die beteiligten Personen haben.


    Stormur schien mir manchmal eine Art Weiternetwicklung des "Klichee-Bauern-Isländers" zu sein: Eben so, wie die Isländer in früheren Zeiten oft betrachtet wurden und teilweise auch noch von anderen werden: Großmäulig, oft betrunken, erzählen gerne Geschichten, die Wirklichkeit sieht dann aber ganz anders aus. Vielleicht war es deshalb recht erfolgreich: Jeder Isländer kennt das - oder jemanden, der irgendwie ein bißchen so ist. Früher war das Leben auf der Insel ja auch noch um Einiges härter als heute.


    Der Schreibstil war durchaus okay, das, was ich erwartet hatte, wirkte manchmal gar schnell und atemlos, aber ich habe dabei nicht den Faden verloren, von daher wars für mich in Ordnung.


    Ich fand das Buch so mittelmäßig - nicht schlecht, aber auch kein Knaller, wobei ich es trotzdem gerne gelesen habe.

  • Dies war mein erster Karason und ich bin begeistert!


    Wie dickfellig und faul, dabei aber schlau wie ein Fuchs und gleichzeitig so kleingeistig und dumm dieser Eyvindur ist, der sich selbst Stormur nennt ("Wieso eigentlich?" fragt sich seine Mutter), fand ich einfach faszinierend. Vor allem, wie gut er damit trotzdem durchs Leben kommt.


    Da wird doch mal ein ganz anderer Typ Mann auf die Schippe genommen, als ich es bisher aus Büchern gewohnt war.
    Natürlich möchte man Stormur und auch seine Frau Stebba immer wieder gerne mal nehmen und kräftig durchschütteln - aber ich weiß aus eigener Erfahrung mit gewissen solchen Leuten aus meiner "weitläufigen" Familie, dass das überhaupt nichts bringen würde. Die würden nur in aller Seelenruhe ihr Bier wieder zur Hand nehmen und genauso weitermachen, wie bisher.


    Interessant, dieser Einblick ins Leben eines Menschen, der in seinem Leben so gut wie noch nie gearbeitet hat und es immer wieder hinkriegt, dass die anderen einfach alles für ihn machen. Und sich wunderbar in der Gesetzesgebung auskennt..., sehr hilfreich.


    Mit einer guten Portion Humor und mehreren Schüssen Ironie hat mir dieses Buch viel Spaß gemacht. Ich bin allerdings auch sehr anfällig für diese Art von skandinavischer Literatur! Die ist einfach anders...


    Von mir sind die 9 Punkte.
    Gruß vom killerbinchen :wave


    P.S.: Sehr interessant fand ich auch die Diskussionen im Verlag darüber, ob es Peter Hoeg nun als Autor wirklich gibt, oder ob "Fräulein Smilla" auch in einer Arbeitsgruppe entstanden ist...

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“